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Pius Paschke verabschiedet sich enttäuscht von der Vierschanzentournee.

© Imago/Eibner/Memmler

Fazit zur Vierschanzentournee: Die deutschen Skispringer fliegen auf der Stelle

Es ist inzwischen schon eine Tradition, dass die DSV-Athleten beim Saisonhöhepunkt unter ihrem Niveau springen. Sorgen bereitet vor allem, dass die Qualität in der Breite nachgelassen hat.

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Das deutsche Skispringen, zumindest das der Männer, steckt in der Depression. Das ist der Eindruck seit dem 1. Januar, als mit dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen selbst den größten Optimisten dämmerte, dass es mit einem deutschen Gesamtsieg erneut nichts werden wird. Und mit jedem Tag, den sich der Wettbewerb am Dreikönigstag der Entscheidung näherte, steigerte sich das Gefühl eines Scheiterns.

Dass mit Pius Paschke der beste deutsche Springer die Tournee auf Rang sechs beendet und es kein weiterer unter die ersten Zehn geschafft hat, ist natürlich eine herbe Enttäuschung. Selbst hinter den Österreichern, die in ihrer eigenen Liga unterwegs waren, schnitten andere Nationen besser ab.

Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage, warum das deutsche Team jedes Jahr mindestens einen großen Favoriten bei der Tournee aufzubieten hat, dass aber stets die anderen Nationen am Ende die Überflieger stellen. Bis auf Andreas Wellinger 2023/2024, der sich nur einem überragenden Ryoyu Kobayashi geschlagen geben musste, fehlte in den vergangenen Jahren stets die Konstanz, die Leistung über alle vier Wettbewerbe auf die Schanze zu bringen.

Dem DSV-Team fehlt die Breite im Kader

Zwei entscheidende Dinge fehlen dem deutschen Team aktuell. Zum einen ist es ein herausragender Springer, der allen Widerständen trotzt und den ganzen Winter auf höchstem Niveau abliefert. Pius Paschke startete zwar fulminant in diesen Winter mit fünf Siegen. Aber es zeigte sich in den vergangenen Tagen bereits, dass die Konkurrenz stark aufgeholt hat. Und dass er es im weiteren Verlauf des Winters wohl schwer haben dürfte, regelmäßig Wettkämpfe zu gewinnen.

Zudem ist das deutsche Team in der Breite nicht besonders gut aufgestellt. Hinter den herausragenden Leistungen Paschkes in der ersten Saisonphase ging fast etwas unter, dass Andreas Wellinger und Karl Geiger nur punktuell in diesem Winter Sprünge auf höchstem Niveau zeigten. Philipp Raimund gilt als Athlet, der alles mitbringt, um erfolgreich zu sein. Allerdings will ihm der Übergang vom Talent zum gestandenen Springer nicht so recht gelingen.

Die Trainerfrage stellt sich im Moment für uns überhaupt nicht.

DSV-Sportdirektor Horst Hüttel

Und dann stellt sich natürlich die Frage, welchen Einfluss der Bundestrainer hat. Stefan Horngacher hat in früheren Jahren bereits bewiesen, dass er seine Springer zum Höhepunkt hin optimal vorbereiten kann. Unter seiner Ägide gewann Kamil Stoch zweimal die Tournee und kürte sich zum Olympiasieger in Pyeongchang 2018. Dawid Kubacki wurde 2019 Weltmeister. Das deutsche Team hingegen wartet auf einen solchen Moment noch – zumindest im Einzel.

„Die Trainerfrage stellt sich im Moment für uns überhaupt nicht“, sagte DSV-Sportdirektor Horst Hüttel im Anschluss an das Springen in Bischofshofen. Der 56-Jährige verwies unter anderem auf die vor der Tournee starke Saison der deutschen Springer. „Er hat unser volles Vertrauen“, betonte Hüttel. „Stefan Horngacher hat einen unbefristeten Vertrag.“

Kritik am föderalen Nachwuchssystem

Deutschlands großer Nachteil gegenüber der Top-Nation Österreich sind ohnehin die Strukturen. Während die Nachwuchsarbeit in der Skisport-Nation sehr zentralistisch organisiert ist, gibt es im föderalistisch organisierten System hierzulande immer wieder Reibung, was die unterschiedlichen Kompetenzen angeht.

Der frühere deutsche Bundestrainer Werner Schuster, der heutzutage im DSV-Nachwuchs tätig ist, kennt als langjähriger Trainer im österreichischen Skisprung-System die Unterschiede. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte er bereits vor dem Tournee-Auftakt: „Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht und meint, seine eigene Struktur zu machen, führt das zu einer gewissen Bequemlichkeit und schwierigen Vergleichbarkeit. Und gerade den Skisprungsport kann man nicht in jeder Ecke machen, man muss hier die besten Leute zusammenziehen.“

Es ist durchaus vorstellbar, dass die deutschen Skisprung-Männer bei der Nordischen Ski-WM in Trondheim (26. Februar – 9. März) eine Medaille holen. Insbesondere in den Team-Wettbewerben gehören sie zu den Favoriten. Dennoch war die Tournee mal wieder ein weiteres Signal, dass es Veränderungen braucht, um auch hier mal wieder ganz oben zu stehen. Hinter Paschke, 34, Geiger, 31, und Wellinger, 29, kommt derzeit zu wenig nach.

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