zum Hauptinhalt
Nicht nur Vollstrecker. Florian Niederlechner (r.) muss als Stürmer viel für die Defensive tun.

© IMAGO/Matthias Koch

Hertha BSC trifft auf Augsburg: Florian Niederlechner und das komplizierte Date mit dem Ex-Klub

Nach seinem Wechsel zu Hertha BSC im Januar ist Florian Niederlechner gleich Stammspieler geworden. Trotzdem könnte er das Spiel gegen seinen Ex-Klub verpassen.

Stand:

Florian Niederlechner lief auf eine Wand zu. Auf eine Wand von Menschen. Vier Kamerateams standen hinter der Absperrung am Trainingsplatz von Hertha BSC, dazu ein gutes Dutzend Journalisten. Und alle waren seinetwegen gekommen.

Der Anblick hat Florian Niederlechner noch einmal vor Augen geführt, dass sich Anfang des Jahres in seinem Leben einiges verändert hat. „In Augsburg wäre nur die ,Ausgburger Allgemeine‘ gekommen“, sagte er.

Die „Augsburger Allgemeine“ kommt vermutlich an diesem Samstag nach Berlin, wenn Niederlechner mit Hertha in der Fußball-Bundesliga auf seinen Ex-Klub, den FC Augsburg, trifft. Es ist ein schnelles Wiedersehen, exakt 38 Tage, nachdem die Berliner die Verpflichtung des Stürmers bekannt gegeben haben. Ein brisantes ist es noch dazu.

Sandro Schwarz, Herthas Trainer, will zwar „nicht irgendwas überhöhen“, trotzdem sei das Duell mit den Augsburgern ein „wichtiges Spiel, keine Frage“. Im Olympiastadion treffen zwei direkte Konkurrenten um den Klassenerhalt aufeinander. Die Berliner sind Vorletzter, der FCA hat sich dank neun Punkten aus den ersten sechs Spielen des Jahres immerhin auf Platz 13 hochgearbeitet.

Beruhigend ist die Lage trotzdem noch lange nicht, und auch deshalb hat sich Niederlechners Transfer zu einem möglichen Widersacher im Abstiegskampf ein wenig gezogen. Dass er sich Hertha nach der Saison anschließen würde, dann ablösefrei, stand längst fest; die Bemühungen um einen sofortigen Wechsel aber sind bei seinem bisherigen Arbeitgeber eher reserviert aufgenommen worden.

„Als ich im Januar unterschrieben habe, wurde es in Augsburg kurzzeitig ein bisschen turbulenter“, erzählt Niederlechner. Aber letztlich seien beide Seiten sauber auseinander gegangen. Das könnte auch an den Wechselmodalitäten liegen, die der FCA mit Hertha ausgehandelt hat – und die womöglich dazu führen, dass Niederlechner sich das Duell mit seinem früheren Arbeitgeber von außen anschauen muss.

Gegner von einst. Inzwischen spielt Florian Niederlechner (vorne) und Lucas Tousart in einer Mannschaft.

© imago images/Nordphoto

Nach seinen bisherigen Leistungen für Hertha gäbe es eigentlich keinen Grund, den Stürmer am Samstag nicht spielen zu lassen. Und trotzdem hat sich sein Sandro Schwarz in der Pressekonferenz zum Spiel auffallend zurückhaltend geäußert. „Dass es gegen seinen Ex-Klub geht, heißt nicht zwangsläufig, dass er spielen wird“, sagte Herthas Trainer. „Mal gucken, ob er am Samstag in der Startelf steht. Das halten wir uns noch offen.“

Solche Überlegungen haben offenbar keinen sportlichen Hintergrund, sondern sind ausschließlich finanzieller Natur. Wie der „Kicker“ berichtet, hat Hertha den Stürmer im Januar zwar für eine vergleichsweise niedrige Sockelablöse verpflichten können; dafür müsste der Klub eine Menge Geld bezahlen, wenn Niederlechner gegen seinen früheren Verein eingesetzt wird. Offenbar handelt es sich um einen sechsstelligen Betrag.

Die Klausel über eine Bonuszahlung war die Kröte, die Hertha schlucken musste, um den 32 Jahre alten Niederlechner bereits im Winter verpflichten zu können. Angesichts ihrer schwierigen wirtschaftlichen Situation ist es zumindest fraglich, ob sich die Berliner wirklich den Luxus leisten, den Stürmer gegen den FCA spielen zu lassen. Ungeachtet des sportlichen Werts, den er in den ersten Wochen bei seinem Klub bereits nachgewiesen hat. Seit seinem Debüt im Berliner Derby, als er 20 Minuten vor Schluss eingewechselt wurde, hat Niederlechner dreimal nacheinander in der Startelf gestanden.

Bei Hertha genießt er hohe Wertschätzung

Bei Hertha spürt er die Wertschätzung, deren er sich in Augsburg nach dreieinhalb Jahren und 101 Bundesligaspielen nicht mehr ganz so sicher war. „Ich hätte mir auch sehr gut vorstellen können, meine Karriere in Augsburg zu beenden. Der Verein ist mir total ans Herz gewachsen“, erzählt der 32-Jährige. Doch nachdem ihm der FCA mitgeteilt hatte, dass man erst im April oder Mai über die Verlängerung seines auslaufenden Vertrages sprechen wolle, hat sich Niederlechner anderweitig orientiert.

Für den Wechsel nach Berlin hat Sandro Schwarz eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Beide kennen sich schon lange. Als Niederlechner im August 2015 bei Mainz 05 sein Bundesligadebüt bestritten hat, war Schwarz U-23-Trainer der 05er. „Ein sehr guter Typ, der sich sehr schnell in die Mannschaft integriert hat“, erinnert sich Schwarz. „Er verausgabt sich komplett für seine Jungs. Das ist die Einstellung und die Haltung, die man braucht.“

Er verausgabt sich komplett für seine Jungs.

Herthas Trainer Sandro Schwarz über Florian Niederlechner

Es ist die Einstellung und die Haltung, die der Neue aus Augsburg in seinen ersten Einsätzen für Hertha bereits hat erkennen lassen, auch wenn er noch kein Tor erzielt und noch keins vorbereitet hat. „Er ist sehr fleißig, hat ein sehr gutes Anlaufverhalten, eine gute Körperlichkeit“, sagt Schwarz. Niederlechner sei „rundum ein sehr guter Typ, der sich komplett identifiziert mit Mannschaft und Klub. Das sieht man auch an seiner Spielweise.“

Seine Aufgabe erfüllt der Offensivspieler mit großem Engagement. Und zu dieser Aufgabe gehört eben auch, mit seinem Sturmpartner Jessic Ngankam den gegnerischen Verteidigern durch frühes Anlaufen den Spielaufbau so schwer wie möglich zu machen. „Wenn du mit zwei Stürmern spielst, hast du immer einen neben dir, der dich unterstützt und auch für die zweiten Bälle da ist“, sagt er.

Niederlechner ist uneitel genug, einen solchen Auftrag nicht als Zumutung zu begreifen. Erst mit Mitte 20 hat er im Profifußball richtig Fuß gefasst, deshalb begreift er jedes Spiel auf diesem Niveau fast wie ein Geschenk. „Ich bin jetzt 32, ich werde wahrscheinlich kein Nationalspieler mehr werden, ich werde nicht mehr die Champions League gewinnen“, sagt er zu seinen persönlichen Zielen. „Ich will einfach, dass Hertha erfolgreich ist. Das steht an vorderster Stelle bei mir.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })