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Kritischer Blick. Fredi Bobis (zwischen Herthas Präsident Kay Bernstein, links, und Finanzgeschäftsführer Thomas Herrich) muss eine knifflige Aufgabe lösen.

© Foto: IMAGO/Langer

Fredi Bobic und sein Auftrag bei Hertha BSC: Mehr Qualität für weniger Geld

Hertha BSC muss sparen, trotzdem soll sportlich alles besser werden. Für Geschäftsführer Fredi Bobic stellt das eine besondere Herausforderung dar.

Anfang des Jahres gab es bei Hertha BSC anhaltende Spekulationen um die Zukunft von Niklas Stark. Verlängert der Innenverteidiger seinen auslaufenden Vertrag? Oder verlässt er den Berliner Fußball-Bundesligisten am Saisonende ablösefrei?

Die Entscheidung ließ lange auf sich warten. Intern war sie längst gefallen. Was soll ich ihm denn bieten?, fragte sich Fredi Bobic, Herthas Sportgeschäftsführer.

Ein Innenverteidiger, der wie Niklas Stark schon für die Nationalmannschaft gespielt hat, der Stammspieler ist und mit 27 Jahren im sogenannten besten Fußballeralter: Das schreit fast nach einer Vertragsverlängerung zu entsprechend verbesserten Konditionen. Doch einen solchen Automatismus gibt es nicht mehr. Vor allem nicht bei Hertha BSC.

Hertha BSC hat wieder erhebliche Verluste gemacht

Die Situation bei den Berlinern ist ernst. Wieder einmal. Sportlich bewegt sich die Mannschaft nach der Rettung in der Relegation im Frühjahr erneut am Rande der Abstiegszone; finanziell sieht es kaum besser aus.

Bei der Mitgliederversammlung am Sonntag hat der Klub einen Jahresfehlbetrag von 78 Millionen Euro verkündet. Das Eigenkapital ist auf knapp 30 Millionen Euro geschrumpft – drei Jahre nach dem Einstieg von Investor Lars Windhorst, der insgesamt 375 Millionen Euro in Hertha investiert hat.

Hertha muss sparen – und dabei trotzdem die sportliche Qualität des Bundesligakaders verbessern. Wie das geht? „Puh“, sagt Fredi Bobic. „Gute Frage. Die Situation ist anspruchsvoll. Aber es ist möglich.“

Im Sommer 2021 ist Bobic von Eintracht Frankfurt zu Hertha gewechselt. Und noch immer hält sich das Gerücht, dass er mit der Aussicht gelockt wurde, er könne in die Mannschaft investieren. Das Gegenteil war der Fall. „Im Sportlichen, im Operativen haben wir einfach zu hohe Kosten“, sagt Bobic. „Das versuchen wir jetzt zu verändern, Stück für Stück, manchmal auch ziemlich brachial.“

100 Millionen Euro
Herthas Personalkosten in der Saison 2021/22

Trotzdem war der Personalaufwand in der Saison 2021/22 mit knapp 100 Millionen Euro so hoch wie nie zuvor in der Geschichte von Hertha BSC. Darin sind allerdings nicht nur die Gehälter der Profimannschaft enthalten, sondern auch die der Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle plus diverser Abfindungszahlungen für ehemalige Trainer und Geschäftsführer. Thomas Herrich, Herthas neuer Finanzchef, hat allein diesen Posten bei der Mitgliederversammlung mit neun bis zehn Millionen Euro beziffert.

Der Klub ist in seiner Handlungsfähigkeit immer noch durch Entscheidungen eingeschränkt, die weit in der Vergangenheit getroffen worden sind. Zum einen ist der Kader zu groß und auch zu teuer, weil das Gehaltniveau im Rausch der Windhorst-Millionen insgesamt deutlich angehoben wurde. Davon profitieren nicht nur die Spitzenverdiener, sondern auch Profis, die aktuell keine bis kaum eine Rolle spielen.

Vladimir Darida, links neben Peter Pekarik, spielt bei Hertha kaum noch, bekommt aus alten Tagen aber immer noch ein stattliches Gehalt.
Vladimir Darida, links neben Peter Pekarik, spielt bei Hertha kaum noch, bekommt aus alten Tagen aber immer noch ein stattliches Gehalt.

© Foto: IMAGO/Metodi Popow

Vladimir Darida zum Beispiel, der in dieser Saison insgesamt dreißig Minuten gespielt hat und in den jüngsten fünf Begegnungen nicht mal mehr im Kader stand, verdient 2,5 Millionen Euro pro Jahr.

Bei Davie Selke (drei Startelfeinsätze, ein Elfmetertor) sind es sogar drei Millionen. „Ich kann den Spielern keinen Vorwurf machen. Das war so“, sagt Bobic. „Man hat sich für eine Strategie entschieden. Die hat nicht funktioniert.“

Es war die Strategie, mit hohen Investitionen möglichst schnell in die nationale Spitze vorzustoßen. Die Folgen schränken Hertha bis heute ein – zumal sich durch die Corona-Pandemie der Markt komplett verändert hat.

Die ganz große Qualität können wir uns nicht leisten.

Fredi Bobic, Geschäftsführer Sport von Hertha BSC

Die Preise, die Hertha in der Saison 2019/20 für Dodi Lukebakio (20 Millionen Euro), Krzysztof Piatek (24 Millionen) oder Lucas Tousart (25 Millionen) gezahlt hat, sind derzeit nicht mal im Ansatz zu erzielen.

Bobic hätte im Sommer gerne einige Spieler abgegeben, die den Etat übermäßig belasten. Doch für Piatek, für Alexander Schwolow, Omar Alderete und Santiago Ascacibar fanden sich keine Käufer. Sie sind aktuell nur ausgeliehen, könnten also im Sommer zurückkehren und dann wieder bei Hertha auf der Gehaltsliste stehen.

Auch für diesen Winter erwartet Herthas Geschäftsführer keine Transfererlöse. „Es braucht erst mal einen Markt, um Spieler zu verkaufen“, sagt Bobic. Und den gibt es derzeit nicht.

Hertha sucht ablösefreie Spieler

Möglich, dass Spieler wie Peter Pekarik, wie Darida oder Selke, deren Verträge am Saisonende auslaufen, im Winter trotzdem abgegeben werden und zumindest den Gehaltsetat entlasten. Auch das würde Hertha helfen – nicht zuletzt, um perspektivisch eine gesunde Gehaltsstruktur hinzubekommen.

„Alles, was wir gemacht haben, wird sich auszahlen auf der wirtschaftlichen Seite. Die Spieler, die wir geholt haben, verdienen alle weitaus weniger als die, die wir abgegeben haben“, sagt Bobic. Anderseits wird ihm vorgeworfen, dass er eine ganze Reihe von Mitarbeitern mitgebracht habe, die ebenfalls bezahlt werden müssen. „Das ist ein Kleckerbetrag im Vergleich zu dem, was in die Fußballer investiert worden ist“, entgegnet er.

In Herthas Jahresabschluss werden unter anderem Lukebakio, Tousart und Wilfried Kanga genannt, mit denen Transfereinnahmen erzielt werden könnten. „Aber wir dürfen uns auch nicht ausverkaufen“, sagt Bobic.

Zur Verstärkung des Kaders schaut er vor allem nach Spielern, die ablösefrei sind und trotzdem entwicklungsfähig. Auch der eigene Nachwuchs könnte kurz- bis mittelfristig eine wichtigere Rolle spielen. Aber das soll er bei Hertha eigentlich immer. „Die ganz große Qualität können wir uns nicht leisten“, sagt Bobic. „Wir müssen sehen, dass wir mehr Volltreffer landen, aber auch Glück haben.“

Beim VfB Stuttgart hat Bobic vor gut zehn Jahren eine ähnliche Konstellation vorgefunden. Auch da musste er massiv sparen und reduzierte innerhalb von vier Jahren die Personalkosten von 75 auf 40 Millionen Euro. Trotzdem erreichte der VfB das Pokalendspiel und schaffte es in den Europapokal.

Dass sich die Geschichte wiederholt, ist trotzdem nicht gewährleistet. Fredi Bobic sagt: „Hier ist das noch ein viel größerer Klotz.“

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