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Die digitale Wende hat begonnen.

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"Matchplan" von Christoph Biermann: Fußball: Die neue Raketenwissenschaft

Die digitale Wende im Fußball hat längst begonnen - Christoph Biermann liefert die Gebrauchsanweisung dazu.

Thomas Tuchel steht den Medien schon seit geraumer Zeit nicht mehr für Einzelinterviews zur Verfügung. Warum, das hat der künftige Trainer von Paris St. Germain und dem FC Arsenal nie explizit erklärt. Insofern kann man über seine Gründe nur spekulieren: Hat er einfach keine Zeit, weil er an seinem Laptop neue superkomplizierte Trainingsformen entwerfen muss? Oder folgt er einfach seinem großen Vorbild Pep Guardiola, der es im Umgang mit der Presse ähnlich hält? Christoph Biermann bringt in seinem neuen Buch „Matchplan“ eine weitere Variante ins Spiel: Könnte es sein, dass Tuchel ganz einfach sein Wissen für sich behalten und nicht mit dem Rest der Welt teilen will? „Denn die Konkurrenz ist groß, und die technologische Seite spielt eine wachsende Rolle“, schreibt Biermann, Mitglied der Chefredaktion des Magazins „11Freunde“ und einer der profiliertesten Fußballjournalisten des Landes.

Expected Goals, Packing und Tracking: Fußball wird mehr und mehr zur Raketenwissenschaft. Der FC Liverpool zum Beispiel beschäftigt inzwischen einen eigenen Forschungsdirektor, der natürlich kein ehemaliger Profi ist, nicht mal ein Sportwissenschaftler – sondern ein Doktor der theoretischen Physik. „Ob wir es wollen oder nicht“, schreibt Biermann. „Die digitale Wende des Fußballs hat längst begonnen.“

Seinem Buch ist ein Zitat des früheren Bayern-Spielers Xabi Alonso vorangestellt: „Wie sehr sich der Fußball verändert hat! Es ist alles komplizierter geworden – und schöner.“ Das Spiel hat eine neue Stufe der Evolution erklommen. Selbst das Wording (um mal eine Angebervokabel zu verwenden) hat sich verändert. Abkippende Sechser, Überladungen, fluides Spiel – nicht wenige Fans machen auch an solchen Ausdrücken ihren Widerwillen gegen die Entwicklung fest, „dass etwas im Kern Einfaches wie Fußball von aufgeblasenen Wichtigtuern unnötig verkompliziert wurde“.

Der Fußball ist entrückt

Man kann diese Entwicklung beklagen, aufhalten aber kann man sie wohl nicht. „Im Fußball beginnt das Wissen um Daten das Spiel zu verändern“, schreibt Biermann und prophezeit, dass der „technologische Graben“ noch größer wird: „Der Highend-Fußball der Gegenwart kann in höchstem Maße faszinierend sein, wenn die besten Mannschaften der Champions League aufeinander treffen, aber er ist ein entrückter Fußball geworden.“

Matchplan
Matchplan

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Das Tempo der Entwicklung lässt sich auch mit diesem Buch belegen beziehungsweise mit seinem Vorgänger. Vor zehn Jahren hat Biermann mit „Die Fußball-Matrix“ zum ersten Mal den Stand der Debatte zusammengefasst. Mit „Matchplan“ hat er jetzt gewissermaßen den populärwissenschaftlichen Bereich verlassen. Da geht es eben auch mal um „Real Time Quantification of Dangeriousity in Football Using Spatiotemporal Tracking Data“. Das ist nicht immer leichte Kost, aber von Biermann so aufgeschrieben, dass es auch Laien verstehen. Dümmer wird man von der Lektüre des Buches ganz sicher nicht.

Christoph Biermann: Matchplan. Die neue Fußball-Matrix. Kiepenheuer & Witsch. 282 Seiten, 14,99 Euro.

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