Sport: Gegen Gewalt erst nach Feierabend
Die Fanprojekte sollen Ausschreitungen beim Fußball verhindern, aber es fehlt ihnen an Personal und Geld
Das Büro ist 20 Quadratmeter groß, die monatliche Warmmiete liegt bei 50 Euro. Keine Frage, das Fanprojekt Zwickau residiert bescheiden und billig. Ab März wird es teurer. Der Vermieter hat den Raum zu Ende Februar gekündigt, und René Hutzler möchte jetzt gerne zwei Räume anmieten. Einen fürs Büro, den anderen für die Gespräche mit Fans. Das Problem ist nur, dass Hutzler mit 300 Euro Miete rechnet. „Und damit“, sagt das Vorstandsmitglied des Fanprojekts Zwickau, „ist unser Geld weg“. 2006 hat das Fanprojekt genau 1835 Euro Zuschuss von der Stadt erhalten. Mehr wird es auch 2007 wohl nicht.
Fanprojekte sind wieder in das öffentliche Interesse gerückt, seit 800 Hooligans in Leipzig nach einem Spiel von Lok Leipzig 300 Polizisten brutal attackiert hatten. Sie gelten auf einmal als Allheilmittel für die Gewalt beim Fußball. Dass 60 Spiele in Sachsen abgesagt worden sind, ist nur ein symbolisches Zeichen, es löst keine Probleme. Fanprojekte können diese zumindest reduzieren. Nur müssen sie dazu auch vernünftig arbeiten können. Also anders als in Zwickau.
Im Büro des Zwickauer Fanprojekts sitzt Knut Acker, gelernter Betonwerker, jetzt arbeitslos. Ackers Stelle ist eine AB-Maßnahme, bezahlt vom Arbeitsamt. Acker macht Büroarbeit, mehr nicht. „Wir bräuchten eigentlich einen hauptamtlichen Sozialpädagogen“, sagt Hutzler. Er ist zwar einer, aber er verdient sein Geld bei der Stadtmission Zwickau. „Meine Arbeit fürs Fanprojekt beginnt nach 16 Uhr“, sagt er. Den Großteil seiner Klientel sieht er nur bei Spielen. Er würde gerne Fußball- und Basketballturniere veranstalten oder tägliche Angebote machen, aber dafür fehlt das Geld.
Eigentlich ist genügend Geld vorhanden, es wird nur nicht für Fanprojekte abgerufen oder eingesetzt. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) unterstützt zwar Projekte, aber nur, wenn auch die jeweilige Kommune und das entsprechende Bundesland zumindest jeweils den gleichen Betrag beisteuern. In Sachsen überweist das Land jeder Kommune eine Jugendpauschale. Die Stadt darf damit in Eigenregie Jugendprojekte fördern, also auch das Fanprojekt. 269 000 Euro erhielt Zwickau im vergangenen Jahr, ins Fanprojekt aber floss kein Cent. „Dann hätten andere Projekte darunter leiden müssen“, sagt Rico Jakob, Pressesprecher der Stadt. Die 1835 Euro kamen aus einem anderen Topf. „Die Stadt sieht den Bedarf nach einem hauptamtlichen Mitarbeiter, aber die finanzielle Situation lässt es nicht zu.“ Daran ändern auch die jüngsten Krawalle nichts.
In Leipzig, Dresden, Aue und Chemnitz sind dagegen 2007 fast 72 000 Euro aus der Pauschale für die Fanprojekte eingeplant. Ob aber zum Beispiel Chemnitz aus städtischen Mitteln Geld beisteuert und damit DFB-Gelder fließen können, ist unklar. Nötig wär’s. Bis jetzt arbeiten dort im Fanprojekt alle ehrenamtlich.
In Leipzig versucht Udo Ueberschaer seit sieben Jahren alleine, die Fans zweier verfeindeter Vereine zu betreuen. Er trägt Glatze, spricht die Sprache der Fansund sagt: „Ich habe Zugang zu den Meinungsführern der Fans.“ Aber allein ist der 37-Jährige überfordert. Erst jetzt reagiert die Stadt. Sie erhöht in diesem Jahr ihre eigenen Mittel für das Fanprojekt erheblich. Ueberschaer erhält deshalb bald einen zweiten hauptamtlichen Kollegen.
In Dresden gibt es drei hauptamtliche Mitarbeiter im Fanprojekt. Hier haben sie auch ein Fanhaus mit Kino, Computerplätzen, täglichen Angeboten und einem Jahresetat von 120 000 Euro. Dresden wirkt wie der Gegenentwurf zu Zwickau. „Wir sind gut besetzt“, sagt Christian Kabs, einer der drei Festangestellten. 60 000 Euro des Etats kommen vom DFB und vom Land, die Stadt steuert 50 000 Euro bei. Aber auch in Dresden gab es bis Oktober 2005 nur einen hauptamtlichen Mitarbeiter im Fanprojekt, und Kabs ist nicht sicher, dass auch 2008 für drei Festangestellte Geld da sein wird. Dabei leisten diese gute Arbeit. „Wir machen viel Gewaltprävention an Schulen, organisieren Turniere und bieten Einzelfallhilfe an“, sagt Kabs. Aber die Lösung für alle Gewaltprobleme seien Fanprojekte nicht, betont Kabs. „Wir können nur reden und betreuen.“
René Hutzler, der Sozialpädagoge aus Zwickau, blickt voller Neid nach Dresden. Er muss sogar Angst haben, dass er ab Mai die ABM-Stelle verliert. Die Finanzierung von Acker läuft Ende April aus, und was dann passiert, weil niemand. Hutzler weiß nur eines: „Wenn diese Stelle wegfällt, dann bricht hier alles zusammen.“
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