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In Wolfsburg feiern die Grizzlys zuverlässig Siege - nur der ganz große Triumph fehlt noch.

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Eisbären-Gegner in den Play-offs: Grizzlys Wolfsburg: Ein Traum in Orange

Ohne die Grizzlys Wolfsburg würde der Liga etwas fehlen – eine Liebeserklärung an den Klub aus der gefühlten Berliner Vorstadt.

Der kürzeste Witz der Welt: Wolfsburg. Und der ICE hat gehalten.

Willkommen in der Eishockeysuchstadt. Da gab es mal den Taxifahrer, der den Eishockeyreporter zum Trainingsgelände des Fußball-Bundesligisten VfL statt zur Eishalle gefahren hat. Also, besser zu Fuß vom Hauptbahnhof zur Arena: Vorne raus und ab über die Brücke, die Autostadt gestreift, dann unter oder über die Schnellstraße lang, rechts das Fußballstadion, dann ein Parkplatz und schließlich eine kleine Brücke und dann ist der Gast aus Berlin angekommen an der schmucken Eisarena. In ihr arbeitet und spielt seit einem Jahrzehnt eine der besten Eishockeymannschaften des Landes: die Grizzlys. Und in dieser Halle wollen sie in ein paar Tagen den Favoriten Eisbären aus Berlin aus den Play-offs werfen.

Es wird schwer für die Wolfsburger und ihren nach der Saison nach gefühlt 100 Jahren Abschied nehmenden Cheftrainer Pavel Gross. Denn am Ende gewinnt immer Berlin. Und wenn es wichtig ist, verlieren die Grizzlys sowieso. 2011 im Finale gegen die Eisbären und zuletzt zwei Mal eine Endspielserie gegen München. Geht das Viertelfinale diesmal glatt durch für Berlin, dann gibt es in Spiel vier das Wolfsburger Aus in der Eisarena, die Tausende von Eisbären-Fans bei Spielen ihres Teams zuverlässig lärmend stets zu ihrer Auswärtsheimspielstätte machen.

Die Grizzlys sind zum zehnten Mal in Folge in den Play-offs und das plakatieren sie dieser Tage bis nach Braunschweig. „Wir sind noch lange nicht satt“, steht auf den Werbebildern. Und natürlich der Aufruf, sich ein Ticket zu sichern. Denn Wolfsburg ist am Ende in der Liga, wenn es um den absoluten Zuschauerzuspruch geht. Zum Pre-Play-off-Spiel gegen Schwenningen vergangene Woche, dem bisherigem Saisonhöhepunkt, kamen 2000 Menschen. So sehe der Eishockeyboom in Wolfsburg aus, fanden Spötter. Falsch gerechnet: Wolfsburg ist ein Zuschauerkrösus; 2000 Wolfsburger sind bei 125.000 Einwohnern 1,6 Prozent der Stadtbevölkerung. Wenn bei den Eisbären 14.000 Menschen zu einem Heimspiel kommen, sind nur 0,4 Prozent der Berliner in der Halle. Die Grizzlys sind in ihrer Hood vier Mal so populär wie die Eisbären.

Die Grizzlys standen zuletzt zweimal in Folge im Finale

Aber ehrlich gesagt: Ob nun Wolfsburg in der Deutschen Eishockey-Liga spielt oder nicht – würde es wirklich groß auffallen? Der Eishockeynorden hat in den vergangenen Jahren die Großstadtteams aus Hannover und Hamburg verloren, Bremerhaven ist zu weit weg von Wolfsburg. Die Grizzlys haben nicht einmal natürliche Feinde in der Liga. Und dann der Name des Klubs. „Grizzly Adams“ hieß ursprünglich eine Hobbymannschaft. Das Wortungetüm wurde nach einer Neugründung des EHC Wolfsburg übernommen. Uwe Krupp, Trainer der Eisbären, hat sich darüber mal beömmelt. Der Name Grizzly Adams stamme aus einer Fernsehserie und bezeichne dort einen jungen Bären, sagte Krupp. Stimmt fast. „The Life and Times of Grizzly Adams“ ist eine etwas seltsame US-TV-Serie aus den Siebzigern, hierzulande lief sie unter „Der Mann in den Bergen“. Und die Hauptfigur James „Grizzly“ Adams, gespielt von Dan Haggerty, erlangte in Deutschland durchaus Popularität. Oder andersrum: Wer Zottelhaare und Rauschebart trug und eher rustikal daherkam, der wurde in der vorangegangenen Saison schon mal als „Grizzly Adams“ bezeichnet. Das „Adams“ haben sie, die schlauen Marketingmenschen von Wolfsburg, vor ein paar Jahren dann abgeschüttelt.

In der Autostadt Wolfsburg ist immer Fahrt drin.

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Aber ganz, ganz ehrlich gesagt: Ohne Wolfsburg würde den Eisbären in der Liga viel fehlen. Diese kurzen Ausflüge in die gefühlte Berliner Vorstadt mit ihrem ganz eigenen Flair und das gute, strukturierte Eishockey in der engen Halle, in der es noch nach Eishockey riecht. Sie spielen unzottelig unter Trainer Gross, die Grizzlys. Sie sind ja auch schnieke Burschen. Der flotte Björn Krupp etwa, optisch nah dran am Vater, dem Berliner Trainer. Als sie ihn in Schwenningen auf der Strafbank mit Bier beschüttet haben, sagte Björn lachend im Pauseninterview: „Ist doch geil, das sind Play-offs.“ Er hat auch gut lachen, Krupp ist einer der zwei bei den Olympischen Spielen mit Silber dekorierten Wolfsburger, die natürlich längst bei der VW-Betriebsversammlung vorbeigeschaut haben. Samt Medaille.

Der andere Silbermedaillengewinner, Gerrit Fauser hat sich gleich nach der Rückkehr aus Südkorea verletzt und fällt für die Play-offs aus. Die personelle Situation spricht sowieso für Berlin und nicht für die Niedersachsen. Aber das ist egal, denn vielleicht haben die Mannen in den quietsch-orangenen Trikots dieses Jahr eine gute Chance, weil nur sie selbst mit sich rechnen. Ist ja modern im Eishockey, wie sich bei den Winterspielen in Pyeongchang gezeigt hat.

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