
© Oliver Kremer / DBS
Große Trauer um „Mr. Paralympics“: DBS-Funktionär Karl Quade ist tot
Er prägte den Behindertensport in Deutschland wie kein anderer. Nun ist der frühere Para-Athlet Karl Quade nach schwerer Krankheit am 26. Dezember im Alter von 71 Jahren gestorben.
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Karl Quade war Athlet, Funktionär, Teamchef und für viele schlicht „Mr. Paralympics“. Inklusion und Teilhabe waren für ihn kein programmatisches Ziel, sondern gelebte Überzeugung. Kaum jemand hat die Paralympics so oft vor Ort erlebt, kaum jemand war ihnen über Jahrzehnte so nah.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag ist Quade nach langer Krankheit im Alter von 71 Jahren gestorben, wie der Deutsche Behindertensportverband (DBS) unter Berufung auf Quades Familie mitteilte.
„Mit ihm verlieren wir einen leidenschaftlichen Impulsgeber und einen überzeugten Träger des paralympischen Gedankens“, sagte DBS-Präsident Hans-Jörg Michels. Quade sei ein „ausgewiesener Fachmann mit einem außergewöhnlichen Wissensspektrum“ gewesen, dabei stets authentisch, herzlich und sympathisch.
Die paralympische Laufbahn von Quade begann 1984 in New York. Mit der deutschen Nationalmannschaft im Standvolleyball gewann er zunächst Silber, vier Jahre später folgte bei den Spielen in Seoul die Goldmedaille. Auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere blieb der promovierte Sportwissenschaftler dem Leistungssport eng verbunden und übernahm zunehmend Verantwortung.
1996 führte Quade bei den Paralympics in Atlanta erstmals als Chef de Mission das deutsche Team. Es sollte der Beginn einer außergewöhnlichen Funktionärslaufbahn werden. Insgesamt nahm er an 18 Paralympischen Spielen teil, 15 davon in leitender Funktion. Mehr als 30 Jahre engagierte er sich zudem als Vizepräsident im Deutschen Behindertensportverband und prägte dort insbesondere den Leistungssport.
„All diese Zahlen waren mir gar nicht bewusst“, sagte Quade zu seinem 70. Geburtstag. Nur eines sei ihm klar gewesen: Er habe mehr Paralympische Spiele live erlebt als verpasst.
Wichtiger Zeitzeuge der Paralympics
Diese Nähe zum Sport war Teil seines Selbstverständnisses. Quade kannte den Leistungssport aus eigener Erfahrung und aus der Perspektive des Verantwortlichen.
Seine berufliche Laufbahn führte ihn an die Deutsche Sporthochschule Köln, zum Bundesinstitut für Sportwissenschaft und schließlich ins Bundesministerium des Innern. Wissenschaft, Sportpolitik und Praxis verband er mit einer Selbstverständlichkeit, die ihm national wie international große Anerkennung einbrachte.
Karl Quade war zugleich einer der wichtigsten Zeitzeugen der deutschen Paralympics-Geschichte. Er erlebte Spiele, in denen Barrierefreiheit keine Selbstverständlichkeit war, nicht einmal im paralympischen Dorf. Seine ersten Spiele als Teamchef 1996 in Atlanta beschrieb er in einem Gespräch mit dem DBS als „Hardcore“ und als organisatorische Katastrophe. „Wir bekamen muffelige Armeedecken, keine Bettlaken. Also haben wir Handtücher zusammengenäht“, erinnerte er sich.
Später wurden die Bedingungen besser, Standards etablierten sich. Eine persönliche Rangliste seiner größten Momente lehnte er stets ab. „Das wäre unfair“, sagte er dort weiter aus Respekt vor den Leistungen der Athletinnen und Athleten.
Favoriten hatte er dennoch: Sydney und London. Besonders die Sommerspiele in London bezeichnete Quade als Höhepunkt. Wegen der Atmosphäre, der vollen Stadien, der medialen Aufmerksamkeit. Athleten wie Heinrich Popow oder Markus Rehm standen im Fokus, gewannen Gold und trugen zur öffentlichen Wahrnehmung bei. Quade wusste, dass der Behindertensport herausragende Leistungen braucht und Spiele, die diese sichtbar machen.
Bei aller Leidenschaft blieb er pragmatisch. Entscheidend sei am Ende, dass das Dorf funktioniere, Unterkünfte und Transport passten, das Essen stimme und das Team verletzungsfrei bleibe, sagte er 2023 in einer Stellungnahme zu den Meilensteinen in der Athletenförderung.
Wir verlieren einen außergewöhnlichen Menschen mit einem einzigartigen Wissen, dessen Wirken uns Verpflichtung und Ansporn zugleich bleibt.
Friedhelm Julius Beucher, früherer Präsident des DBS
Große Worte waren nicht seine Sache. Klarheit schon. So war Quade 2022 neben dem damaligen DBS-Präsidenten Friedhelm Julius Beucher federführend an der Entscheidung beteiligt, russische und belarussische Athletinnen und Athleten nach dem Überfall auf die Ukraine von den Paralympischen Spielen auszuschließen.
Beucher trifft der Tod Quades tief: „Wir verlieren einen außergewöhnlichen Menschen mit einem einzigartigen Wissen, dessen Wirken uns Verpflichtung und Ansporn zugleich bleibt.“
Karl Quade hat den paralympischen Sport nicht verwaltet. Er hat ihn gelebt. Er wusste, wovon er sprach. Er war keiner, der laut war – aber einer, der blieb: für die Athletinnen und Athleten, für den Sport, für Haltung. Sein Vermächtnis bleibt in den Strukturen, in den Erfolgen und in der Haltung, mit der paralympischer Sport in Deutschland gedacht wird.
Auch der Paralympics Zeitung war Karl Quade eng verbunden. Er glaubte an die Bedeutung journalistischer Sichtbarkeit und an eine Berichterstattung, die Leistungen ernst nimmt und auf Augenhöhe erzählt. Ein Interview zu den Vorbereitungen auf Cortina und Mailand 2026 war bereits verabredet.
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