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Sport: Hat ja noch geklappt

Schalke 04 wird Vizemeister, spielt in der Champions League und darf sich endlich mal so richtig freuen

Schalke wie es singt und lacht. Nach dem Auswärtssieg am letzten Bundesligaspieltag gegen Freiburg hat der Revierklub zum ersten Mal nach vier Jahren und zum zweiten Mal überhaupt die Champions League erreicht. Beim ersten Mal, im Mai 2001, war ganz Gelsenkirchen im Meer versunken, in einem Meer von Tränen. Mehr als vier Minuten hatten die Schalker sich schon als Meister gefühlt, doch nach Patrik Anderssons Tor in Hamburg, in der Nachspielzeit, war alles wieder beim Alten – und Bayern München Deutscher Meister. Den Schalkern blieb nur der vom Boulevard im Nachhinein verliehene Titel eines so genannten Meisters der Herzen. Beim zweiten Mal, am Samstag im Breisgau, brauchten die Königsblauen um den „richtigen“ Titel nicht mehr zu bangen. Diesmal hatten die Bayern sich lange vorher als übermächtiger Gegner erwiesen, und Schalke konnte nach dem 3:2 über den Absteiger den zweiten Platz als Erfolg feiern.

Dennoch mussten die Westfalen sich einiger Angriffe erwehren, auch nachdem die Münchner den Titel sicher hatten. Waren die Investitionen zu waghalsig? Hat Schalke über seine Verhältnisse gelebt? Nach dem Schlusspfiff in Freiburg war die Antwort klar, zumindest für ein paar Tage und Nächte. Nur noch Jubel. Als Manager Rudi Assauer noch auf der Tribüne saß, nein stand, streckte er immer wieder den Daumen hoch, als wollte er sagen: Hat doch geklappt. Dann stürzte er hinunter auf den Rasen und umarmte die Protagonisten dieses Erfolges: Marcelo Bordon, den vier Millionen teuren Turm in der Abwehr, und Ralf Rangnick, den Taktiker auf der Trainerbank. Beides Männer, die er vor und während der Saison angeheuert hatte.

Bordon und Rangnick, der seit dem siebten Spieltag als Nachfolger von Jupp Heynckes für die Mannschaft verantwortlich ist, genossen die Nähe zu Assauer sichtlich. Als der Manager Bordon mit fiktiven Boxschlägen traktierte, wirkte sogar die obligatorische Zigarre des obersten Schalkers deplatziert. Bordon überstand die Jubelarie dennoch ohne Verbrennungen ersten oder zweiten Grades. Mit Rangnick legte Assauer engumschlungen einen langsamen Walzer auf das Rasenparkett des Freiburger Stadions. Der Boulevard hatte vor dem Anpfiff dieser Partie Dissonanzen zwischen den beiden Männern gespürt – oder konstruiert. Am Ende dieses Fußballnachmittags fühlten sich die beiden zueinander hingezogen.

Mit dem Erreichen der europäischen Königsklasse hat sich das Risiko fürs Erste gelohnt, das die „Blauen“ eingegangen sind. Hoch bezahlte Meisterspieler wie der launische Ailton und der zumeist verlässliche Krstajic oder der brasilianische Vorarbeiter Bordon und dessen genialer Landsmann Lincoln haben aus einer Mannschaft von gehobenem Durchschnitt ein Spitzenteam gemacht. Aber noch keinen Deutschen Meister. Der einst enttäuschende zweite Rang war plötzlich das höchste der Gefühle. „Wir haben gesehen, wie schwer es ist, Zweiter zu werden“, sagte Assauer. „Das war eine ganz enge Kiste.“

Zum Abschluss einer Saison, die für Schalke so schlecht begonnen hatte, war es ein schwerer Tag gewesen, trotz des Führungstores, das Mittelstürmer Ebbe Sand schon in der sechsten Minute erzielt hatte. Freiburg glich zweimal aus, auch nachdem Bordon den ersten seiner beiden Treffer an diesem Tag und in dieser Saison erzielt hatte. Iaschwili und Antar zeigten, dass der Absteiger nicht kampflos das Feld der Bundesliga räumen wollte.

Als es drauf ankam, wurde der hinten nicht immer fehlerfreie Abwehrstratege Bordon zum wichtigsten Angreifer und zum Gesicht des Tagessieges, der die Arbeit eines ganzen Jahres adelte. Der gläubige Christ Bordon dankte zuerst dem lieben Gott und drückte sich eine Träne aus dem Auge. Obwohl es knapp wurde, fühlte Assauer sich von Anfang an wohl im Freiburger Flair. „Die Atmosphäre dieser Stadt macht mich zum Urlauber. Ich war am Morgen beim Frühstück so entspannt wie 1997 vor dem Uefa-Pokalfinale in Mailand. Ich habe mich auf den Tag und auf das Spiel gefreut.“

Am Ende der Saison fühlte sich Assauer wie ein Prophet. „Ich habe vorausgesagt, dass Marcelo gegen Freiburg und im Pokalfinale gegen Bayern München noch drei Tore schießt.“ Der erste Teil dieser Prognose ist eingetroffen. Am nächsten Samstag im Berliner Olympiastadion hat Bordon die Chance, Rudi Assauers Glauben zum zweiten Mal zu bestätigen.

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