Sport: „IM Harro“ auf Sponsorensuche
Wegen seiner Stasiprobleme nützt dem Verband selbst ein Erfolg bei der Eiskunstlauf-WM wenig
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Berlin - Uwe Harnos ist selbstverständlich nicht mitgeflogen. Ein Ticket nach Tokio ist teuer, und Harnos ist bloß Vizepräsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU). So einen braucht man nicht unbedingt bei einer Eiskunstlauf-Weltmeisterschaft. Udo Dönsdorf, der DEU-Sportdirektor, ist schließlich dabei, als Mann fürs Fachliche, das muss genügen. Der Jurist Harnos überlegt lieber in seiner Kanzlei, wie die klamme DEU überhaupt das nächste Jahr noch erlebt. Bis Ende 2007 ist noch Geld für den Betrieb der Geschäftsstelle in der Kasse, danach, sagt Harnos, sei Schluss. Die Alternative: Die DEU gewinnt bis dahin neue Sponsoren und erhält einen neuen TV-Vertrag.
Harnos weiß, wie das geht, in der Theorie jedenfalls. „Erfolg bedeutet mehr Bedeutung für die Sportart“, sagt Harnos. Für den Erfolg könnten bei der WM, die am Dienstag beginnt, durchaus Robin Szolkowy und Aljona Sawtschenko sorgen – das sind schließlich die Paarlauf-Europameister aus Chemnitz. Eine Medaille ist drin, das wäre ein Erfolg. Nur dumm, dass ihr Trainer immer noch Ingo Steuer heißt und dass dessen Spitzeleien für die Stasi regelmäßig öffentliches Thema sind. Und deshalb, das gibt Harnos notgedrungen zu, nützt auch ein WM-Erfolg von Szolkowy und Sawtschenko der DEU gar nichts, das weiß auch Harnos. „Die Sponsoren sagen: Sorgt dafür, dass positiv über Eiskunstlauf geredet wird.“ Das Thema Stasi müsse aus den Schlagzeilen. Doch zunächst steht das nächste Gerichtsverfahren zwischen DEU und Steuer an. Und die DEU hat einen weiteren Problemfall: die Akte „IM Harro“.
Johannes Wehr, der zweite Vizepräsident der DEU, war „IM Harro“, ein Stasispitzel mit umfangreicher Akte. Wehr spitzelte nach eigenen Angaben aus „politischer Überzeugung“, er nahm Geld von der Stasi und berichtete auch über einen Ausreise-Antragssteller. Wehr hat alles zugegeben, wenigstens das betrachtet Harnos als Trost. Ansonsten aber „hat mich der Fall Wehr überrollt“. Zum Ex-Spitzel Wehr will er erst einen Kommentar abgeben, wenn er die Akte „Harro“ durchgearbeitet hat. Über den DEU-Funktionär Wehr sagt er fast flehentlich: „Es gibt keinen adäquaten Nachfolger für ihn.“
Vermutlich ist Wehr deshalb noch im Amt. Denn er organisierte die ARD-Gala, die Junioren-WM in Oberstdorf und die Deutsche Meisterschaft, alles kostenlos. „Er sorgte dafür, dass wir bei den Veranstaltungen kleine Gewinne hatten“, sagt Harnos. „Ich weiß nicht, wer sonst Veranstaltungen organisieren soll.“ Der Funktionär will nichts beschönigen, „man kann das eine nicht mit dem anderen rechtfertigen“. Aber „mich ärgert es, dass man Wehrs Verdienste nicht aufzählen soll, nur weil er IM war“.
Wehr hat einige Gelegenheiten, seine Spitzeleien selbst zu kommentieren, denn ausgerechnet „IM Harro“ soll im DEU-Auftrag neue Sponsoren für den Verband finden. Ausgerechnet der Ex-Spitzel Wehr soll mutmaßlichen Geldgebern erklären, wie die DEU mit ihren Stasinachrichten aus den Schlagzeilen kommen will. Wehr ist Geschäftsführer einer Firma, die Werbeflächen vermietet, er kennt sich in Marketingfragen aus.
Es wird spannend, wie die DEU den früheren Partner ARD zu einem neuen TV-Vertrag überreden will. Bis Ende 2006 zahlte der Sender jährlich 125 000 Euro, dann zog er sich zurück. Nun soll die ARD wenigstens 25 000 Euro pro Jahr überweisen. Wehr plant, dem Sender eine DEU-Gala anzubieten, mit Szolkowy und Sawtschenko als Höhepunkt. „Aber ob das Fernsehen mitspielt“, seufzt Harnos, „das wissen wir nicht.“
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