
© Sophon_Nawit - stock.adobe.com/SOPHONNAWIT
Damit queere Talente den Sport nicht aufgeben: Sport Pride unterstützt beim Coming-out
Vor einem Jahr scheiterte das Gruppen-Coming-out im Fußball. Nun will eine Kampagne die Strukturen für queere Sportler insgesamt verbessern. Im Nachwuchsbereich berichten viele von Diskriminierung.
Stand:
Ein Jahr ist es her, dass der ehemalige Fußballer Marcus Urban ein Gruppen-Coming-out ankündigte. Dabei sollten mehrere Fußballer gemeinsam öffentlich machen, queer zu sein, damit der öffentliche Fokus nicht so sehr auf einer einzelnen Person lag. Doch dieses Vorhaben scheiterte, kein einziger Profisportler nutzte die Gelegenheit.
Christian Rudolph, ehemaliger Leiter der DFB-Anlaufstelle für Vielfalt, sieht darin rückblickend ein Zeichen dafür, dass es immer noch an Strukturen im Sport fehlt, die queeren Menschen das Gefühl von Sicherheit und Unterstützung geben.
„Die gescheiterte Kampagne hat vor allem eines offengelegt: Wir brauchen queere Netzwerke und müssen Allianzen schließen. Es ist Aufgabe von Einzelpersonen im organisierten Sport sowie Vereinen und Verbänden ein sicheres Umfeld für queere Menschen zu schaffen. Erst dann trauen Menschen sich den Schritt zum Coming-out.“
Aus seiner Arbeit beim DFB weiß Rudolph, dass die Hürden für schwule, lesbische, trans und intergeschlechtliche Menschen insbesondere im Profisport weiterhin sehr hoch sind. Zwar wurde die Anlaufstelle Ende vergangenen Jahres nach vier Jahren gestrichen, trotzdem wenden sich bis heute immer wieder Sportler:innen aus dem Amateur- und Profibereich an Rudolph.
Queere Spieler erfahren Benachteiligungen
Erst kürzlich berichtete ein Fußballtrainer aus dem Nachwuchsleistungsbereich ihm von diskriminierenden Erfahrungen beim Vereinswechsel. „Sein alter Verein warnte den neuen Verein davor, dass der Trainer queer ist.“
Ein anderer Spieler, der sich an Rudolph wandte, erlebte queerfeindliche Äußerungen seines Trainers. „Als er das dem Verein meldete, nahm dieser nicht den Trainer in die Verantwortung, sondern riet dem Spieler zum Vereinswechsel.“

© Photographer: Caro Kadatz - see
Insbesondere der Leistungsdruck und der Konkurrenzkampf würden eine zentrale Rolle spielen. „Jugendspieler verstecken ihre Liebe aus Angst, Benachteiligung zu erfahren und es beispielsweise nicht in den Leistungskader zu schaffen. Im schlimmsten Fall hören sie mit dem Sport auf – und wir verlieren sie.“
Genau das möchte Rudolph vermeiden, deshalb hat er vor vier Jahren die Sport Pride ins Leben gerufen, eine Kampagne, die zu mehr Sichtbarkeit für Queerness im Sport beitragen und langfristig die Strukturen verändern soll. 2020, während der Corona-Pandemie, fand das Ganze zum ersten Mal statt, damals überwiegend in den sozialen Medien. Dort posteten Menschen aus dem Sport unter dem Hashtag #SportPride Solidaritätsbekundungen oder teilten eigene Erfahrungen.
Es mangelt an Sensibilisierung und Aufklärung
Seither sind immer mehr Unterstützer:innen aus verschiedenen Sportarten dazugekommen, in diesem Jahr wird die Kampagne sowohl auf dem Christopher Street Day in München als auch in Hamburg vertreten sein. „Die queere Sichtbarkeit hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Viele Kapitäne tragen die Regenbogenarmbinde und Vereine hissen im Pridemonat die Regenbogenfahne“, sagt Rudolph. „Trotzdem mangelt es insbesondere im Jugendbereich an Sensibilisierung und Aufklärungsarbeit zu dem Thema.“
Viele queeren Sportler:innen fragen mich, an wen sie sich wenden können und mit wem sie über Ängste sprechen können.
Christian Rudolph
Er findet es wichtig, die Arbeit von Vereinen, die sich bereits im Bereich Vielfalt engagieren, sichtbar zu machen – damit andere sich daran ein Beispiel nehmen können. „Viele queeren Sportler:innen suchen händeringend nach anderen queeren Sportler:innen. Sie fragen mich, an wen sie sich wenden können, wer ihre Ansprechpersonen sind und mit wem sie über Ängste sprechen können. Die Sport Pride bietet genau das: Ein Netzwerk, um sich auszutauschen und füreinander da zu sein. Nicht nur im Pride Monat Juni, sondern das ganze Jahr über.“
Unterstützt wird das Ganze von Verbänden und Organisationen wie den Athleten Deutschland, dem Deutschen Turnerverband, den Deutschen Volleyball-Verband und dem Floorball-Verband. Auch Einzelpersonen wie Volleyballerin Karla Borger, Footballnationalspielerin Laura Pfeffer, Handballer Lucas Krzikalla und Carolin Giffhorn von der Deutschen Sportjugend engagieren sich bei der Sport Pride.
„Queer und Sport sind oft getrennte Welten“, sagt der Laufsportler Maurice Diwischek, dem auf Instagram tausende Menschen zuschauen, wenn er sich auf Marathons vorbereitet und sich beim Laufen filmt. „Doch Sport bedeutet mehr: Freiheit, Stolz und Selbstbestimmung. Trotz Vorurteilen kämpfen wir für mehr Sichtbarkeit, gleiche Rechte und dafür, dass wir nicht mehr mitlaufen, sondern sichtbar vorneweg.“
Rudolph hofft, dass noch mehr Vereine und Persönlichkeiten sich bis Ende Juni anschließen – und ihre Botschaften in den sozialen Medien und im echten Leben teilen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: