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Für Lionel Messi war das Turnier früh vorbei. Kroatien kam hingegen ins Finale.

© Andreas Gebert/dpa

Kolumne: Liebesgrüße aus Moskau: Mannschaft schlägt Messi

Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Neymar und Toni Kroos scheiterten früh. Es war nicht die WM der großen Stars, sondern der großen Mannschaften, schreibt unser Kolumnist.

Es gibt keine Kleinen mehr – zumindest nicht bei einer Weltmeisterschaft. Was Berti Vogts schon vor Jahren vermutete, fand bei dem Turnier in Russland nun seine endgültige Bestätigung. Die Welt rückt immer enger zusammen. Zumindest was das fußballerische Niveau angeht. Die Begegnungen bei dieser WM waren enger als sonst, das Verteidigen hatte Vorrang.

Gab es bei der Endrunde 2010 in Südafrika noch Ergebnisse wie beispielsweise das 7:0 der Portugiesen gegen Nordkorea oder – unvergessen, 2014 in Rio de Janeiro – das 7:1 der deutschen Nationalmannschaft gegen Brasilien, so fehlten diese Torfestivals in den vergangenen vier Wochen weitestgehend.

Ein Grund ist dabei ganz offensichtlich zutage getreten: dass heutzutage selbst schwächere Teams immer besser verteidigen können.

Die Firma Impect misst, wie oft die eigenen Verteidiger vom Gegner überspielt worden sind in einer Begegnung. Dieser Wert gibt an, wie hoch die Gefahr auf ein Gegentor ist. Beziehungsweise: wie gut eine Mannschaft verteidigt. Bei der WM in Brasilien vor vier Jahren wurden bei den fünf schlechtesten Teams des Turniers im Schnitt 55 Verteidiger überspielt. 2018 waren es nun nur noch 49. Daraus lässt sich ableiten: Wird eine Mannschaft weniger oft überspielt, kassiert sie auch weniger Tore. Selbst schwächere Teams schaffen es mittlerweile – durch Disziplin, Ordnung und Fleiß – die Gegentorgefahr auf ein Minimum zu reduzieren. Vielen großen Nationen fiel es daher zunehmend schwer, Torgefahr zu erzeugen. Auch ein Grund dafür, warum besonders häufig Standardsituation zu eigenen Treffern führten.

Die ganz großen Stars sind früh gescheitert

Eine weitere wichtige Erkenntnis dieser Weltmeisterschaft ist, – ganz profan – dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Die zu große Abhängigkeit von einem Superstar in den eigenen Reihen bedeutete für viele Mannschaften letztendlich ein Problem. Und dass, obwohl diese Superstars zum Teil sogar ablieferten.

Ob Lionel Messi (Argentinien), Cristiano Ronaldo (Portugal), Neymar (Brasilien) oder Toni Kroos (Deutschland) – jeder von ihnen hatte seine großen Momente, jeder von ihnen konnte durch eine Einzelaktion Spiele für die eigene Nation gewinnen. Doch trotzdem schaffte es keiner der genannten Stars mit seinen Teams bis ins Halbfinale, für Deutschland war sogar bereits vor der K.-o.-Phase Schluss. Breiter aufgestellte Teams, die die Qualität ihres Spiels auf mehrere Schultern verteilten, waren in Russland dagegen weitaus erfolgreicher.

Das soll aber – bitte nicht missverstehen – keineswegs heißen, dass die beiden diesjährigen Finalisten nicht über herausragende Einzelspieler verfügt hätten. Auf Frankreichs Seite Paul Pogba und Kylian Mbappé. Luka Modric und Ivan Rakitic für Kroatien. Alle spielten sie gut, alle hatten gute Werte. Doch keiner dieser Spieler kommt bei dieser WM bei den Einzelwerten in die Sphären von Ronaldo, Messi und Co. Und trotzdem sind ihre Teams erfolgreicher gewesen.

Jens Hegeler spielt bei Bristol City und ist ehemaliger Profi von Hertha BSC. Er hat die Fußball-Analysemethode „Packing“ miterfunden. Im Wechsel mit Sven Goldmann, Philipp Köster, Roman Neustädter, Harald Stenger, Frank Lüdecke und Nadine Angerer schrieb er die WM-Kolumne im Tagesspiegel..

Jens Hegeler

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