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Sport: Königsstraße gegen Kings Road

Stuttgart fühlt sich von Chelsea nicht ernst genommen

Stuttgart. Felix Magath klingt fast verächtlich. „Die werden uns schon kennen lernen“, sagt er. Und Horst Heldt meint: „Wir werden sie schon richtig empfangen.“ Der Mittelfeldlenker des VfB Stuttgart klingt fast so entrüstet wie sein Trainer. Jetzt, wo alle von einer Krise der jungen Wilden reden und den heutigen Gegner FC Chelsea im Achtelfinale der Champions League (20.45 Uhr, live bei Premiere) in einer anderen Welt wähnen, einer voller Glamour und unglaublicher Geschichten, entdecken die Schwaben ihre Tugenden wieder. Tugenden, die in den vergangenen Wochen der bescheidenen Bundesliga-Resultate untergegangen waren: Gemeinschaftsgefühl, Ehrgeiz und eine Spur jener schwäbischen Identität, die herzlich und kernig zugleich daherkommt. „Die erzählen, sie kennen keinen Einzigen von uns, wissen nichts über unseren Verein und unsere Stadt. Da gibt es tatsächlich Artikel drüber“, sagt Heldt, „die werde ich am Mittwoch mit in die Kabine nehmen. Unser Vorteil ist unser Mannschaftsgeist.“

Diesmal, anders als vor den Duellen mit Manchester, Glasgow und Athen, ist weniger Aufregung wegen Sicherheitsfragen im Spiel, dafür eine Art verletzter Stolz, der zu Erfolgen tragen soll. Was ist die Kings Road in London mit ihren teuren Läden, dieser russische Milliardär Roman Abramowitsch, der dreistellige Millionenbeträge in den Klub pumpt? Stuttgarter haben die Königsstraße, Spätzle und ein abbezahltes Häusle.

Im Rathaus freuten sich die Mitarbeiter, dass die Fans aus England am Dienstag just zu dem Zeitpunkt ankamen, als der große Faschingsumzug über die Tübinger Straße quer durch Stuttgart, vorbei an den Weinbuden losrollte. Schwäbische Corporate Identity gegen das kosmopolitische Image der Weltmetropole London. Es klingt ein wenig, als wollten sie sich selbst Mut machen und gegen alle Zweifel anrennen, mit denen sie übergossen werden, weil das Stuttgarter Fußballmärchen ein paar Kratzer abbekommen hat. „Wenn ich das Gerede von einer Krise höre, dann kriege ich eine Krise“, sagte Horst Heldt. Er saß auf der Interview-Couch des Südwestrundfunks bei „Sport im Dritten“ und klang wieder empört. „Was wollen die alle, wir sind die jüngste Mannschaft der Liga, wir sind Dritter, wir sind in der Champions League.“ Er müsse sich doch sehr wundern, dass die vielen Schulterklopfer und ein paar Ehemalige, „die vorher ganz vorne standen“, jetzt plötzlich „auf alles schießen“. So erregt und direkt hat den Horst Heldt noch niemand reden hören.

Auch der Stuttgarter Trainer Felix Magath schimpft über die „Störenfriede“ und spielt den verständnisvollen Vater für seine Spieler. „Ich weiß, wie die Mannschaft sich nach dem 0:1 in Kaiserslautern fühlt. Ich weiß aber auch, dass wir neues Selbstvertrauen haben“, sagte Magath. Des Trainers Linie kommt im Team gut an. Noch nie hätten sie sich so gut von ihm verstanden gefühlt wie jetzt, berichteten sie nach dem gemeinsamen Essen der Mannschaft. „Ich behaupte, es gibt keinen Klub in der Bundesliga, in dem es einen solchen Zusammenhalt gibt wie bei uns“, sagte Torwart Timo Hildebrand und erzählte wie ein PR-Manager von Bowlingabenden, Ausflügen zum Essen sowie Kino-, Disko und Theaterbesuchen. „Dass die aus Chelsea keinen von uns kennen, ist doch gut, wir haben vor, das zu ändern.“ Schließlich schaue am Mittwoch und zum Rückspiel am 9. März ganz Deutschland auf Schwaben und den VfB Stuttgart. Und daraus entwickelt sich für die Außenseiter ein besonderer Ehrgeiz. „Wir brauchen keine neue Motivation, die hat uns auch der Gegner geliefert“, sagt Magath.

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