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„Krasse Umstellung“: Das sind die Gründe für den Aufschwung bei Alba Berlin
Der Sieg gegen Tabellenführer MBC war Alba Berlins sechster Erfolg in Serie. Nach schwachem Saisonstart findet sich das Team – und profitiert von einer Richtungsentscheidung.
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Martin Hermannsson war wie beflügelt vom 88:80-Sieg gegen den Mitteldeutschen BC. „Sechs Siege in Folge, wann hat es das bei Alba zum letzten Mal gegeben?“, fragte der Isländer. In der Tat hat es eine solche Erfolgsserie eine ganze Weile nicht gegeben. Um genau zu sein: seit Mai 2024 nicht mehr.
In der vergangenen Saison zählte man bei den Berlinern vor allem Niederlagen – umso größer ist aktuell die Freude über die guten Ergebnisse. „Das sind die Siege, die wir letztes Jahr nicht geholt haben. Ein großartiges Gefühl“, sagte Hermannsson.
Sechs Siege in Folge, wann hat es das bei Alba zum letzten Mal gegeben?
Martin Hermannsson
Zumal es vor wenigen Wochen nicht nach einem schnellen Aufschwung ausgesehen hatte. Alba Berlin war mit drei Niederlagen aus den ersten vier Spielen gestartet, es hakte und knirschte überall. Viele Fans fürchteten bereits die Fortsetzung des schleichenden Abwärtstrends der vergangenen Jahre. Doch im Sport kann es schnell gehen und im Basketball erst recht.
Am Samstagabend war unter den 9221 Zuschauenden in der Friedrichshainer Arena Aufbruchstimmung zu spüren. Der Fanblock hüpfte, selbst die Haupttribüne prügelte begeistert auf die Klatschpappen ein. Nach dem Spiel posierten die Spieler noch lange für Fotos. „Der Fanklub hat auch in den letzten Jahren einen super Job gemacht, hatte aber leider nicht viel zu feiern“, sagte Malte Delow. „Wir sind froh, dass wir jetzt etwas zurückgeben können.“
Die Gründe für den Aufwärtstrend sind vielfältig. Da ist zum einen der Faktor Zeit, den die Verantwortlichen immer wieder betonen. Gerade nach einem Sommer, in dem die Mannschaft erst sehr spät vollständig war, hilft jede Woche, jedes gemeinsame Training beim Zusammenwachsen. Es bilden sich Automatismen, Rollen, Teamchemie.
Doch dieser Effekt hätte auch in der vergangenen Saison eintreten sollen, blieb aber aus. Und damit wären wir bei der Richtungsentscheidung des Sommers. Nach sechs Jahren in der Euroleague hatte sich Alba für den Wechsel in die Champions League entschieden. Sportlich war das ein Abstieg, jedoch einer, der dem Klub guttut.
Wenn man in der Euroleague immer auf die Fresse bekommt, kommt man in einen Trott rein. Das passiert jetzt nicht.
Malte Delow
Europas bester Wettbewerb war für die Berliner und ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten längst eine Nummer zu groß geworden. So stolperte das Team in einen Teufelskreis. Gegen die meist übermächtigen Gegner gab es reihenweise Niederlagen, die verhinderten, dass die Mannschaft Selbstvertrauen fasst. Zudem war der unverantwortlich enge Spielplan einer der Hauptgründe für die vielen Verletzungen, die den Entwicklungsprozess immer wieder stoppten.
Nicht mehr alle zwei oder drei Tage zu spielen, sei eine „krasse Umstellung“, sagte Delow. Allerdings eine, die körperlich und mental sehr gut tue. „Wenn man in der Euroleague immer auf die Fresse bekommt, kommt man in einen Trott rein. Das passiert jetzt nicht.“
Doch auch auf dem Spielfeld sind in den vergangenen Wochen Veränderungen erkennbar. Gerade im Spielaufbau sind die Rollen klarer verteilt – eine Entwicklung, die Hermannsson und dem jungen Jack Kayil sehr guttut.

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Beide spielen nun mehr Minuten als zu Saisonbeginn – der Isländer sogar sehr untypisch für Alba mehr als 30 – und gehörten gegen den bisherigen Tabellenführer MBC zu den entscheidenden Akteuren. Kayil überzeugte vor den Augen mehrerer NBA-Scouts mit 16 Punkten, Hermannsson legte mit 19 Punkten und zehn Assists ein Double Double auf. „Jeder kennt seine Rolle und stellt das Team an erste Stelle“, sagte Hermannsson.
Auch wenn niemand bei Alba ein schlechtes Wort über Boogie Ellis verliert, der den Klub vor zweieinhalb Wochen nach nur sechs Spielen in Richtung Dubai verlassen hat, darf man Hermannssons Aussage durchaus auf den US-Guard beziehen. Ellis war zweifellos Albas talentiertester Scorer, fügte sich aber zu Saisonbeginn noch nicht in die auf Teambasketball ausgelegte Spielphilosophie ein.
Mit Alex O’Connell haben die Berliner in der vergangenen Woche einen neuen Spieler verpflichtet. Der US-Amerikaner stand gegen den MBC erstmals für ein paar Minuten auf dem Feld, verfügt aber über ein ganz anderes Profil als Ellis.
Am Mittwoch wartet mit dem Champions-League-Auswärtsspiel im tschechischen Nymburk die nächste Bewährungsprobe auf Alba, dann geht es am 17. November im Pokal gegen Jena. Ein Sieg würde den Einzug ins Top Four bedeuten, doch Delow warnt davor, sich von der aktuellen Euphorie allzu sehr mitreißen zu lassen: „Wir sind noch kein Topteam. Das ist das Ziel, aber der Weg dahin ist noch lang.“
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