
© dpa/Hendrik Schmidt
Kreditkartenmissbrauch, Spekulationen um manipulierte Waffe: Das französische Biathlon-Team der Frauen ist vor dem Saisonstart tief zerrüttet
Vor wenigen Wochen wurden die zehnmalige Weltmeisterin Julia Simon verurteilt. Und es schwelt der Verdacht, dass eine Athletin auf das Gewehr ihrer Kollegin eingewirkt hat.
Stand:
Am kommenden Samstag beginnt im schwedischen Östersund die neue Biathlon-Saison mit den Staffel-Wettbewerben. Angesichts der Leistungen im Vorjahr sind die Frauen aus Frankreich haushoher Favorit. Auf den ersten acht Plätzen des Gesamtweltcups standen gleich fünf Sportlerinnen des Landes. Lou Jeanmonnot musste sich Franziska Preuß nur geschlagen geben, weil sie im letzten Rennen kurz vor dem Ziel gestürzt war.
Und obwohl auch die frühere Olympiasiegerin und ZDF-Expertin Denise Herrmann-Wick im Interview mit dem Tagesspiegel von einer „extrem guten Gruppendynamik, mit Superstars an der Spitze“ in Frankreich sprach, haben sich hinter der vermeintlich glitzernden Fassade zuletzt tiefe Abgründe aufgetan. Der Skandal um Kreditkartenmissbrauch und Gerüchte um ein manipuliertes Gewehr offenbaren ein tief zerrüttetes Team.
Die Gesamtweltcup-Dritte Julia Simon, die bei den Weltmeisterschaften im vergangenen und in diesem Jahr sage und schreibe acht ihrer insgesamt zehn WM-Goldmedaillen gewann, wurde wegen Diebstahls und Kreditkartenbetrugs bereits verurteilt – zu einer dreimonatigen Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro. 2023 hatte die französische Zeitung L’Équipe die Vorwürfe bereits öffentlich gemacht.
Julia Simon ist bei den Olympischen Spielen startberechtigt
Mit der Kreditkarte ihrer Teamkollegin Justine Braisaz-Bouchet, Gesamt-Achte in der Vorsaison, hatte sie für 2400 Euro unter anderem Zubehör für GoPro-Kameras gekauft. Mit den Daten einer Physiotherapeutin des Teams bestellte sie bei einem Online-Versandhändler. Zudem gab es einen gescheiterten Kaufversuch beim Modedienst „Zalando“.
Auch sportlich wurde Simon sanktioniert. Es wurde ein sechsmonatiges Verbot für Wettkämpfe und das Training ausgesprochen, fünf davon allerdings auf Bewährung. Den Saisonauftakt in Östersund verpasst sie somit, beim Weltcup in Hochfilzen wird sie anschließend aber schon wieder startberechtigt sein. Auch bei den Olympischen Spielen in Antholz im Februar wird sie auf Medaillenjagd gehen können.
Ich gehe damit so um, wie ich es seit zwei Jahren tue. Ich gebe mein Bestes, um zwischen dem Sport und allem, was außerhalb des Sports liegt, zu unterscheiden.
Justine Braisaz-Bouchet, die bestohlene Teamkollegin, auf einer Pressekonferenz vor dem Saisonstart
Sie sei „nicht in der Lage, ihre Handlungen bewusst zu erklären“, hatte Simon vor Gericht in Albertville gesagt. Sie arbeitet nun mit einem Psychologen zusammen, um „das alles zu verstehen, um zu wachsen und mich weiterzuentwickeln“.
Ihre bestohlene Kollegin, Olympiasiegerin Justine Braisaz-Bouchet, hatte bei einer Pressekonferenz kurz vor dem Saisonstart gesagt: „Ich gehe damit so um, wie ich es seit zwei Jahren tue. Ich gebe mein Bestes, um zwischen dem Sport und allem, was außerhalb des Sports liegt, zu unterscheiden.“ Es habe dieses Urteil gegeben, „und man könnte sagen, dass dieses Urteil es ermöglicht, sich noch mehr auf den Sport zu konzentrieren“.
„Ich hoffe, dass diese Mannschaft einen Neuanfang findet und das Thema irgendwann vom Tisch ist“, schätzt ARD-Experte Arnd Peiffer in einem „Sportschau“-Beitrag die Lage ein.
Der französische Verband trägt kaum zur Aufklärung bei
Aber dieser Neustart gestaltet sich wohl als schwierig. In den vergangenen Tagen hatten mehrere französische Medien berichtet, dass Jeanne Richard, Gesamtweltcup-Sechste der Vorsaison, im März versucht habe, das Gewehr ihrer Kollegin Oceane Michelon zu manipulieren. Auch hier soll Justine Braisaz-Bouchet als Augenzeugin involviert gewesen sein.
Der französische Verband betonte daraufhin, dass es zu Saisonbeginn eine interne Untersuchung gegeben habe, die zu einer Sanktion geführt habe – allerdings nicht wegen Sabotage an einer Waffe. Welches Fehlverhalten genau vorlag, wer beteiligt war und welche Strafe verhängt wurde, ging aus der Mitteilung aber nicht hervor.
„Das greift direkt in die Leistung der Teamkollegin ein“, sagt Peiffer. „Das sind enorme Vorwürfe, und ich bin gespannt, wie das Team damit umgeht. Ich sehe es als schwieriger als den Fall zuvor an, damit umzugehen.“
Wie tief die Gräben sind und wie das gesamte Team damit umgeht, wird sich in der ersten Staffelentscheidung der neuen Saison zeigen, wenn sich die Sportlerinnen ja eigentlich aufeinander verlassen und sich füreinander freuen sollen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: