
© dpa/Friso Gentsch
Erneut Gewalt im Fußball: Kreisliga-Spiel in Schöneberg nach Massenschlägerei abgebrochen
Tritte gegen Kopf und gegen Rippen: Beim Spiel Kickers 1900 gegen Wilhelmsruh eskaliert die Situation. Und das eine Woche nach der tödlichen Attacke gegen einen 15-jährigen Fußballer aus Berlin.
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Am Anfang war ein Foul, das Ende bildeten ein Spielabbruch und drei Strafanzeigen, eine davon wegen gefährlicher Körperverletzung. Erneut hat es einen Gewaltvorfall im Berliner Fußball gegeben. Am Sonntag eskalierte das Kreisliga-B-Spiel der 1. Herrenmannschaft von Kickers 1900 und FC Concordia Wilhelmsruh II auf dem Sportplatz an der Schöneberger Monumentenstraße.
Und das alles genau eine Woche nach der Attacke eines 16-Jährigen gegen einen 15-Jährigen aus Berlin bei einem Jugendfußball-Turnier in Frankfurt. Bei dieser Attacke erlitt der 15-Jährige vom JFC Berlin tödliche Verletzungen und starb, nachdem er für hirntot erklärt worden war. Danach war viel von Entsetzen und Trauer die Rede, bundesweit gab es eine Gedenkminute für den verstorbenen Jugendlichen.
Und es blieb nicht der einzige Vorfall am vergangenen Wochenende. „Dem BFV wurden mehrere Spielabbrüche gemeldet, bei wie vielen verbale bzw. physische Gewalt die Ursache war, kann erst nach der Bearbeitung durch die Staffelleitungen bzw. das Sportgericht bestimmt werden – diese ist noch nicht erfolgt“, teilte Janosch Franke, der Pressesprecher des Berliner Fußball-Verbands (BFV) dem Tagesspiegel mit. Details nannte er nicht.
Nach dem Foul ein Tritt in die Rippen
Ausgangspunkt für die Gewalt am Sonntag in der Monumentenstraße war nach Angaben der Polizei ein Foul an einem 38-jährigen Spieler. Der attackierte daraufhin einen 28-Jährigen mit einem Kopfstoß und trat ihn mit dem Fuß gegen die Rippen.
Nun mischte sich ein Zuschauer ein und sprang dem 38-Jährigen in die Rippen. Die Eskalation uferte aus. Ein 21-jähriger Spieler trat einem unbeteiligten 26-Jährigen gegen Kopf und Beine. Der Schiedsrichter brach das Spiel ab.
Kickers-Mannschaft fiel schon vor kurzem durch Gewaltvorfall auf
Die 1. Herren-Mannschaft der Kickers ist schon vor einigen Wochen negativ aufgefallen. Ihr Spiel gegen Alemannia 90 wurde nach Gewaltvorfällen abgebrochen, beide Mannschaften erhielten jeweils sechs Punkte Abzug.
Wolfgang Lange, der Vorsitzende der Kickers, sagte dem Tagesspiegel, „dass das Ganze am Sonntag natürlich nicht zu entschuldigen ist“.
Es sei möglich, dass die betreffenden Kickers-Spieler aus dem Verein ausgeschlossen werden, das müsse der gesamte Vorstand entscheiden. „Aber dann verlassen sie den Verein, treten in einen anderen Verein ein und spielen gegen uns.“ Lange sagte aber auch, dass er bisher noch mit keinem Augenzeuge gesprochen habe, er selber sei nicht auf dem Platz gewesen.
„Wir sind am Saisonende und warten jetzt mal, wie viele Spieler wir zur neuen Saison noch haben“, sagte Lange. Dann entscheiden wir, wie viele Mannschaften wir anmelden.“ Die Kickers haben auch eine zweite Herrenmannschaft im laufenden Spielbetrieb.
2019 wurde eine Kickers-Mannschaft vom laufenden Spielbetrieb abgemeldet
Die zweite Herrenmannschaft der Kickers war im Mai 2019 allerdings vom damaligen Trainer Ilhan Uzun für den damals laufenden Spielbetrieb abgemeldet worden. Uzun reagierte damit auf einen Spielabbruch seiner Mannschaft gegen die FV Wannsee. In dieser Partie hatten drei Kickers-Spieler die Rote Karte gesehen, und einer chleuderte dem Schiedsrichter den Ball in Gesicht.
Uzun gab damals zu, dass Kickers-Spieler „Scheiße gebaut haben“, und es sei „peinlich gewesen, wie sich meine Spieler benommen haben“. Aber an der Randale seien beide Mannschaften beteiligt gewesen. Nach dem Vorfall trat er zurück, die Mannschaft hatte keinen Trainer mehr. Auch deshalb habe man die Mannschaft abgemeldet, sagt Lange.
Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußballverbands, hatte nach dem tragischen Vorfall in Frankfurt erklärt: „Ich hoffe, die Menschen werden jetzt nachdenklicher.“ Das Nachdenken hatte beim Spiel der Kickers gegen Wilhelmsruh genau eine Woche später keine Wirkung mehr.
Zum aktuellen Fall wollte sich der BFV nach Angaben von Pressesprecher Franke nicht äußern. Er bestätigte lediglich den Spielabbruch.
43,5 Prozent aller Fälle des Sportgerichts wurden im Jugendfußball registriert
Das Sportgericht des Berliner Fußball-Verbands hatte in der Spielzeit 2021/22 insgesamt 1936 Fälle zu bearbeiten. Dabei ging es sowohl um körperliche als auch um verbale Gewalt. 43,5 Prozent der Fälle wurden im Jugendfußball registriert.
Die Zahl der Speilabbrüche wegen Gewalttaten ist zwar gering gemessen an der Gesamtzahl der Spiele, das Problem ist aber die Dunkelziffer. Viele Vorfälle mit vor allem verbaler Gewalt, antisemitischen oder rassistischen Sprüchen, aber auch durchaus körperliche Attacken unter Zuschauern, werden offiziell gar nicht gemeldet. Vor allem übelste Beschimpfungen auf dem Platz unter den Spielern selber bleiben häufig folgenlos, weil der jeweilige Schiedsrichter sie nicht hört.
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