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Breslauelf

© dpa/picture alliance

Länderspielserie: Platz 3: Der Urknall

Mit dem 8:0 der Breslauelf 1937 gegen Dänemark beginnt die Erfolgsgeschichte der deutschen Nationalelf.

Am 5. April jährt sich zum hundertsten Mal das erste Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Bis dahin erinnern wir jeden Tag an eines der besten Spiele der DFB-Elf. Heute unser Platz 3: das Spiel gegen Dänemark 1937 in Breslau.

Offiziell beginnt die Erfolgsgeschichte der deutschen Nationalmannschaft mit dem Wunder von Bern. Der Urknall dieses Wunders aber war schon 17 Jahre zuvor zu hören. „Unsere Mannschaft spielte wie aus einem Guß, der Ball lief, dass es eine wahre Freude war“ – derart verzückt berichtete das Fachblatt „Kicker“ nach jenem 8:0-Sieg über Dänemark am Pfingstsonntag 1937 in Breslau. Zum ersten Mal zeigten sich die Deutschen als Meister des taktischen Spiels, Trainer Sepp Herberger sprach stolz vom „variablen Kombinationsfußball“, von „einer Welle, die kommt und geht“. Für ihn war es der „Vorgänger aller Nationalmannschaften“, die Fans sprechen ehrfürchtig von der Breslauelf.

In seinem berühmten Tagebuch hat Herberger die Ansprache am Tag vor dem Spiel notiert: „Morgen, Männer! Das morgige Spiel wird das schwerste in der Reihe der Spiele, die wir im Mai auszutragen hatten bzw. haben!“ Das ist zum einen ein wenig ungelenk formuliert und zeugt zum anderen von bescheidenen Ansprüchen: Die anderen Gegner im Mai heißen Schweiz und Lettland, schon damals keinen Fußball-Großmächte. Doch nach dem peinlichen K.o. bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 gegen Norwegen müssen sich die Deutschen erst wieder an die Weltelite heranarbeiten.

Das Treffen mit den Dänen steht im Zeichen der Zeit. Kapitän Fritz Szepan ist zwei Wochen zuvor in die NSDAP eingetreten, die Schlesier-Kampfbahn in Breslau trägt den Namen Hermann Görings, das Spiel ist eine semi-politische Veranstaltung mit allerlei völkischen Reden. Für Herberger geht es um einiges. Zwar trägt er den Titel eines Reichstrainers, aber sein Vorgänger Otto Nerz ist ihm noch als Aufpasser an die Seite gestellt.

In Breslau ergreift er die Chance, sich von seinem früheren Freund und Förderer zu emanzipieren. Herberger reist ohne Nerz nach Breslau und legt großen Wert auf die Feststellung, dass er allein das Konzept für das Spiel erarbeitet hat. Er verzichtet auf personelle Experimente und beruft keinen einzigen Debütanten. Den wichtigsten Part vertraut der Mannheimer Herberger dem Mannheimer Otto Siffling an. Der brillante Techniker interpretiert die Rolle als Mittelstürmer nicht wie gewohnt als Rammbock im Angriffszentrum, sondern als zurückhängender Spielmacher. Otto Nerz hält nicht viel von Siffling, aber Herberger schätzt ihn als „Meister im Stellungsspiel, zu dem ihn sein Instinkt macht“.

Otto Siffling ist eine Art früher Fritz Walter, technisch perfekt und mit grandioser Übersicht ausgestattet. An diesem 16. Mai 1937 macht er das beste Spiel seines kurzen Lebens. In der ersten Halbzeit erzielt er die Tore zwei bis vier, in der zweiten Nummer fünf und sechs. Fünf Tore hintereinander in einem Länderspiel innerhalb von 32 Minuten – wer will diese Marke je erreichen?

Die Breslauelf bleibt 1937 in zehn von elf Spielen ungeschlagen, aber als im folgenden Jahr die WM in Frankreich ansteht, wird sie auf Anordnung von oben auseinander gerissen. Hitler befiehlt nach dem politischen Anschluss Österreichs die Bildung einer „großdeutschen“ Mannschaft, die prompt in der ersten Runde an der kleinen Schweiz scheitert. Da gehört Otto Siffling schon nicht mehr zum Kreis der Nationalmannschaft. Der Held von Breslau stirbt am 20. Oktober 1939 im Alter von 27 Jahren an den Folgen einer Rippenfellentzündung.

16. Mai 1937, Freundschaftsspiel in Breslau, Deutschland – Dänemark 8:0 (4:0). Zuschauer: 40 000, Tore: 1:0 Lehner (7.) , 2:0 Siffling, (33.), 3:0 Siffling (40.), 4:0 Siffling (44.), 5:0 Siffling (48.), 6:0 Siffling (65.), 7:0 Urban (70.,) , 8:0 Szepan (78.).

Die Serie und ein Diskussionsforum im Internet: www.tagesspiegel.de/sport

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