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Lange Tradition in der Stadt: Eislaufen in Berlin ist mittlerweile ein schwieriges Unterfangen
Mit Eislaufen verbinden viele Menschen einfach eine gute Zeit. Doch die Seen frieren kaum noch zu, die Vereine sind oft voll ausgelastet. Und die Infrastruktur bereitet Probleme.
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Es gibt wohl kaum eine Sportart, bei der zwischen der Vorstellung davon, wie sich der Sport beim ersten Mal anfühlen wird (elegant Pirouetten drehen) und der Realität (auf dem Hintern landen), eine derart große Lücke klaffen kann. Dass sich trotzdem Jahr für Jahr, Winter für Winter viele kleine und große Berlinerinnen und Berliner zum ersten Mal aufs Eis wagen, hat mit der Faszination des Eislaufens zu tun.
Martin Seydel, Erster Vorsitzender des Weddinger Eislauf- und Rollsport-Clubs, beschreibt es so: „Auf dem Eis zu gleiten und sich beinahe schwerelos zu bewegen, ist einfach unbeschreiblich. Eislaufen gehört gefühlt in jeden romantischen Weihnachtsfilm, die ‚Kür‘ und die ‚Pflicht‘ sind Teil unseres Wortschatzes.“
Berlin besitzt eine lange Eislauftradition. Schon im 19. Jahrhundert gab es einen ersten Boom – zugefrorene Seen wie Wannsee, Tegeler See oder Müggelsee waren im Winter beliebte Treffpunkte.
Damals wie heute wurden die Eisflächen zu Orten der Gemeinschaft, an denen sich Menschen zum Schlittschuhlaufen, Eishockey- spielen oder einfach nur zum Staunen über die winterliche Schönheit trafen. In der Nähe des Zoos entstand 1901 ein hochmodernes Eisstadion und wer dort anmutig und elegant seine Bahnen zog, war Vorbild und Trendsetter zugleich.
Aber Eislaufen war nicht nur als reine Freizeitaktivität beliebt. Der 1893 gegründete Berliner Schlittschuh-Club, einer der ältesten Eissportvereine Deutschlands, etablierte sich schnell als führender Verein im Eisschnelllauf und Eiskunstlauf und trug zur wachsenden Popularität des Sports bei. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Eissport in Berlin eine Renaissance. In Ost- und West-Berlin wurden Stadien eröffnet, wobei die DDR den Eislauf besonders förderte.
Längst haben sich die Rahmenbedingungen des Eissports auf allen Ebenen verändert. Die Seen frieren kaum noch zu. Gleichzeitig erschweren hohe Energiepreise und begrenzte öffentliche Fördermittel den Betrieb von Eisbahnen und -hallen. „In Berlin haben wir leider die Situation, dass die Verfügbarkeit von Eisflächen für den Vereinsbedarf und die Öffentlichkeit desaströs ist“, sagt Martin Seydel.
Die Situation ist in vielen Bereichen unbefriedigend
Defekte Eisbahnen, zu wenig Personal, ungenügende Räumlichkeiten, schlechte Verteilung der Kapazitäten, zählt er die Mängel auf. „Hier steht das Angebot nicht mehr im Einklang mit der vorhandenen Nachfrage“, sagt Seydel.
Die aktuelle Situation, die nicht nur seinen Verein betrifft, beschreibt er wie folgt: „Wir mussten bereits in normalen Saisons praktisch alle Anfragen von über Sechsjährigen negativ beantworten, weil wir schlicht nicht genügend Eiszeiten zur Verfügung gestellt bekamen. So haben wir bereits vor Corona pro Saison etwa 200 Anfragen abgelehnt.“
Hier steht das Angebot nicht mehr im Einklang mit der vorhandenen Nachfrage.
Martin Seydel, Erster Vorsitzender des Weddinger Eislauf- und Rollsport-Clubs
Und danach ist es noch schwieriger geworden: „Seit Corona ist nichts mehr normal. Aufgrund der technischen Probleme auf unserer Heimatbahn, dem Eisstadion Wedding, haben wir die letzten Jahre noch weniger Vereins-Eiszeiten, keinen öffentlichen Lauf und auch das Berliner Eismärchen fand zuletzt nicht mehr statt“, sagt Seydel.
Eislaufen war immer ein faszinierender Teil des Berliner Lebens. Eine Geschichte, die mit jeder neuen Generation fortgeschrieben wurde. Das steht nun auf dem Spiel.
Spaß an der Bewegung und Freude am Lernen
Wer trotzdem versuchen will, in einen Berliner Verein reinzukommen, findet eine vollständige Liste auf der Webseite des Eissport-Verbandes. Seydel sagt, dass Hobby- oder Freizeitsportler keine besonderen Voraussetzungen brauchen, außer Spaß an der Bewegung und Freude am Lernen.
Um beispielsweise beim Eiskunstlauf richtig hineinzuwachsen, benötigt man laut Seydel „viel Geduld und erlernt dabei gewiss auch diszipliniertes Arbeiten an Kleinigkeiten“. Eiskunstlaufen gehöre „zu den sehr komplexen Sportarten, weil es eine große Vielseitigkeit und präzise Bewegungsmuster erfordert“.
Ob Leistungssport oder Freizeitvergnügen: Eislaufen schafft Gemeinschaftserlebnisse. Seydel sagt, dass damit allgemein einfach eine gute Zeit verbunden werde und dass Eislaufen Träume verkörpere. Er wünscht sich daher, dass „diese Stadt aus dem reaktiven Verwalten des Mangels in ein agiles Gestalten“ käme und „dass im Wedding möglichst schnell wieder zwei Eisflächen betrieben werden können“.
Gleichzeitig hofft er, dass die Sportstätte „perspektivisch auch so umgebaut wird, dass die dringend zusätzlich benötigten Kabinen und Nebenräume für Trockentrainings geschaffen werden. Um auch künftig der weiterhin enormen Nachfrage besser gerecht werden zu können.“
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