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Michael Fassbender erlebte auch ein paar glückliche Momente in seinem Porsche.

© IMAGO/HochZwei

Letzte Staffel von „Road to Le Mans“: Das wahnwitzige Experiment des Michael Fassbender

Der Hollywoodschauspieler Michael Fassbender wollte Rennfahrer werden – und scheiterte grandios. Eine Dokumentation zeigt das ganze Versagen.

Michael Fassbender sitzt am Konferenztisch. Teammeeting. Seine Haare sind verschwitzt und zerzaust, er ist erschöpft. Vor wenigen Minuten raste er noch in einem Porsche 911 RSR mit knapp 300 km/h über den Asphalt. Was er denn gerade denke, wird er gefragt. Fassbender haut mit der Hand auf den Tisch und sagt: „I am too fucking slow!“ Dieser Satz ist zweifellos das Grundthema der äußerst sehenswerten Youtube-Serie „Road to Le Mans“, deren vierte und letzte Staffel vor wenigen Tagen auf dem Portal angelaufen ist.

Der Deutsch-Ire Fassbender ist einer der bekanntesten Schauspieler weltweit, geschätzt sowohl von den Kritikern aber auch vom Publikum. Seine eigentliche Obsession ist aber das Rennfahren. Sein Großvater, so erzählt er es, sei ein großer Rennsport-Fan gewesen, und er, der kleine Michael, habe sich mit ihm sämtliche Rennen angeschaut. Auch das für ihn größte: die 24 Stunden von Le Mans.

Die Liebe zum Motorsport geht bei Fassbender so weit, dass er dafür seine Schauspielerkarriere für fast vier Jahre teils unterbrochen hat. Porsche gab dem Novizen einen Platz in seinem Team und begleitete Fassbenders Versuch, es mit den Besten auf der Rennstrecke aufzunehmen, mit den Kameras. Wer den Ausgang dieses Experiments sehen will, sollte nicht weiterlesen.

„Road to Le Mans“ ist das Zeugnis eines grandiosen Scheiterns, wie es bislang in kaum einer Sport-Dokumentation zu sehen war. Als Zuschauer erwartet man die gängigen dramaturgischen Muster solcher Sportler-Serien: erst geht alles schief, dann, irgendwann, haut es doch noch hin. Bei Fassbender dagegen geht alles schief, und dann, geht erneut alles schief.

In den ersten Folgen der Staffel landet er bei der GT3-Cup-Series in Hockenheim im Kies, wenige Tage später crasht er im Rennen tatsächlich in das Safety Car. Man sieht Fassbender, wie er aus dem Auto steigt, die Zähne zusammenbeißt. „Fuck, God damn it, fuck“, flucht er.

Michael Fassbender musste viel Lehrgeld bezahlen.
Michael Fassbender musste viel Lehrgeld bezahlen.

© IMAGO/PanoramiC

Das Heikle an seiner Mission ist, dass er nicht alleine, für sich, versagt. Vermutlich könnte er damit leben. Fassbender fährt aber meist in einem Team mit insgesamt drei sich abwechselnden Fahrern. Etwa mit dem österreichischen Spitzenfahrer Richard Lietz. Wenn Fassbender patzt (was regelmäßig vorkommt), müssen es die anderen ausbaden.

Lietz wie das gesamte Team stehen dem Hollywoodstar mit viel Rat zur Seite. Immer wieder gehen sie mit ihm die Strecke durch, wo und wie er bremsen soll, wo er auf dem Gas bleiben soll, wie er sich auf den Curbs verhalten soll. Vor allem versuchen sie, ihn mental aufzubauen. Sie klopfen ihm auf die Schulter, reden ihm gut zu: „Enjoy it, man!“ Nur: Es nützt nichts. Fassbender kann nicht genießen. Es sind zu viele Informationen für ihn, zu viele Dinge, die ein Rennfahranfänger bei 300 km/h falsch machen kann.

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Auf dem Nürburgring etwa übersieht Fassbender zunächst eine Rote Flagge und wird zurückversetzt. Beim Sprintrennen kurz darauf bietet er einer Verfolgerin in der Kurve eine große Lücke zum Überholen. Viel zu spät schließt er sie und verursacht einen Crash. Wenige Wochen später zerlegt er das Auto auf einem anderen Kurs. „Fuck, fuck, fuck, fuck“, hört man ihn wieder fluchen. Für ihn und seine Kollegen ist das Rennwochenende vorbei. Man sieht anschließend Fassbender in einer Einstellung, wie er sinniert. „Sollte ich das wirklich tun?“ Dann, Kunstpause: „Ja, das sollte ich.“

Die Leidenschaft für den Rennsport ist unter Hollywoodschauspielern nicht neu. So ist Patrick Dempsey dem Autorennsport verfallen, der US-Amerikaner fuhr mehrmals die 24 Stunden von Le Mans. Aber auch James Dean, Paul Newman und vor allen Dingen Steve McQueen waren talentierte Motorsportler, wurden als Männer mit „Benzin im Blut“ betitelt. Nach Ansicht von „Road to Le Mans“ fließt ganz normales Blut durch Fassbenders Adern.

Er sei jetzt vielleicht kein Naturtalent, formuliert es Top-Fahrer Lietz in einer Folge diplomatisch. „Aber er ist ein Kämpfer.“ Tatsächlich gibt Fassbender nicht auf, wo andere (vielleicht alle anderen) längst die Waffen gestreckt hätten, erkannt hätten, dass es nicht reicht; dass es gefährlich ist, der Traum vom Rennfahren ein schöner, aber eben ein unrealistischer ist. Fassbender aber macht weiter.

In der „European Le Mans“-Series absolviert er Rennen um Rennen, rast meist direkt hinein in das nächste Drama. In Le Castellet sieht man ihn in seinem Auto im Kiesbett liegen, er klickt hilflos auf den vielen Knöpfen auf seinem Lenkrad herum und flucht: „Fuck, man, fuck.“ Er fühle sich ständig am Limit, sagt er später verzweifelt in einer Teambesprechung. Er brauche mehr Fahrzeiten mit dem Auto. Vermutlich fehlen Fassbender im Vergleich zu seinen Konkurrenten viele tausend Stunden auf der Rennstrecke. Das Defizit ist nicht aufzuholen, schon gar nicht mit Mitte 40.

Die 24 Stunden von Le Mans Mitte Juni 2022 rücken näher und näher und damit der letzte Akt des Dramas, das – selbstverständlich – nicht zu klein ausfallen wird. Die Stärke von „Road to Le Mans“ liegt in der ungeschminkten und schonungslosen Darstellung des Offensichtlichen: dass hier einer völlig fehl am Platze ist und dies nicht wahrhaben will. Man kann das ganze Schlamassel Michael Fassbenders aber auch positiv auslegen: Hier jagt einer mit größtmöglichem Einsatz seinen Träumen hinterher.

Tatsächlich gibt es die sehr wenigen Momente, in denen Fassbenders Rechnung aufzugehen scheint. Einmal, nach einem unfallfreien Rennwochenende in Spa, strahlt er, wie es sonst nur kleine Kinder können. Sein Traum geht in Erfüllung. Wenn auch nur für kurze Zeit, der nächste Crash folgt bald. 

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