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Märchenhafter Aufstieg bei der Tour de France: Lipowitz kann das erreichen, was zuletzt Ullrich gelang
Bei seiner ersten Tour de France fährt Florian Lipowitz sensationell auf Platz drei und gewinnt das Weiße Trikot. Der frühere Biathlet tritt damit in die Fußstapfen der ganz Großen – und weckt Hoffnungen auf mehr.
Stand:
Das Gesicht war schon gefasst, als Florian Lipowitz sich in der Mixed Zone auf der Skistation Superbagneres von den Kameras abwandte und zu den Reportern hinbewegte.
Im Inneren des 24-Jährigen schlugen die Emotionen aber wahrscheinlich weiter Purzelbaum. „Es fühlt sich einfach großartig an. Als ich zur Tour kam, habe ich nicht daran gedacht, dass ich um das Podium fahre oder das Weiße Trikot“, schilderte er seinen Gemütszustand. „Es ist ein Traum, der wahr wird.“
Tatsächlich ist weder Platz drei in der Gesamtwertung noch das Weiße Trikot ein Traumgespinst. Das weiße Textil schmiegte sich an seinen Leib und kennzeichnete ihn als Besten der Jungen. Und auf den Ergebnislisten der Tour wird der Profi vom Rennstall Red Bull – Bora – hansgrohe nach drei wilden Tagen in den Pyrenäen auf Platz drei im Gesamtklassement geführt, fast acht Minuten zwar hinter dem Gesamtführenden Tadej Pogacar, aber auch fast anderthalb Minuten vor dem Viertplatzierten Schotten Oscar Onley.

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Beachtlich ist, was er auf den Etappen 12 bis 14 in den Pyrenäen leistete. Auf dem letzten Teil des Anstiegs nach Hautacam war er der Zweitbeste im ganzen Feld, kam sogar dem zweimaligen Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard näher, als dem nach einem Antritt Pogacars die Kräfte schwanden.
Beim Bergzeitfahren am Freitag wurde er Tagesvierter, kam bis auf sechs Sekunden an das Podium und das Weiße Trikot heran. Als am Samstag der Belgier Remco Evenepoel am Tourmalet die weiße Flagge hisste und das Rennen verließ, war schon abzusehen, dass Lipowitz am Ende des Tages dessen dritten Platz im Gesamtklassement und die Führungsposition in der Nachwuchswertung übernehmen würde. Er schaltete sich im Finale sogar in das große Duell Pogacar vs. Vingegaard ein – deutliches Zeichen für gewachsene Ambitionen.
Sein Hauptaugenmerk galt einst dem Biathlon
Das Bemerkenswerte, fast Märchenhafte daran: Vor ein paar Jahren hatte dieser Florian Lipowitz wohl noch nicht einmal träumen mögen von Tourpodium und Weißem Trikot. Damals war er zwar schon in den Pyrenäen unterwegs, auch auf dem Rad, wie er erzählte, aber eben mit den Eltern, um als 16-, 17-Jähriger die Berge in der französisch-spanischen Grenzregion zu erkunden.
Sein Hauptaugenmerk galt damals dem Biathlon. Talentiert im Loipensport war er, trainierte am Skigymnasium in Stams. Absolventen dort: Legenden wie die Skispringer Toni Innauer und Andi Goldberger. Infolge von Verletzungen und auch dem Stagnieren in der Entwicklung wechselte er in den Radsport. Den kannte er nicht nur von familiären Ausflügen. Er beteiligte sich auch an Radmarathons, gewann sogar einige.

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„Ich bin schon immer gerne Rad gefahren, seit ich das ohne Stützräder kann“, blickte er zurück. Den ersten Radmarathon – 120 Kilometer – fuhr er mit neun Jahren. Biathlon entdeckte er ein Jahr zuvor. Die Ausdauer, die er auf den Ski trainierte, kam und kommt ihm auch auf dem Rad zugute. Grundlageneinheiten auf Schnee früher: 40 bis 50 Kilometer pro Tag!
Die Leistungswerte des Umsteigers überzeugten das Trainerteam des damaligen Rennstalls Bora – hansgrohe. Ohne ein einziges Straßenrennen gefahren zu haben, bekam er 2019 den Vertrag für das Ausbildungsteam Tirol KTM. Danach ging es eigentlich immer nur bergauf, im doppelten Wortsinne.
Jetzt kann dieser Florian Lipowitz erreichen, was nur den ganz Großen in diesem Sport vergönnt war: bei der ersten Tourteilnahme gleich aufs Podium und ins weiße Trikot, wie 1996 Jan Ullrich, 1984 Greg Lemond oder 1994 Marco Pantani. Alle drei gewannen später auch die Tour.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich Lipowitz eher an Lemond ein Beispiel nimmt, der Zeit seines Athletenlebens ein vehementer Doping-Gegner war, und nicht an den gestrauchelten Legenden aus Deutschland und Italien.
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