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Er schiebt die ruhige Kugel: Martin Hermannsson hat derzeit den Spielaufbau bei Alba Berlin im Griff.

© Andreas Gora/dpa

Starker Spielmacher, starker Saisonstart: Martin Hermannsson ist Albas neuer Regisseur

Der isländische Nationalspieler sollte eigentlich nur die verletzten Spielmacherkollegen vertreten. Inzwischen ist er wichtig wie kaum ein zweiter Alba-Spieler.

Als sich Trainer Aito Garcia Reneses und Sportdirektor Himar Ojeda am Ende der vergangenen Spielzeit zum üblichen Abschlussgespräch mit Martin Hermannsson zusammensetzten, gaben sie ihm gleich eine wichtige Botschaft mit in Richtung Sommerpause: Du wirst in der nächsten Saison als Spielmacher gebraucht.

Dass sie ihn so intensiv brauchen würden wie zum Saisonstart, den Alba Berlin am Sonntag beim 78:74 in Bamberg mit dem vierten Sieg im vierten Spiel abrundete, war ihnen dabei vermutlich noch nicht bewusst.

In der vergangenen Saison hatte die Aufgabenbeschreibung des isländischen Nationalspielers eher so ausgesehen, dass Hermannsson als rechte Hand eines weiteren Aufbauspielers das zu Ende bringen sollte, was der einleitete, oder – wenn es eng wurde – dem Angriff als zweite Option noch einmal einen neuen Schub verleihen sollte. Dieses Profil wollten seine Vorgesetzten erweitern – positionell ausgedrückt: mehr Point Guard, weniger Shooting Guard.

Reneses und Ojeda wird es dabei vor allem um zusätzliche Flexibilität im Team gegangen sein. Im Hinterkopf hatten die Alba-Verantwortlichen jedoch sicherlich auch die labile Personaldecke auf der Spielmacherposition: Peyton Sivas wiederkehrende Verletzungsprobleme sind in Berlin längst bekannt, Stefan Peno ist nach seiner schwerwiegenden Knieverletzung bereits seit mehr als einem halben Jahr außer Gefecht und Neuzugang Makai Mason pausierte in jüngerer Vergangenheit beinahe zwei vollständige Spielzeiten. Ein Hermannsson als Ersatz-Spielmacher tut da doch ganz gut – und wurde nach dem Ausfall des Trios gleich zu Saisonbeginn dann auch dringend benötigt.

Seit nicht einmal zwei Wochen läuft nun die neue Spielzeit. Doch Hermannsson weiterhin als bloßen Ersatz-Spielmacher zu bezeichnen, klingt inzwischen beinahe despektierlich. Die Bedeutung des 25-Jährigen für Albas perfekten Saisonstart in allen drei Wettbewerben würde es jedenfalls kolossal verkennen. Hermannsson ist längst mehr als ein Lückenfüller oder eine Behelfslösung im Team des Basketball-Bundesligisten, im Gegenteil: Hermannsson ist der Mann, auf den es im Moment am meisten ankommt.

„Mir macht es Spaß“

„Ich konnte mich im Prinzip den ganzen Sommer lang mit dieser Position beschäftigen“, sagt Albas neuer Antreiber. „Mir macht es Spaß.“ Bereits in den ersten drei Saisonspielen hatte er die Berliner Offensive orchestriert und dabei vor allem immer wieder seine Mitspieler in Szene gesetzt: Durchschnittlich zehn Assists verteilte er, passte gut auf den Ball auf und hielt sich dafür beim Punkten etwas mehr zurück. Dass seine fehlenden Spielmacherkollegen in den ersten Spielen kaum ins Gewicht fielen, war vor allem sein Verdienst. Wie stark die Berliner derzeit jedoch abhängig sind von ihrem Spielmacher, wurde dann erst am Sonntag in Bamberg richtig deutlich.

Dort taten sich die Berliner in der ersten Hälfte mit einem wie aufgescheucht umherwetzenden Gegner schwer. Hermannsson hatte defensiv mit Bambergs Antreiber Paris Lee alle Hände voll zu tun und kam dabei selbst kaum zur Entfaltung. Es reichte nur für zwei Punkte und eine Vorlage, dazu leistete er sich zwei Ballverluste. Alba lag zur Halbzeit mit neun Punkten hinten.

Augen auf, ich komme: Martin Hermannsson hat derzeit alle Hände voll zu tun.
Augen auf, ich komme: Martin Hermannsson hat derzeit alle Hände voll zu tun.

© Andreas Gora/dpa

Dann übernahm der Spielmacher. „Wir waren alle nicht zufrieden“, sagte Hermannsson nach dem Spiel bei Magentasport über die erste Hälfte. „Wir haben soft gespielt und uns von der Müdigkeit überwältigen lassen, anstatt einfach physisch zu sein und unser eigenes Spiel zu spielen.“ Mit drei schnellen Assists zu Beginn des dritten Viertels brachte er seine Teamkollegen ins Spiel. Dann fing er auch noch selbst an zu punkten.

Mit zwei Dreiern in Folge eroberte er im Schlussviertel erstmals die Führung für Alba zurück, ehe er sechs Sekunden vor Ende kalt wie ein isländischer Gletscher das Spiel entschied: Ein aggressives Dribbling in den Gegenspieler, eine schnelle Drehung über die Schulter, Fadeaway, Ball in die Reuse – ein klassischer Hermannsson.

Punkten und passen

15 Punkte erzielte Albas Aufbauspieler in der zweiten Halbzeit, den Ball verlor er gar nicht mehr. Von seinen Qualitäten als Scorer hat er auch als Albas neuer Regisseur nichts verloren. „Ich glaube, alle wissen, dass ich punkten kann“, sagt Hermannsson. „Ich will aber zeigen, dass ich den Ball auch passen kann.“ Wenn er erst im letzten Sekundenbruchteil eine Entscheidung trifft und die Lücke zum Korb oder zu einem Mitspieler findet, hilft ihm dabei sein fantastisches Gespür für den richtigen Moment. In Bamberg waren diese Fähigkeiten besonders gefragt.

Seine Teamkollegen loben ihn: „Er war schon immer stark darin, seine Mitspieler zu finden und gleichzeitig das Spiel zu kontrollieren“, sagt Luke Sikma. Und Peyton Siva würdigte bei Magentasport: „Martin macht einen großartigen Job, unser Team anzuführen.“

Fragt sich nur, wie es nun weitergeht auf der Spielmacherposition: Peyton Siva will am kommenden Freitag beim nächsten Spiel in der Euroleague gegen Anadolu Istanbul wieder auf dem Feld stehen, Makai Mason gab bereits gegen Bamberg ein kurzes Comeback. Albas Optionen werden damit wieder größer. Doch Hermannsson nicht unwichtiger.

Leonard Brandbeck

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