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Malaika Mihambo strahlte nach ihrer Sieg im Weitsprung.

© REUTERS

Update

Mentale Stärke dank Meditation: Persönlicher Einschnitt kann das Gold für Mihambo nicht verhindern

Malaika Mihambo siegt mal wieder mit dem letzten Sprung. Dabei hatte sie es in den vergangenen Monaten nicht leicht.

Malaika Mihambo saß auf dem Boden, die Hände vors Gesicht geschlagen, und bibberte vor sich hin. Das Brutalste an einem sportlichen Wettkampf sind oftmals jene Sekunden des Wartens. Wenn das Glück greifbar nahe scheint, aber eben andere es noch zerstören können. Mihambo durfte am Dienstag in Tokio das Glück greifen. Die anderen Rivalinnen konnten ihr die Goldmedaille im Weitsprung bei den Olympischen Spielen in Tokio nicht mehr wegnehmen. 21 Jahre nach dem Erfolg von Heike Drechsler hat wieder eine deutsche Athletin olympisches Gold in dieser Disziplin gewonnen.

Den Handkuss konnte die 27-Jährige gerade noch in die Kameras werfen, danach schluchzte sie und begab sich mit der Deutschlandfahne über ihren Schultern in die Ehrenrunde vor größtenteils leeren Plätzen im Nationalstadion von Tokio. Die Anspannung sei nach ihrem letzten Versuch größer gewesen als unmittelbar davor, sagte sie später dem ZDF. „Vor dem letzten Versuch habe ich eine innere Stärke gespürt. Mit diesem Selbstvertrauen bin ich dann auch losgelaufen.“ Um wenig später einen Sprung auf exakt sieben Meter zu machen. Die US-Amerikanerin Brittney Reese sowie Ese Brume aus Nigeria konnten nicht kontern und landeten mit jeweils 6,97 Metern auf den Plätzen zwei und drei.

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Mit Blick auf Mihambos Leistungen in den vergangenen Jahren war der Erfolg in Tokio nur logisch. Mihambo siegte vor drei Jahren bei den Europameisterschaften in Berlin, 2019 wurde sie Weltmeisterin in Katar. Keine sprang konstant so weit wie sie. Doch mit Blick auf ihre aktuelle Form war der Sieg am Dienstag keinesfalls zu erwarten. Mihambo hatte nach ihrem WM-Titel immer wieder mit Problemen zu kämpfen.

Um ihren geplagten Rücken zu entlasten, verkürzte sie ihren Anlauf von 20 auf 16 Schritte. Doch sie erreichte damit nicht mehr ihr altes Leistungsniveau. Hinzu kam, dass sie einen gewaltigen personellen Einschnitt vornahm. Sie trennte sich im vergangenen Jahr von ihrem Trainer Ralf Weber. Mit diesem hatte sie 15 Jahre lang nahe Heidelberg zusammengearbeitet. Mihambo kündigte an, sich einer Trainingsgruppe in Chicago anschließen zu wollen. Einer der Trainer: die Leichtathletiklegende Carl Lewis. Es sei Zeit für etwas Neues, sagte sie. Der Deutsche Leichtathletik-Verband reagierte enttäuscht.

Wechselt Mihambo jetzt zu Carl Lewis?

Doch es sollte anders kommen. Die Corona-Pandemie zerstörte die Pläne von Mihambo. Sie blieb in Deutschland und schloss sich Weitsprung-Bundestrainer Ulrich Knapp an. Es erschien wie eine Notlösung. Aber wie das manchmal so ist: Es fügte sich alles wunderbar. Die beiden verstanden sich von Beginn an blendend. „Wir machen sogar zusammen Musik“, erzählte die passionierte Klavierspielerin Mihambo am Dienstag. Abseits davon trafen die beiden auch sportlich die richtigen Entscheidungen. Mihambo erhöhte trotz der größeren Belastung den Anlauf wieder von 16 auf 20 Schritte.

Vor dem Weitsprung-Finale in Tokio war klar, dass es im Vergleich zu den Weltmeisterschaften in Katar eine knappe Entscheidung werden würde. Und wieder einmal nutzte Mihambo ihre mentalen Fähigkeiten. Bereits in der Vergangenheit war die Athletin dadurch aufgefallen, dass sie in entscheidenden Momenten ihre beste Leistungen abrufen konnte.

Mihambo ist sehr interessiert an spirituellen Dingen. Sie meditiert viel und unternahm mehrwöchige Reisen nach Indien oder Thailand, um den Weg zu ihrer inneren Mitte zu finden. „Ich habe diese mentale Stärke in die Wiege gelegt bekommen“, sagt sie. „Aber es ist auch eine Fähigkeit, die man trainieren kann.“

Vielleicht tut sie das bald in den USA, bei Carl Lewis. Den Plan, das sagte sie am Dienstag, habe sie noch nicht aufgegeben. Mit dem früheren Ausnahmeathleten verbindet sie das Streben nach sportlichem Erfolg – aber auch das Interesse für Meditation und die Sinnfragen des Daseins. Olympisches Gold ist nicht alles im Leben von Malaika Mihambo. Vermutlich springt sie gerade deshalb am Ende immer ein Stück weiter als die anderen.

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