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Öffentlicher Nasenstüber. Nationalspieler Philipp Lahm hat die Aufregung um sein Buch nicht gewollt.

© dpa

Löws Schelte: Milder Tadel für Lahm

Die Schelte von Bundestrainer Joachim Löws für seinen Kapitän Philipp Lahm fällt erwartbar nachsichtig aus, zumal der Buchautor inzwischen Reue zeigt.

Als Bundestrainer der Fußball-Nationalmannschaft ist Joachim Löw gewissermaßen Träger einer hoheitlichen Aufgabe, und als solcher wird von ihm ein gewisses diplomatisches Geschick verlangt, bis hin zur Wahl seiner Worte. Es war daher kein Zufall, dass Löw zum wichtigsten Thema der vergangenen Woche, zum literarischen Erstlingswerk seines Kapitäns Philipp Lahm, mit einem beiläufigen „ansonsten“ überleitete. Was die Nation in den letzten Tagen in helle Aufregung versetzt hat, war für den Bundestrainer allenfalls eine Nebensache. Ärgerlich fand er die Debatte vor allem deshalb, weil er „damit ununterbrochen konfrontiert“ worden war und sich nicht seinen eigentlichen Aufgaben widmen konnte. Löws offizielle Rüge für Lahm fiel entsprechend milde aus. Konsequenzen hat der Münchner nicht zu befürchten. „Es gab für uns keine Diskussion, dass man ihn als Kapitän absetzt“, sagte der Bundestrainer – und erklärte die Angelegenheit damit für erledigt.

Löw wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. Gleich nachdem sich die Nationalmannschaft in Düsseldorf zur Vorbereitung auf das EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich am Freitag in Gelsenkirchen zusammengefunden hatte, baten er und sein Stab den Münchner Lahm zum persönlichen Gespräch. Sie wollten von ihm wissen, „wieso, weshalb, warum er einige Dinge geschrieben hat“. Der Vorabdruck des Buches hatte in der Tat einige Irritationen ausgelöst: Ausgerechnet der brave Herr Lahm hatte einige seiner früheren Trainer offen attackiert. Es war jedoch weniger der Inhalt, den der Bundestrainer kritisierte, es war vor allem Lahms Verstoß gegen die guten Sitten des Fußballs, der ihm nicht gefallen hatte. Löw fand es „nicht glücklich, dass er als aktueller Spieler über Trainer in der Öffentlichkeit urteilt. Das steht niemandem zu.“

Nicht glücklich – die Wortwahl lässt auf einen milden Tadel schließen. Die gelassene Reaktion des Bundestrainers steht damit in krassem Kontrast zur allgemeinen Empörung in der Öffentlichkeit, die bis zum Vorwurf der Diskriminierung (wessen auch immer) im aktuellen „Kicker“ reicht. Dabei sind die Passagen in Lahms Buch „Der feine Unterschied“, an denen sich der Wirbel entzündet hat, inhaltlich alles andere als brisant. Dass Felix Magath ein Schleifer ist, Louis van Gaal ein Egomane, Rudi Völler ein Gute-Laune-Onkel und Jürgen Klinsmann ganz bestimmt alles andere als ein Fußballlehrer, das hat man schon hundertmal in der Zeitung gelesen und ist längst fußballerische Allgemeinbildung. Aber solche Informationen bekommen eben eine andere Qualität, wenn jemand aus dem inneren Zirkel sie aufschreiben lässt.

Trotzdem verteidigte Löw seinen Kapitän gegen den schlimmsten aller Vorwürfe: dass er nämlich Interna aus der Mannschaft, etwa über Dissonanzen während der EM 2008, preisgegeben habe. Lahms Bericht, nach der Niederlage gegen Kroatien hätten einige ältere Spieler schlechte Stimmung verbreitet, sei lediglich „eine Wiedergabe dessen, was schon bekannt war“, sagte der Bundestrainer. Denn wenn er sich recht erinnere, habe er selbst sogar in einer Pressekonferenz seine Spieler dazu aufgefordert, „miteinander zu reden, weil der Umgangston nicht in Ordnung war“.

Obwohl Lahm schon ein paar Jahre auf der öffentlichen Bühne tätig ist, hat er mit einer derart massiven Reaktion auf seine Autobiografie nicht gerechnet. Er ist immer noch der Meinung, dass sein Werk „ein leises Buch“, eine Art Erklärstück, ist. Den Krawall, den es verursacht hat, führt er auf den Vorabdruck in der „Bild“-Zeitung zurück, der zwar in seinem Sinne absatzfördernd gewirkt haben dürfte, den er in seiner verkürzenden Darstellung aber „so nicht gewollt habe“. Die Zeitung hat sich eben nicht auf die leisen Stellen beschränkt, sondern zielsicher die wenigen lauten Passagen herausgegriffen.

So ist Philipp Lahm zwischen die Räder der großen medialen Erregungsmaschine geraten – und gestern ziemlich kleinlaut wieder ausgespuckt worden. „Dass die letzten Tage nicht angenehm waren, steht außer Frage“, sagte er. „Das Buch ist gedruckt. Ich kann nichts mehr rausnehmen.“ Aber für die Zukunft werde man von ihm ganz sicher keine Äußerungen über ehemalige oder aktuelle Trainer mehr lesen, „weil sich so etwas nicht gehört“. Der Bundestrainer wird diese Erkenntnis mit Wohlwollen vernommen habe. Er schätze seinen Kapitän als „authentisch, ehrlich, klar in seinen Vorstellungen“, ließ er in seinem abschließenden Kommuniqué zur Affäre Lahm verlauten. „An unserem vertrauensvollen Verhältnis ändert sich nichts.“

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