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Gegen die Macht der Leidenschaft: Hertha BSC verliert nach hartem Kampf 2:3 beim VfL Bochum
Die Berliner liegen in Bochum schon scheinbar aussichtslos mit 0:3 zurück, kämpfen sich auf 2:3 und müssen sich am Ende doch geschlagen geben.
Stand:
Die Stimmung auf den Rängen des Ruhrstadions war prächtig. Die Gesänge der Fans hatten Mitte der ersten Hälfte bereits die maximale Lautstärke erreicht. Aber Uwe Rösler lief durch seine Coachingzone und ruderte mit den Armen: Lauter, lauter.
Der neue Trainer des VfL Bochum trug bei seinem Debüt kurze Hosen, aber er hatte die Hitze in sich. Genau wie seine Mannschaft, die zuvor sechsmal nacheinander verloren hatte, Hertha BSC am Samstagabend aber einen aufopferungsvollen Kampf lieferte.
Die Berliner machten es über weite Strecken auch nicht schlecht. Sie hielten dagegen, sie waren die fußballerisch bessere Mannschaft, dominierten das Spiel, hatten ausreichend viele Chancen. Sie steckten selbst in scheinbar aussichtsloser Situation nicht auf – und mussten sich am Ende vor 25.800 Zuschauern doch mit 2:3 (0:2) geschlagen geben.
„Emotion, Leidenschaft, Intensität: Es war alles da, von beiden Mannschaften“, sagte Stefan Leitl, der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten. Sein Team, zuvor zweimal nacheinander siegreich, leistete sich allerdings zu viele gravierende Fehler in der Abwehr. Und Hertha war auch, man kann es so sagen, ein Opfer des Trainerwechsels beim VfL Bochum geworden.
„Es gibt immer einen Extraschub, den ein Trainerwechsel mitbringt. Da sind die Spieler alle heiß“, sagte Diego Demme, der 20 Minuten vor Schluss beim Stand von 0:3 eingewechselt wurde und nach elf Wochen Verletzungspause sein Comeback feierte. „Aber das ist keine Ausrede.“

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Herthas Trainer Leitl hatte bei seiner Aufstellung mit einer Überraschung aufgewartet: Paul Seguin, im Sommer aus Schalke gekommen, stand nach seiner langen Verletzungspause nicht nur erstmals im Kader; er schaffte es auch gleich in die Startelf und ersetzte dort den angeschlagenen Michael Cuisance. Für den am Sprunggelenk verletzten Deyovaisio Zeefuik spielte Michal Karbownik als linker Außenverteidiger.
Den Bochumern war von Beginn an anzumerken, dass sie ihrem kurzbehosten Trainer in Sachen Leidenschaft nicht nachstehen wollten. Mats Pannewig hatte in der Anfangsphase die erste gute Gelegenheit für den VfL, als Herthas letzte Reihe mit einem langen Pass auf die linke Seite überspielt wurde. Sein Schuss ging knapp am Tor vorbei.
Kurz darauf versuchten es die Hausherren nach einem ähnlichen Muster. Gerrit Holtmann passte von links mit Schärfe in die Mitte. Karbownik erwischte den Ball beim Versuch zu klären mit dem Schienbein und lenkte ihn zur Bochumer Führung ins eigene Tor. Für die Berliner war es das erste Gegentor auf fremdem Platz seit der Niederlage am ersten Spieltag beim FC Schalke 04.
Fast im Gegenzug hatte Herthas Kapitän Fabian Reese mit einem Schuss aus 17 Metern die erste gute Gelegenheit für die Gäste, doch Timo Horn im Bochumer Tor lenkte den Ball über die Latte. Die Berliner setzten sich nun immer mehr in der gegnerischen Hälfte fest, ließen den VfL kaum einmal in Ruhe aufbauen, der es deshalb vor allem mit langen Bällen versuchte und auf Konter lauerte.
Emotion, Leidenschaft, Intensität: Es war alles da.
Herthas Trainer Stefan Leitl
So wie nach einer halben Stunde, als Reese tief in der gegnerischen Hälfte den Ball verlor und die Bochumer die entblößte Berliner Defensive überrumpelten. Francis Onyeka ließ Toni Leistner im Strafraum aussteigen, und weil auch die Grätsche von Marton Dardai zu spät kam, vollendete der 18-Jährige mit seinem ersten Tor im Profifußball zum 2:0 für den VfL.
Zu Beginn der zweiten Hälfte und mit dem Vorsprung im Rücken zogen sich die Bochumer noch ein bisschen weiter zurück. Das machte es für Hertha nicht einfacher, sich aussichtsreiche Chancen zu erspielen. Innenverteidiger Dardai versuchte es mit einem Schuss aus der Distanz, aber wieder reagierte Horn glänzend.
Ein Tick mehr Leidenschaft: Das war der kleine, aber letztlich entscheidende Unterschied zwischen Hertha und dem VfL. Exemplarisch zu beobachten nach genau einer Stunde. Nach einem Einwurf der Bochumer in den Berliner Strafraum hatte Toni Leistner den Ball scheinbar sicher. Philipp Hofmann, der Stürmer des VfL, hing in seinem Rücken, luchste Leistner den Ball ab, passte in die Mitte, wo Onyeka unbedrängt zum scheinbar vorentscheidenden 3:0 einschieben konnte.
Doch Hertha steckte nicht auf. Trainer Leitl brachte frische Kräfte, und tatsächlich keimte bei den Berliner Fans noch einmal Hoffnung auf, als zunächst der eingewechselte Luca Schuler mit seinem ersten Ballkontakt zum 1:3 traf und Reese zehn Minuten vor dem Ende einen Foulelfmeter zum 2:3 verwandelte. „Wir haben gelitten“, sagte VfL-Trainer Rösler.
Hertha blieb nach dem Anschlusstreffer noch ausreichend Zeit, aber es reichte nicht für den Lucky Punch gegen die körperlich nachlassenden und mehr und mehr taumelnden Bochumer. „Es war kein schlechtes Spiel“, sagte Paul Seguin nach seinem Debüt für Hertha. „Wir waren sehr engagiert, wir wollten, hatten Torchancen, haben nicht aufgegeben. Aber dafür kann man sich im Endeffekt nichts kaufen.“
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