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Schattenboxen vor dem großen Kampf. Marco Huck und Trainer Uli Wegner beim Schlagabtausch für die Kameras. Foto: dpa

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Marco Huck: Mit Handy am Sandsack

Wie Boxweltmeister Marco Huck sich auf den zweiten Kampf gegen Firat Arslan vorbereitet – ein Besuch beim vermeintlichen Medien-Training.

Vorbei an den Sandsäcken gehen sie direkt zur Tischtennisplatte, zum Aufwärmen. Trainer Ulli Wegner gegen Marco Huck. Wegner tritt leicht wiegend auf der Stelle, versucht, die Bälle anzuschneiden. Huck haut drauf.

Boxtrainer Ulli Wegner hat Marco Huck erneut im Sportleistungszentrum Kienbaum, in Grünheide, südöstlich von Berlin, einquartiert. Stille umgibt die flachen Wohnblöcke und Sporthallen. Nur vom Ufer des Liebenberger Sees schallt leise das Zetern der Spatzen herüber. Drinnen, in der Boxhalle, rauscht nur die Lüftungsanlage; es riecht nach einem Gemisch aus Leder und dem Schweiß, der sich in die Turnmatten gefressen hat. Huck soll sich hier abseits des Trubels der Großstadt in Ruhe auf seinen Weltmeisterschaftskampf im Cruisergewicht gegen Firat Arslan am kommenden Sonnabend in Stuttgart vorbereiten.

Im Hintergrund ertönt blechern bosnische Diskomusik. Marco „Käpt’n“ Huck hat die Lautsprecher seines Mobiltelefons aufgedreht. Das Telefon legt er nur aus der Hand, wenn er wirklich muss. Wenn seine Hände bandagiert werden, wenn er ein Interview gibt oder eben für eine Runde Tischtennis gegen Ulli Wegner. Eigentlich soll Huck an diesem Tag nur laufen. Medientraining? Sparring? Ein paar Minuten locker gegen Wegners Pratzen hauen – für die Kameras – mehr ist nicht drin. „Ich will euch nicht zeigen, wie gut er ist“, sagt Wegner mit gewohnt rauer Stimme und fügt, spitzbübisch blickend, hinzu: „oder wie schlecht.“

Doch sowohl Huck als auch sein Trainer lassen keinen Zweifel daran, wie gut der 29 Jahre alte Weltmeister der World Boxing Organisation (WBO) in Form ist. Zumindest sagen sie das. Drei Wochen lang hat Wegner ihn täglich in die Höhenkammer von Hertha BSC auf dem Olympiagelände geschickt. Viel lieber wäre er mit ihm zum Höhentraining nach St. Moritz gefahren. „Ich glaube, dass das eine noch größere Wirkung gehabt hätte. Aber das werden wir sehen. Wenn wir jetzt gewinnen, war alles richtig.“

Wegner sagt „wir“, wenn er eigentlich Huck meint. Er sagt: „Unsere Sauerstoffaufnahme hat sich verbessert. Wir möchten siegen, wir müssen siegen.“ Marco habe große Kämpfe gemacht, sagt Wegner, „gut, ein paar Mal hat er auch Glück gehabt“. So wie im November 2012, als Huck in Halle/Westfalen gegen Arslan zwar von den Punktrichtern einstimmig vorn gesehen worden war, aber sein Publikum enttäuscht hatte. Von den Rängen gab es Pfiffe – gegen die Wertung des Kampfes und die Einstellung des Boxers.

Das hat sein Ansehen etwas geschmälert. „Ich habe den Gegner total unterschätzt. Ich dachte, der ist ’ne Luftnummer“, sagt Huck. „Ich möchte das Thema aus der Welt schaffen.“ Sein Trainer kann sich darüber noch immer aufregen: „Dass man sagt, ‚ich habe einen Gegner unterschätzt’, das geht im Boxen gar nicht“, sagt Wegner. „Wer Arslan noch unterschätzt, dem fehlt es an Weitsicht.“

Beim Rückkampf am Sonnabend in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer- Halle soll es besser laufen. Das wollen beide – Huck und Arslan: „Ich fühle mich seit dem letzten Kampf gegen Marco als Weltmeister. Den habe ich eigentlich gewonnen“, sagte Arslan vor kurzem. Marco Huck antwortete darauf: „Ich bin der Champion, er will doch was von mir. Ich weiß, was ich habe und möchte es behalten.“

Wie Huck das schaffen kann, hat sich sein Trainer natürlich schon überlegt: „Marco muss in Bewegung boxen und ihm zuvorkommen.“ Von den Boxfähigkeiten her sei der Rechtsausleger Arslan einfach veranlagt. „Aber er nutzt das aus, was er kann, und deswegen ist er so unangenehm.“ Huck sagt: „Er ist wie ein Stier, er geht immer nach vorne.“ Manchmal falle es ihm noch immer schwer, den 43-jährigen Herausforderer nicht zu unterschätzen: „Er ist ein Box-Opa, aber ich ziehe den Hut vor ihm. In seinem Alter haben viele einen Bierbauch. Er hat einen besseren Körper als mancher Zwanzigjährige.“

Die Konzentrationsschwäche, sagt Wegner, sei das größte Manko seines 29-jährigen Boxers. „Darauf müssen wir am meisten achten.“ Huck gilt als leicht ablenkbar und ist gelegentlich zu offen für Einflüsterungen aus seinem Umfeld. Zwischenzeitlich beschäftigte er sich vor allem mit einem dauerhaften Aufstieg ins Schwergewicht und wähnte sich schon als derjenige, der den dreifachen Weltmeister Wladimir Klitschko entzaubern könnte. Doch Trainer Wegner gibt sich zuversichtlich für den anstehenden Kampf. Huck habe unheimlich viel Trainingsfleiß bewiesen, Weihnachten und Silvester durchtrainiert. „Das Schöne ist, dass Marco gut zuhören kann“, sagt Wegner. Wieder mit diesem spitzbübischen Blick: „Deswegen ist er auch immer mit dem Handy beschäftigt.“

Irgendwann zieht Huck seine Trainingsjacke an, setzt seine Wintermütze auf und geht hinaus auf den Sportplatz hinter der Boxhalle. Ein paar Runden drehen – mit seinem Telefon in der Hand.

Ein Duell mit einem Box-Opa hat Marco Huck da bereits gewonnen: das Tischtennisspiel gegen seinen Trainer. 11:6. „Weil er in Form ist“, hat Ulli Wegner danach in die Halle gerufen. Er hätte auch sagen können: „Weil wir in Form sind.“

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