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Cristian Fiél ist seit dem Sommer Trainer von Hertha BSC. Er will der Mannschaft einen neuen Spielstil vermitteln.

© dpa/Uwe Anspach

Nach einem Drittel der Saison : So weit ist Trainer Fiél bei der Transformation von Hertha BSC

Von der Umschalt- zur Ballbesitzmannschaft: Trainer Cristian Fiél soll Hertha einen neuen Stil verordnen. Manches funktioniert schon, manches noch nicht.

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Cristian Fiél ließ sich entschuldigen. Wegen anderweitiger Termine konnte der Cheftrainer von Hertha BSC der Mitgliederversammlung seines Klubs am Sonntag leider nicht beiwohnen. Dadurch hat Fiél einiges verpasst. Unter anderem eine Lobrede von Tom Herrich, dem Geschäftsführer des Berliner Fußball-Zweitligisten, auf: Cristian Fiél.

Obwohl: Vielleicht wäre ihm die Lobhudelei seines Vorgesetzten auch unangenehm gewesen. Herrich trug ganz schön dick auf. „Er war unser absoluter Wunschkandidat“, sagte er. „Jemand, der unsere Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern bei weitem übertroffen hat.“ Fiél, ein akribischer und leidenschaftlicher Arbeiter, hinterlasse bereits deutliche Spuren. „Ich bin sicher, dass wir mit ihm als Cheftrainer noch viele spannende und erfolgreiche Momente erleben werden“, erklärte Herrich.

Ende Juni hat Hertha Fiél als Nachfolger von Pal Dardai vorgestellt: als jemanden, „der mutigen und offensiven Fußball spielen lässt“, wie es Sportdirektor Benjamin Weber ausgedrückt hat. Fiél selbst sagte: „Ich will, dass wir das Spiel kontrollieren, dass wir den Gegner in der gegnerischen Hälfte immer wieder vor Aufgaben stellen.“

Es gibt Momente im Spiel, die gut sind und in denen wir dominant sind. Es gibt aber auch Momente, die noch nicht so gut sind, in denen wir dem Gegner zu sehr das Feld überlassen.

Herthas Trainer Cristian Fiél

Zwölf Spiele liegen in der Zweiten Liga hinter Herthas Mannschaft mit ihrem neuen Trainer, ziemlich genau ein Drittel der Saison also. Ein guter Anlass, eine Bilanz zu ziehen, wie sich die fußballerische Transformation unter Fiél anlässt. „Das dauert alles seine Zeit“, sagt Herthas Trainer, „aber ich glaube, wir liegen im Soll.“


Die Tabelle

Wenn es stimmt, dass die Tabelle nicht lügt, dann hat sich so gut wie gar nichts verändert. Es ist sogar frappierend, wie sehr sich die Werte der aktuellen und der vergangenen Saison gleichen.

Als Tabellenelfter bewegt sich Hertha auch jetzt wieder im Tabellenmittelfeld. Genau wie in der vergangenen Spielzeit, die der Klub als Neunter beendet hat. Zum selben Zeitpunkt der Vorsaison lag Hertha auf Platz zwölf. Ebenfalls im Mittelfeld.

Damals hatte die Mannschaft 16 Punkte auf ihrem Konto, jetzt sind es 17. Sie hatte 22 Treffer erzielt, jetzt sind es 20. Und sie hatte 20 Gegentore kassiert. Genau wie jetzt. Die aktuelle Punkteausbeute entspricht einem Schnitt von 1,41. Am Ende der vergangenen Saison lag er bei – 1,41.

Und trotzdem besteht bei genauerem Blick auf die Tabelle ein nicht zu unterschätzender Unterschied. Der Abstand zu Platz zwei ist gemessen an den Punkten nur halb so groß wie vor einem Jahr. Damals waren es acht, jetzt sind es vier.

In der vergangenen Saison ist Hertha den Aufstiegsrängen nach dem missratenen Start mit drei Niederlagen aus den ersten drei Spielen nie richtig nahegekommen. Das könnte schon an diesem Wochenende anders sein: wenn Hertha im eigenen Stadion den Aufsteiger SSV Ulm empfängt (Samstag, 13 Uhr, live bei Sky) und gegen den Tabellenvorletzten den ebenso erhofften wie erwarteten Heimsieg einfährt.


Die Defensive

Hertha BSC hat in der vergangenen Saison zu viele Gegentore (59) kassiert. Genau wie der 1. FC Nürnberg (64), dessen Trainer damals Cristian Fiél hieß. Das Thema ist bei den Berlinern weiterhin evident, auch wenn sich der Gegentorschnitt unter dem neuen Trainer leicht verbessert hat (1,66 zu 1,73 am Ende der Saison). Fiél beklagt, „dass wir zu viele Tore bekommen“, und fordert, „dass wir besser verteidigen müssen“.

Augenfällig ist, dass die veränderte Spielidee auch eine andere Art der Verteidigung zur Folge hat. Pal Dardai hat in der vergangenen Saison gesagt, dass er nicht die passenden Spieler für Ballbesitzfußball habe, und daher einen eher reaktiven Ansatz gewählt. Heißt: Die Mannschaft stand insgesamt tiefer.

Fiél will aktiver nach vorne verteidigen, verlorene Bälle möglichst schnell und entsprechend hoch zurückgewinnen – um dadurch den Druck von der letzten Linie fernzuhalten. Dass dies noch nicht zu exorbitant besseren Werten geführt hat, könnte mit der schwierigen Personalsituation gerade in der Abwehr zusammenhängen.

„Manchmal stehen wir noch zu weit auseinander und geben zu viele Räume“, sagt Fiél. „Es war damit zu rechnen, dass noch nicht alles sofort funktioniert. Aber wir arbeiten daran.“


Die Offensive

Hertha verfügte in der vergangenen Saison nicht nur über den besten Torschützen der Zweiten Liga (Haris Tabakovic), sondern auch über den fünftbesten Scorer (Fabian Reese). Tabakovic spielt inzwischen in Hoffenheim, Reese wiederum hat wegen seiner Sprunggelenkverletzung noch keine Minute auf dem Platz gestanden.

Diese Qualität ist nur schwer zu ersetzen, was sich unter anderem in Herthas „Expected Goals“ (xG) niederschlägt. Der xG-Wert gibt an, wie hoch – statistisch gesehen – die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Schuss von einer bestimmten Position zu einem Tor führt. Demnach hätte Hertha in der vergangenen Saison pro Spiel 1,53 Tore erzielen müssen. In dieser Spielzeit sind es nur 1,38.

Fabian Reese (m.) arbeitet an seiner Rückkehr ins Ligageschehen.

© imago/Matthias Koch/IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

„Es gibt Momente im Spiel, die gut sind und in denen wir dominant sind. Es gibt aber auch Momente, die noch nicht so gut sind, in denen wir dem Gegner zu sehr das Feld überlassen“, sagt Fiél. „Das ist völlig normal. Aber ich bin mir sicher, dass es besser werden wird.“

Die Dominanz, die Fiél sich im Spiel seiner Mannschaft wünscht, zeigt sich vor allem im Mittelfeld. Mit Spielern wie Michael Cuisance, Ibrahim Maza und Kevin Sessa ist Hertha in diesem Mannschaftsteil überdurchschnittlich gut besetzt. Ballbesitzfußball ist daher nicht nur erwünscht, sondern auch möglich.

Bei der Passquote (86,7 Prozent) liegen die Berliner aktuell auf Platz drei der Liga, bei Ballbesitz sogar auf Platz zwei (53 Prozent). In der Vorsaison war Hertha in diesen Kategorien Neunter (83,2 Prozent) und Vierzehnter (46 Prozent).

Was Fiéls Mannschaft bisher noch nicht durchgehend gelungen ist: diese Dominanz im Zentrum in klare Offensivaktionen münden zu lassen. Beim Übergang ins letzte Drittel fehlte es in vielen Spielen an Klarheit, vielleicht auch an Automatismen. Aber es ist nicht unüblich, dass es mehr Zeit erfordert, offensive Abläufe einzuüben als defensive.

Dass es Fortschritte gibt, zeigt zumindest Herthas xG-Wert: An den ersten sechs Spieltagen lag er viermal unter dem bisherigen Schnitt, an den zweiten sechs Spieltagen viermal darüber.

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