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In den Ruhephasen liegt die Kraft. Je länger die Serie zwischen den Eisbären und Grizzlys Wolfsburg andauert, desto größer sollten die Chancen für die Berliner um Mark Olver (l.) sein.

© Paul Zinken/dpa

Deutsche Eishockey-Liga: Nachwuchs-Problem führt zu mageren Kadern

Zu kleine Kader, zu wenig junge Spieler – künftig soll sich das ändern bei den Klubs im deutschen Eishockey. Den Grizzlys Wolfsburg hilft das in der aktuellen Viertelfinalserie gegen die Eisbären allerdings nicht mehr.

Die Analyse von Jens Baxmann nach dem dritten Play-off-Spiel der Eisbären am Sonntag war erfrischend treffend. „Wolfsburg hatte eine sehr kurze Bank“, sagte der Berliner Verteidiger. „Wir haben versucht, das auszunutzen und mit vier Reihen gespielt. “ So ein 8:1 in einem Viertelfinalspiel ist in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) so ungewöhnlich, dass der jüngste Erfolg der Eisbären gegen die Grizzlys Wolfsburg auch gleichzeitig ihr Rekordsieg in einem Play-off-Spiel war. Gegen einen Gegner, der mit einem ersatzgeschwächten Team auftrat, das so eigentlich in der DEL nicht auftreten sollte.

Die „kurze Bank“ bedeutet in der Eishockeysprache, das zu wenig los ist auf einer Auswechselbank. So wie bei den Grizzlys, die am Sonntag in der Not ihren dritten Torwart auf die Bank gesetzt hatten und zum Spielschluss mit acht Stürmern auskommen mussten – was nicht einmal drei kompletten Angriffsreihen entspricht. Zwölf Stürmer, die Eisbären hatten mit dem Letten Rihards Bukarts sogar noch einen dreizehnten Angreifer als Ersatz, sind normal im modernen Eishockey. Das bringt mehr Tempo. Die Sportart ist auf diesem Niveau einfach zu schnell, die Muskeln übersäuern nach intensiven Sprints, wenn die Pausen zwischen den Einsätzen zu kurz ist. Wolfsburg hat in der Serie gegen die Berliner nun acht Verletzte. Wie kann es sein, dass sich da nichts personell kompensieren lässt?

Es ist nicht so, dass sie in Wolfsburg einen extrem schmalen Kader hätten. Trainer Pavel Gross hat in dieser Saison 25 Feldspieler eingesetzt, das ist im Vergleich zu anderen Play-off-Teilnehmern ordentlich, aber kein Spitzenwert: Meister München hat 26 Feldspieler aufs Eis geschickt, die Adler Mannheim sogar 30. Aber diese Teams haben auch einen breiteren Unterbau und größere Kader als Wolfsburg. Die Niedersachsen haben zwar Nachwuchsmannschaften in allen Altersklassen, ihr ältestes Juniorenteam spielt aber nur zweiklassig in der „DNL2“ und dort keine gute Rolle: Die Saison beendete die Mannschaft mit Niederlagen gegen den ECC Preussen Berlin (0:3) und ESV Chemnitz (2:4) – bei Wolfsburg standen in den Spielen gegen diese Nachwuchsteams, deren Seniorenteams unterklassig spielen, drei Verteidiger und zehn Stürmer auf dem Eis, was nicht von einem breiten Unterbau zeugt.

Die fehlende Leistungskraft für den Weg nach oben lässt sich auch am aktuellen Kader des DEL-Teams ablesen. Einziger gebürtiger Niedersachse ist Dritttorwart Niko Stark, der Bankdrücker vom Sonntag. Die Mannschaft ist vergleichsweise alt, Fabio Pfohl mit 22 Jahren ihr jüngster Spieler. Auch er ist seit Sonntag verletzt. Der Berliner Sportmediziner Thorsten Dolla, einst Mannschaftsarzt beim Eishockeyteam Berlin Capitals, sagt: „Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich mit 35 Jahren oder mit 22 Jahren Eishockey spiele. Oft aber können ältere Spieler sogar ihre Kräfte besser einteilen.“ Dass das Wolfsburger Team eher älter sei, sehe er nicht als Problem. Aber prinzipiell sei die Wolfsburger Situation ein „Teufelskreis“, gerade in den Play-offs sei die Belastung eben sehr hoch. „Es ist dann normal, dass die Kräfte besonders im letzten Drittel schwinden und es zu Verletzungen kommt.“

Warum werden keine jungen Spieler in der vierten Sturmreihe eingesetzt, wenn es mal knapp wird mit dem Personal? Die DEL steuert nun selbst dagegen, sie hat am Montag einen sogenannten Stufenplan zur „verstärkten Integration jüngerer deutscher Feldspieler in den DEL-Ligabetrieb“ veröffentlicht. Demnach soll die Anzahl älterer Feldspieler mit Lizenzen auf dem Spielberichtsbogen bis zur Saison 2023/24 schrittweise von derzeit 19 bis auf 16 gesenkt werden. Das macht also drei Sturm- und drei Verteidigungsreihen mit älteren Profis. Dahinter müssen die Spieler 23 Jahre oder jünger und vor allem für die Nationalmannschaft spielberechtigt sein. Das hört sich dramatischer an als es ist, bei den Eisbären müssten sie quasi nichts ändern. Der olympische Silbermedaillengewinner Jonas Müller ist ja etwa noch nicht 23 Jahre alt, Verteidigerkollege Kai Wissmann auch nicht. Die Neureglung wird aber eine Herausforderung für Klubs ohne gute Nachwuchsarbeit und mit kleinen Kadern: Etwa für Bremerhaven, immerhin aktuell Play-off-Teilnehmer. Die Fischtown Pinguins haben gerade mal 23 Feldspieler eingesetzt in dieser Spielzeit und haben auch nicht mehr.

Die DEL schafft Erleichterungen für den Nachwuchs

In dieser Saison konnte jeder DEL-Klub 32 Spielerlizenzen beantragen. Ab der nächsten Spielzeit können nun 33 Lizenzen beantragt werden, dabei dürfen jedoch lediglich 29 Spieler mit einer regulären Lizenz ausgestattet werden. Die übrigen Lizenzen sind für Spieler reserviert, die den Altersklassen U20 und U23 (ein Spieler) angehören. Ob es mit diesen sehr vorsichtigen Regularien dann wirklich besser aussieht um die Chancen des deutschen Eishockeynachwuchs? Die Ausländer-Selbstbeschränkung etwa wird schon seit Jahren von fast allen Teams umgangen. Es wurden und werden auch schon junge Spieler eingedeutscht.

Was in Wolfsburg künftig passiert, wird übrigens nicht mehr in der Macht von Pavel Gross liegen. Nach der Saison wechselt er als Trainer nach Mannheim, dort hat er ganze andere Möglichkeiten. Erst am Wohnende sind die Jungadler Mannheim wieder deutscher Nachwuchsmeister geworden – in der Finalserie gegen die Eisbären Juniors.

Dass die Wolfsburger nach der langen Olympiapause in der DEL nun so vielen Verletzte haben, könne er im Detail nicht beurteilen, sagt Thorsten Dolla. „Aber ich kenne den Pavel Gross sehr gut, der war ja damals Mannschaftkapitän, als ich die Berlin Capitals betreut habe. Bei dem ist das Team in guten Händen.“

Allerdings ist es dem Wolfsburger Trainer Gross schon mal passiert, dass er mit zu vielen Verletzten in die Play-offs schlidderte. 2012 war Gross mit Wolfsburg ohne Chance im Viertelfinale gegen Straubing, und auch da setzte es wie am Sonntag in Berlin heftige Niederlagen. Noch führen die Eisbären in der nach dem Modus „Best of seven“ gespielten Serie erst 2:1, am Mittwoch nach Spiel vier in Wolfsburg sollte es dann aber 3:1 stehen für die Eisbären. Jens Baxmann sagt zwar: „Die Männer, die bei Wolfsburg an Bord sind, hauen sich voll rein.“ Aber das sollte den wenigen Wolfsburgern nicht noch einmal wie am vergangenen Freitag im zweiten Spiel der Serie zu einem überraschenden Erfolg reichen. Die Berliner haben schließlich die längere Bank.

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