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Janina Minge hat erst 21 Länderspiele hinter sich und ist trotzdem zur stellvertretenden Kapitänin ernannt worden.

© Imago/DeFodi Images

Neue Hierarchie bei den DFB-Frauen: Das Grundgerüst für die EM nimmt Formen an

Bundestrainer Christian Wück hat im deutschen Nationalteam Rollen neu verteilt. Einstige Stammspielerinnen nehmen nur noch auf der Bank Platz, andere bekommen überraschend viel Verantwortung.

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Das Thema Rollenverteilung ist vor allem seit dem Amtsantritt von Julian Nagelsmann in aller Munde beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Doch nicht nur der Bundestrainer der deutschen Männer-Nationalmannschaft legt großen Wert auf dieses Prinzip, sondern auch Christian Wück, Trainer des deutschen Frauenteams. „Er hat die Rollen vor der Euro klar verteilt“, sagte Wück bei seinem Amtsantritt im vergangenen August über Nagelsmann. „Man hat gesehen, dass die Spieler sich mit ihren Rollen zu 100 Prozent identifiziert haben.“

Christian Wück wird demnach auch vor der anstehenden Europameisterschaft in der Schweiz, die in eineinhalb Wochen beginnt, die Rollen im Team klar verteilen und darüber sprechen, wer viel Spielzeit erhält und wer eher von der Bank aus reinkommt.

Im Kader findet sich ein Mix aus erfahrenen Spielerinnen wie Kathrin Hendrich oder Sara Däbritz, die am meisten Länderspiele bestritten haben, und jungen Spielerinnen wie Franziska Kett oder Cora Zicai, die ihre Unbekümmertheit und Frische ins Team tragen sollen. „Ich glaube, es ist schon wichtig, dass die erfahrenen Spielerinnen den Grundbaustein setzen, weil vor allem ich, als junge Spielerin, dann diese Unbekümmertheit ausleben kann, die mich ausmacht“, sagte Zicai am Freitag. Kurz zuvor hatten sie und ihre Teamkolleginnen den Trainingsauftakt im ersten von zwei EM-Trainingslagern in Herzogenaurach hinter sich gebracht.

Zicai, die in diesem Sommer vom SC Freiburg zum VfL Wolfsburg wechseln wird, startete in der abgelaufenen Bundesliga-Saison voll durch und spielte sich so ins Blickfeld des Nationalteams. Obwohl die 20-Jährige in der jüngsten Nations-League-Phase aufgrund muskulärer Beschwerden fehlte, nominierte sie Wück für die EM. Dort dürfte ihre Rolle die der Ergänzungsspielerin hinter Klara Bühl auf dem linken Flügel sein. „Mit Blick auf die Konkurrenz weiß ich ganz genau, wo ich dran bin und was meine Rolle ist.“

Janina Minge hatte lange niemand auf dem Zettel

Während die gebürtige Freiburgerin ihren Platz im Team kennt, hat sich der von Kathrin Hendrich etwas verändert. War die 33-Jährige früher in der Innenverteidigung unangefochtene Stammspielerin, droht ihr nun womöglich zunächst die Rolle der Reservistin. „Es war alles sehr turbulent die letzten Monate. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass die Saison in Wolfsburg für mich sehr schwierig war, weil ich ziemlich lange verletzt war und hier dann auch gefehlt habe“, sagte Hendrich, die nun zu den Chicago Stars in die USA wechseln wird.

Zwar ist sie nach ihrem Muskelfaserriss wieder rechtzeitig zur EM fit geworden, Christian Wück dürfte trotzdem Rebecca Knaak den Vorzug geben. Im Gegensatz zu Hendrich ist Knaak beidfüßig und Wücks Vorstellung einer optimalen Innenverteidigung beinhaltet eine Linksfuß- und eine Rechtsfußspielerin. „Ich werde, egal welche Rolle ich hier haben werde, diese zu 100 Prozent ausfüllen. Ich möchte, dass wir als Mannschaft erfolgreich sind und da erwarte ich von jeder Einzelnen, aber auch von mir selbst, dass ich 100 Prozent gebe“, sagte Hendrich.

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Länderspiele hat Janina Minge erst hinter sich und ist trotzdem zur stellvertretenden Kapitänin ernannt worden.

Viele dürfte die neue Rolle von Janina Minge überrascht haben. Die Spielerin des VfL Wolfsburg hat erst 21 Länderspiele absolviert und war etwas überraschend Teil des Olympia-Teams im vergangenen Sommer. Nun ist die 26-Jährige Stellvertreterin von Kapitänin Giulia Gwinn und neben ihr Stammkraft in der Abwehrkette. „Bei Olympia war es für mich schon überraschend, dass ich so viel Spielzeit bekommen habe.“

Mittlerweile fühle sie sich aber voll integriert und nicht „komplett neu“. Dass Minge nun eine klare Führungsposition ausfüllen soll, sei etwas anderes und auch die veränderten Anforderungen seien ihr bewusst, dennoch genieße sie das entgegengebrachte Vertrauen.

Wück übertrug Gwinn zunächst nur für vier Spiele die Kapitänsbinde

Dass Gwinn und Minge das neue Duo der Spielführerinnen darstellen, war zu Beginn nicht klar. Wück übertrug Gwinn zunächst nur für vier Spiele das Amt der Kapitänin und wollte sich dort einen Eindruck verschaffen, wer neben ihr in der Lage ist, das Team zu führen und Verantwortung zu übernehmen. „Ich möchte die Spielerinnen neben dem Platz kennenlernen – sehen, wie sie sich in Besprechungen geben, ob sie das Wort ergreifen“, sagte der Trainer damals.

Schließlich übertrug er den beiden im Februar auch ganz offiziell die Ämter. Derzeit befindet sich der 52-Jährige aber immer noch mitten im Prozess, abseits der Kapitäninnenfrage ein Grundgerüst an Spielerinnen zu etablieren, die vorweg gehen. Beim ersten der zwei Vorbereitungslehrgänge scheinen die wichtigsten Rollen bereits verteilt, aber eben noch nicht alle.

Das soll nicht so bleiben. Denn im Nachgang der enttäuschenden Weltmeisterschaft 2023 wurde deutlich kritisiert, dass es unter der damaligen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg an klarer Kommunikation und Rollenverständnis im Team gemangelt habe.

Um nicht den gleichen Fehler zu machen, dürfte Wück spätestens den finalen Lehrgang vor dem Turnier nutzen, um auch die letzten offenen Rollen zu verteilen. Damit alle mit dem EM-Start Bescheid wissen, was von ihnen erwartet wird und was nicht.

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