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Michael Jung und Chipmunk waren eine Klasse für sich.

© IMAGO/ABACAPRESS

Olympiasieger Michael Jung wird zu Gold getragen: „Chipmunk hat mich gerettet“

Vielseitigkeitsreiter Michael Jung gewinnt mit seinem Pferd Chipmunk Gold für Deutschland in Paris. Der Reiter gibt zu, nicht in Bestform gewesen zu sein. Sein Pferd war es dagegen. 

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Nach dem Triumph war er genauso kontrolliert wie zuvor. Michael Jung trug adrett seinen Reithelm und seine Reiterkleidung, als er in der sengenden Hitze in den Gärten des Schlosses Versailles seine ersten Statements abgab. Er bedankte sich bei seinem Pferd, Chipmunk, und bei all den Leuten, die ihn unterstützen in einer sportlichen Karriere, die ohne jede Übertreibung phänomenal ist.

Als Außenstehender hätte ihm manch einer vielleicht auf die Schulter klopfen wollen und sagen: Mensch, brüll doch mal deine Freude heraus. Doch so jemand ist Michael Jung nicht. „Ich war in den Tagen von Paris so konzentriert, dass ich das erstmal sacken lassen muss, damit ich es realisieren kann“, sagte er. „Aber klar: Das ist schon phänomenal.“

Jung gewann mit seinem Pferd, einem Hannoveraner Wallach, am Montag in der Einzelkonkurrenz des Vielseitigkeitsreitens seine vierte Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Der 41-Jährige setzte sich mit 21,8 Strafpunkten vor dem Australier Christopher Burton mit Shadow Man (22,4) und der Britin Laura Collett mit London (23,1) durch.

Er ist ein Pferdemensch durch und durch“

Peter Thomsen, Bundestrainer

Er war der große Favorit. Jung gilt als der Weltbeste in seiner Disziplin, der Druck war immens. Doch damit kann Jung umgehen. In der Reiterszene würden sie ihn Terminator nennen, sagte der Bundestrainer Peter Thomsen später. „Und nun ja: Ich kann das nur bestätigen.“ Jung sei weltklasse, ein kompletter Reiter: „Ein Pferdemensch durch und durch.“ Und einer, der nichts dem Zufall überlasse.

„Er war bei der Physiotherapeutin, er hat das Pferd gepflegt, er ist den Parcours abgegangen, er hat sich die anderen Reiter angesehen – er ist das ganze Tableau der Vorbereitung abgegangen“, erzählte Thomsen.

Ein Selbstläufer war die Goldmedaille für Jung dennoch nicht. Im ersten Durchgang hatte er gepatzt und vier Strafpunkte kassiert. „Da wollte er die Spannung wohl hochhalten“, sagte Thomsen. Am Mittag aber blieb er cool – bei einer Kulisse, die schöner nicht sein kann.

Herrliche Gärten, wunderschöne Brunnen und ganz hinten lugt das Schloss Versailles bei diesen Wettkämpfen hervor. Ob Michael Jung das Panorama überhaupt wahrnahm. Vermutlich nicht.

Die Besten transportieren sich gedanklich in einen Tunnel. Jung kann das wie kaum ein anderer. Die Frage im Reitsport ist meist: Wie gut kann sich das Pferd fokussieren? Und Chipmunk lieferte, spielen leicht übersprang er im abschließenden Springen die Hindernisse auf dem 370 Meter langen Parcours in den Gärten des Schlosses.

Dabei hatte Jung Probleme, wie er später zugab. „Heute habe ich nicht alles ideal erwischt“, erzählte er. „Aber Chipmunk kennt mich, er hat die Situation bravourös gemeistert und mich gerettet.“ Überhaupt Chipmunk. „Unglaublich, was der für eine Kraft und für eine Ruhe hatte heute.“   

Chipmunk und Jung, die beiden waren das perfekte Paar in diesen Tagen von Paris. Die Führenden nach der Dressur und dem Geländeritt gingen als Letzte an den Start beim abschließenden Springen.

Schon nach wenigen Minuten des Wettkampfs war klar, dass es wohl gut ausgehen könnte für sie. Die Konkurrenten meisterten den Parcours meist fehlerfrei. Auch die Deutsche Julia Krajewski auf Nickel 21 schaffte das. Der Parcours schien Reiter und Pferde zumindest nicht zu überfordern.

„Silence“, sagte der Stadionsprecher, als Jung und Chipmunk dran waren. Und die 16.000 Zuschauer auf den Tribünen waren mucksmäuschenstill. Anmutig bewältigte Chipmunk den Parcours, er schien fast über die Hürden zu fliegen. Als es vorbei war, brandete lauter Jubel auf. Und vielleicht haben die beiden danach kurz in die Ferne geblickt und den Erfolg noch ein bisschen mehr genießen können als ohnehin schon.

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