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Kaum mit einer Teilnahme an den Paralympics gerechnet, scheiterte Flora Kliem im Achtelfinale von Paris denkbar knapp.

© REUTERS/MARIA ABRANCHES

Para-Bogenschützin Kliem scheidet aus: Durch den Monsun

Kaum mit einer Teilnahme an den Paralympics gerechnet, verpasste Flora Kliem das Viertelfinale in Paris denkbar knapp. Liebeserklärung von den Rängen inklusive.

Von Anna Höhne

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Es regnete. Und zwar so sehr, dass das Dach des Pariser Invalidendoms kaum zu sehen war, als Flora Kliem, die einzige deutsche Bogenschützin, die sich für die Paralympics in Paris qualifiziert hatte, am Dienstag das Feld betrat. Mit pinkem Fischerhut auf dem Kopf und zu den Klängen von Tokio Hotels „Durch den Monsun“ grinste die Athletin, dessen Oberschenkelamputation gerade mal eineinhalb Jahre her ist, in die Stadionkamera. Am Ende des Tages belegte die 26-jährige Berlinerin den neunten Platz.

Bei der Qualifikation im Einzel Recurve-Wettbewerb am vergangenen Donnerstag hatte Kliem einen soliden elften Rang belegt, durfte mit dem Ergebnis allerdings nicht sofort ins Achtelfinale weiterziehen. Zunächst musste sie am Dienstag in die Zwischenrunde und traf dort auf die Peruanerin Daniela Cecilia Campos Marzano. Die Weltranglistensechste verschenkte über die 70 Meter lange Distanz zur Zielscheibe allerdings zu viele ihrer Schüsse, was Kliem für sich nutzen konnte. Mit 6:2 ging die Deutsche als klare Gewinnerin aus dem Match heraus.

Eine knappe halbe Stunde später stand bereits das Achtelfinale an. Mittlerweile hatte der Regen etwas nachgelassen und die Stimmung auf den Rängen machte den bedeckten Himmel wieder wett. Kliem traf auf die Slowenin Ziva Lavrinc. Und vor dem ersten Pfeil wurde es ruhig im Invalidenpark, um die Athletinnen nicht in ihrer Konzentration zu stören. Nur der „Ich liebe dich, Flora“-Ruf einer französischen Schulklasse schallte über das Feld und brachte alle zum Schmunzeln.

Ich feiere lieber mit Freunden eine Niederlage, als dass ich alleine eine Medaille bejubele.

Flora Kliem

Kliem ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und schoss mit 27 Ringen ein starkes erstes Set. Damit ließ sie Lavrinc zunächst hinter sich. In den nächsten beiden Durchgängen wurde die Slowenin jedoch sicherer und konnte die Runden mit jeweils nur einem Ring Abstand zu Kliem für sich entscheiden. Es war ein Wettstreit auf Augenhöhe, und das vierte Set konnte erneut die angehende Grundschullehrerin Kliem gewinnen, ebenfalls mit nur einem Punkt Vorsprung. Nun kam es auf die nächste Runde an.

Die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben

Lavrinc legte vor, etwas schwächer als in den vorigen Runden – Kliems Sieg schien nun greifbar. Ihr letzter Pfeil sollte entscheiden, wie das Achtelfinale endet. Die in Göttingen lebende Kliem atmete tief durch und die 30 Sekunden, die sie Zeit hat, um den Pfeil loszulassen, waren beinahe verstrichen, als er auf der Scheibe landete. Doch Kliem traf nur den 5. Ring und blieb damit einen Punkt hinter der Slowenin zurück, die am Ende mit 19:18 ins Viertelfinale einzog.

Die Enttäuschung stand Flora Kliem, die zum ersten Mal bei paralympischen Spielen dabei ist, ins Gesicht geschrieben. Ihrer Konkurrentin und dessen Trainerin gratulierte sie herzlich direkt nach der Entscheidung – die Bogensport-Welt sei klein, man kenne sich und sei gut befreundet, sagte Kliem anschließend.

Trotz der knappen Niederlage konnte sie ihrem Wettkampf auch etwas Positives abgewinnen: „Ich freue mich, dass ich trotzdem zeigen konnte, was ich kann.“ Die 27 Ringe aus dem ersten Durchgang des Achtelfinals seien „beispielsweise eine super Leistung“ und eine enorme Steigerung zu ihrem ersten Match. Sie müsse nur noch lernen, ihre Aufregung ein wenig mehr in den Griff zu bekommen. „Ich habe die Nerven verloren am Ende, weil ich ja auch wusste, welche Ringzahl ich brauche – und da hatte ich kurz vorm letzten Pfeil ein kleines Angstzucken“, gab Kliem zu.

Ganz wegschieben ließe sich die Enttäuschung aber natürlich nicht. Vor allem der „verflixte“ neunte Platz ärgerte die Sportlerin, denn bei vielen Wettkämpfen im Vorfeld der Spiele hatte sie fast immer Platz neun belegt – und sich für die Paralympics mindestens Platz acht vorgenommen. „Die Enttäuschung ist natürlich schon da, einfach weil es so knapp war. Ein Pfeil hätte einfach besser landen müssen“, sagte Kliem: „Trotzdem muss man sich für Platz neun in der Welt nicht schämen. Ich habe heute ein Match gegen die Weltranglistensechste gewonnen und muss mich nicht verstecken.“

Von der Stimmung während der Paralympics hat sich Kliem ebenfalls anstecken lassen. Die Kulisse der Wettkämpfe sei wunderschön und sie habe in der letzten Zeit wahnsinnig viel Unterstützung erfahren, wofür sie sehr dankbar sei: „Ich feiere lieber mit Freunden eine Niederlage, als dass ich alleine eine Medaille bejubele.“ Alleine die Erfahrung der Teilnahme bei den Paralympischen Spielen werde sie weiter nach vorne bringen. Flora Kliem wisse jetzt, worauf sie sich einlasse und stellte die wichtigste Frage selbst: „Wenn ich mich schon in einer halben Stunde so deutlich steigern kann, was ist dann erst in vier Jahren möglich?“

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