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Der Deutsche Ronny Ziesmer beim Keulenweitwurf.

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Para-Leichtathletik: Ronny Ziesmer kämpft für seinen Traum

Ronny Ziesmer will im Keulenwurf nach Tokio. Am Mittwoch verpasst er seine Bestweite nur um wenige Zentimeter.

Von Benjamin Apitius

Ronny Ziesmer hebt vor seinem Auftritt als Keulenwerfer den Arm und winkt ins Publikum. Hinter der Wettkampfstätte im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark haben sich am Mittwochabend etwa 100 Menschen auf der Tribüne versammelt, einige von ihnen sind seinetwegen da. Der 39-Jährige feiert bei den Europameisterschaften der Para-Leichtathleten in dieser Woche in Berlin sein Debüt auf internationaler Ebene. Und wer hätte das mal für möglich gehalten? Nach einem schweren Trainingssturz kurz vor den Olympischen Spielen 2004 in Athen hatte sich der damalige Weltklasse-Turner schwer verletzt. Nach einem Überschlag mit anschließendem Rückwärtssalto schlug Ziesmer mit dem Nacken auf und brach sich das Rückgrat. Eine schwere Form der Querschnittlähmung, nichts ging mehr. Ziesmer musste in den Rollstuhl, vom Sport weg brachte ihn dieser Umstand aber nicht.

Bereits am Dienstag ging Ziesmer bei der EM in seinem Rennrollstuhl an den Start. Über die 100 Meter rollte er zwar als Letzter ins Ziel, doch seinen Fokus legt er sowieso schon länger auf den Keulenweitwurf – eine Disziplin für Sportler, die wegen ihrer Behinderung keinen Diskus oder Speer greifen können. Ziesmer sieht hier für sich die besten Möglichkeiten, sich den Traum einer Teilnahme bei den Paralympics 2020 in Tokio zu erfüllen.

Am Mittwoch beginnt der Wettkampf mit einiger Verzögerung. Ziesmer soll als zweiter Werfer in den Ring rollen, doch bei der Befestigung des Rollstuhls seines Kollegen gibt es Probleme. Immer wieder werden die Spanngurte gelöst, Ziesmer steht abseits seiner Konkurrenten und schaut die Tribüne hinauf. Er hebt die Schultern, bedeutet seinen Unterstützern Ungeduld, dann wirft er seinen Kopf in den Nacken und schaut gen Himmel.

Zwölf Medaillen am dritten Wettkampftag

Die Wartezeit hätte schlimmer ausfallen können. Bei den parallel ausgetragenen Disziplinen gibt es für den Deutschen Behindertensportverband in kürzester Zeit einige Medaillen. Insgesamt werden es am dritten Wettkampftag mit den Europameistertiteln von Nicole Nicoleitzik, Felix Streng und Johannes Floor jeweils über 200 Meter und Mathias Schulze im Kugelstoßen gleich vier Goldmedaillen. Hinzu kommen vier Silberne und vier Mal Bronze.

Als Ronny Ziesmer endlich den Ring betritt und festgeschnallt wird, hallt ein lautes „Rooonnniiieee“ durch den Sportpark. Der Cottbuser selbst stemmt sich in seinem Rollstuhl noch einmal hoch und rückt seinen Körper in die richtige Position. Dann wird ihm die 400 Gramm schwere Holzkeule in den Schoß gelegt. Ziesmer klemmt sie sich in die linke Hand, streckt den Arm nach vorne aus, verharrt für einen Moment in dieser Position, lässt den Arm nach unten fallen und schleudert die Keule schließlich mit einem weiten Schwung auf den Rasen.

Ziesmer hat erst vor einem Jahr mit dem Training begonnen, den Wettkampf in Berlin sieht er als Trainingseinheit. Nach sechs Würfen wird er abgeschnallt und steuert mit seinem Rollstuhl in Richtung Tribüne. Er zuckt mit den Schultern: „Ich weiß gar nicht, wie weit das war“, ruft er. Ein Kampfrichter gibt ihm Auskunft. „Vierundzwanzigsechs“, ruft Ziesmer. Er bleibt 26 Zentimeter unter seiner Bestweite. Für eine Medaille reicht es nicht. Unglücklich wirkt er an diesem Abend aber nicht.

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