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Heidemarie Dresing wird Vierte beim Reitsportauftakt im Schlosspark von Versailles. 

© IMAGO/Mika Volkmann

Para-Reiterin Heidemarie Dresing: „Die Pferde sind keine Maschinen“

Heidemarie Dresing denkt als älteste Teilnehmerin der Paralympics in Paris noch lange nicht ans Aufhören. Zum Reitsportauftakt im Schlosspark von Versailles verpasste sie die Medaillen knapp.

Von Carla Vitón Tamayo

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Ihre Liebe zum Pferdesport beschreibt Heidemarie Dresing so: „Das ist wie ein Virus, der in einem sitzt“, sagte die mit 69 Jahren älteste Teilnehmerin der Paralympics in Paris: „Dann kann man das einfach nicht mehr lassen.“

Dresing, die erst vor acht Jahren vom Para-Sport erfuhr, feierte ihr Paralympics-Debüt 2021 bei den Sommerspielen in Tokio. Dort startete sie mit der Stute La Boum und belegte in der Einzelwertung und Kür den vierten Platz, in der Mannschaftsaufgabe den siebten.

La Boum wurde mittlerweile in die Zucht verabschiedet. Seit einem Jahr reitet Dresing nun den Wallach Horse24 Dooloop, mit dem sie dieses Jahr im Schlosspark von Versailles startet. Liebe auf den ersten Blick war es zwischen den beiden zwar nicht, da „Dooly“ nicht der Pferdetyp war, den sie eigentlich suchte. Mittlerweile sind die beiden jedoch ein eingespieltes Team und konnten sich national schon einige Titel sichern.

Mit dem Pferdevirus infizierte sich die Reiterin aus Rheda-Wiedenbrück im Alter von acht Jahren, damals noch auf dem Ponyhof mit ihrer Oma. Im Regelsport war sie sowohl in der Dressur als auch im Springen erfolgreich unterwegs. Später ging sie zudem in die Pferdezucht und Ausbildung, bei der sie neben dem Beruf als Architektin über 120 Pferde trainierte.

Medaillen sind drin. Auf jeden Fall.

Heidemarie Dresing vor Paris 2024

Für Dresing ist die korrekte Kommunikation mit dem Pferd von großer Bedeutung. „Ich spreche viel mit meinem Pferd“, erzählt sie. Für jede Aufgabe hat sie ein Kommando – so reagiert Dooloop auf jede kleine Hilfe und trabt an, wenn sie schnalzt. „Das ist auch das, was ich anprangere: dass man nicht mit seinem Pferd spricht, dass man nur die Sporen oder die Gerte nimmt.“

Dresing, die 2011 mit Multiple Sklerose diagnostiziert wurde, reitet vorrangig mit dem rechten Bein und dem Kreuz, da sie ihr linkes Bein schlecht kontrollieren kann. Auch Schwindelanfälle und ungerades Sitzen muss ihr Pferd ausgleichen können. „Die körperliche Wahrnehmung spielt daher eine große Rolle“, sagt sie.

Heidemarie Dresing tritt in Grade 2 an, in dem nur kleine Lektionen geritten werden. „Trotzdem muss ich an so vieles denken.“ Nicht nur die Aufgaben, sondern auch auf sich selbst und das Pferd muss geachtet werden. „Also das ist schon im Kopf anstrengend – das ist Grand-Prix“, sagt sie.

Ihr Wallach mit dem Spitznamen Dooly, der auch im Regelsport Grand Prix gegangen ist, beherrscht auch die ganz hohen Lektionen. Doch je höher der Ausbildungsgrad ist, desto mehr Knöpfe hat das Pferd. „Als ich bei der Europameisterschaft zur Siegerehrung rausgeritten bin, hat der Dooly eine großartige Piaffe gezeigt. Er hat es einfach von allein gemacht, ich konnte das auch nicht abstellen – der wollte zeigen, was er kann“, erzählt die Athletin schmunzelnd.

So möchten Dresing und ihr Pferd dieses Jahr überzeugen. Dabei kommt es jedoch nicht nur auf die Leistung der beiden an, sondern auch auf die der anderen drei Paare. „Das Reiter-Team von Deutschland ist so gut aufgestellt wie lange nicht mehr“, sagt sie. Unterstützt wird das Team dabei seit 2023 von der rheinischen Grand-Prix-Reiterin Silke Fütterer-Sommer, die als Bundestrainerin in die Fußstapfen von Bernhard Fliegel trat. „Sie ist sehr engagiert und ehrgeizig. Das ist schon etwas ganz anderes als davor, ich erkenne jetzt schon eine Steigerung.“

Dies zeigte sich bereits bei der EM im vergangenen Jahr, als das Team den zweiten Platz in der Mannschaftsaufgabe holen konnte. Heidemarie Dresing sicherte sich sogar den ersten Platz in der Einzelaufgabe und Kür und hob somit bedeutsam die Erwartungen für ihren Start in Paris.  

Und mit welcher Erwartung blickt die Athletin auf die Spiele? „Medaillen sind drin. Auf jeden Fall.“ Planbar sei jedoch nichts – vor allem nicht, wenn der Teampartner ein Pferd ist. „Es sind keine Maschinen. Da kann sich ein Pferd erschrecken, man verliert sofort Punkte und dann sieht es schon ganz anders aus“, sagt Dresing.

Zum Auftakt wird Dresing Vierte

Die Reiterin ist eine Favoritin für Gold, dies hält sie selber auch für erreichbar. Zufrieden ist sie aber auch, wenn sie „mitmachen und dann auf dem Treppchen stehen“ darf. Zum Auftakt der Dressur-Wettbewerbe am Dienstag verpasste sie eine Platzierung unter den besten drei denkbar knapp. Dresing eröffnete die Prüfung und landete mit Dooloop auf dem vierten Rang. Auf Bronze fehlten 0,311 Prozentpunkte.

Dooloop war nervös und gegen Ende der Prüfung galoppierte der Wallach an, statt zu traben – ein teurer Fehler, der dem Paar nötige Punkte raubte. Als größte Konkurrenz hatte Dresing zuvor die USA genannt – diese Einschätzung bewahrheitete sich direkt bei dem ersten Wettkampf: Die 25 Jahre alte Reiterin Fiona Howard war Deutschland ganze drei Punkte voraus und holte somit die Goldmedaille. Auf den zweiten Platz kämpfte sich Dänemark, dicht gefolgt von Großbritannien.

Doch noch hat Heidemarie Dresing weitere Chancen auf eine Medaille. Bereits am Freitag in der Teamwertung und am Samstag in der Kür kann sie sich erneut gegen die Konkurrenz beweisen. An ein Karriereende denkt die 69-Jährige auch nach diesen Paralympics noch lange nicht. In ihrer achtjährigen Stute Poesie sieht sie bereits ein Nachwuchspferd für die Spiele 2032 in Brisbane.

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