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Kalt war es beim Debüt von Stefan Leitl - und schön.

© imago/Matthias Koch/IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Passt Stefan Leitl zu Hertha BSC?: Ein nüchterner Bayer für den Chaos-Klub

Hertha hat einen Wunsch: Kontinuität. Erfüllen soll ihn Stefan Leitl. Doch seine Spielidee könnte das Berliner Publikum auch verschrecken.

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In den vergangenen dreizehn Jahren hat sich die Welt verändert. Sie steht ein wenig in Flammen, und Krisen drücken aufs Gemüt. Immerhin: Wenigstens bei Hertha BSC ist alles beim Alten geblieben. Der Klub aus dem tiefen Westen Berlins taumelt wie eh und je.

Am Dienstag stellte der Traditionsverein, der es sich allmählich in der Zweiten Liga gemütlich gemacht hat, bei einer Pressekonferenz offiziell seinen 14. Trainer seit 2012 vor: Stefan Leitl.

Bei dem einen oder anderen Zaungast dürfte Leitls erster Auftritt Erinnerungen geweckt haben. Fast genau auf den Tag vor dreizehn Jahren wurde ein gewisser Otto Rehhagel – damals 73 Jahre alt und den weltlichen Dingen entwachsen – als Hertha-Trainer präsentiert. Er sollte die Berliner vor dem Abstieg retten.

Nach einem Blitzlichtgewitter rief Rehhagel den Fotografen zu: „Kommt, Jungs, is’ gut jetzt, haut ab.“ Sein Motto für den Aufschwung lautete: „Attack, attack, go!“ Anschließend streichelte er ausgiebig den Hund eines anwesenden Journalisten. Es war ein legendärer Auftritt. Mit diesem Trainer, so dachten viele, konnte nichts schiefgehen. Am Ende stieg Hertha ab.

Gemessen an Rehhagels Inszenierung fiel die Vorstellung von Stefan Leitl ausgesprochen unprätentiös aus – wenig überraschend. Der gebürtige Münchner gilt als grundsolider, bodenständiger Typ. Große Sprüche sind seine Sache nicht. Doch genau diese Eigenschaften werfen die Frage auf: Passt so jemand zu einem Chaos-Klub wie Hertha BSC?

Am Dienstag leitete der 47-Jährige bei klirrender Kälte und herrlichem Sonnenschein erstmals das Training. Die Einheit machte den Eindruck, als seien sich die Spieler der ersten Begutachtung des neuen Gespanns an der Seitenlinie bewusst. Es wurde gerannt, gekämpft und geschrien. Es war Zug drin, wie es im Sportlerjargon heißt.

Leitls Spielphilosophie beinhaltet viel Ballbesitz

Von einem drohenden Abstieg wollte Leitl später auf der Pressekonferenz nicht sprechen. „Es geht darum, dass wir Punkte holen. Wir wollen wieder erfolgreich sein.“ Möglich machen will er das mit einer Spielphilosophie, „die über Ballbesitz kommen möchte“.

Der Kaiserdamm ist genauso lang wie früher, das Olympiastadion genauso groß wie früher.

Andre Mijatovic, Co-Trainer von Stefan Leitl und ehemaliger Kapitän von Hertha BSC

Neben Leitl stellte sich am Dienstag auch Andre Mijatovic vor – ein alter Bekannter bei Hertha. Der 45-Jährige spielte von 2010 bis 2012 für die Berliner und fungiert nun als Co-Trainer. „Der Kaiserdamm ist genauso lang wie früher, das Olympiastadion genauso groß wie früher“, befand er. Und Hertha? Genauso erfolglos wie in den vergangenen dreizehn Jahren?

Sportdirektor Benjamin Weber will dem Verein endlich mehr Kontinuität verleihen, wie er betonte. Ein Ziel, das Hertha seit vielen, vielen Jahren verfolgt – bislang erfolglos.

Schlimmer noch: Der Klub machte aus Gold Unrat. Der Geldregen durch Investor Lars Windhorst inmitten der Corona-Krise wurde beispiellos verschleudert. Und selbst der für Zweitligaverhältnisse immer noch überdurchschnittliche Kader schafft es bereits in der zweiten Saison nicht, auch nur in die Nähe der Aufstiegsränge zu kommen.

Mit Leitl hoffen die Verantwortlichen auf eine Trendwende. Tatsächlich steht der Bayer für Solidität – und Erfolg. 2021 stieg er mit Greuther Fürth in die Bundesliga auf. Seine Grundordnung sieht meist zwei Stürmer vor, dahinter ist er flexibel; jedoch legt Leitl Wert auf ein dicht besetztes Zentrum. Er bevorzugt entweder ein 5-3-2 oder ein 4-4-2 mit Raute. Sein System lässt nur wenige Gegentore zu, wirkt auf der anderen Seite jedoch manchmal statisch und einfallslos.

Ist er der Mann, der Hertha wieder aufleben lässt? Was dafür spricht: Der Klub ist gut darin, genau das zu tun, was niemand von ihm erwartet. Nach Jahren der Tristesse, aus der die Berliner nicht mehr herauszukommen scheinen, wäre es nur logisch, wenn ausgerechnet ein nüchterner Bayer sie wieder in die Spur bringt.

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