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Tränen der Freude? Nicht nur, Pep Guardiola weinte wohl auch, weil das Kapitel FC Bayern mit dem Pokalsieg für ihn beendet ist.

© dpa

Nach dem DFB-Pokalfinale: Pep Guardiola kann auch große Gefühle

Oft hatte sich Pep Guardiola anhören müssen, er sei zu distanziert. Nach dem Triumph im Pokalfinale zeigte der scheidende Bayern-Trainer ein ganz anderes Gesicht.

Pep Guardiola zog immer wieder seinen Pulli über die Hose, zuppelte seinen zerwühlten Hemdkragen zurecht. Es war fast rührend mitanzusehen, wie der Trainer des FC Bayern München versuchte, im Jubelreigen um sich herum Fassung zu bewahren. Zu verheult waren die Augen des sonst so kühlen Katalanen, als dass ihm jemand abgenommen hätte, dass er nicht gerührt war von diesem emotionalen Abschied samt Pokalgewinn.

Kaum dass Douglas Costa den entscheidenden Treffer im Elfmeterschießen gelandet, sein Trikot abgestreift und damit sprintend gewedelt hatte, ohne Gelb zu kassieren – das Spiel war ja vorbei–, da vergrub Guardiola sein Gesicht in den Händen, sank auf die Knie und weinte bitterlich. Drei titelreiche, aber auch zehrende Münchner Jahre entluden sich mit heftiger Wucht. Siehe da: Josep Guardiola i Sala, geboren 1971 in Santpedor, Spanien, er ist doch ein Mensch. „Diese Erfahrung bleibt immer in meinem Herzen“, sagte Guardiola, dem man zum ersten Mal anmerkte, dass er sich sich wirklich verabschiedet Richtung Manchester.

Oft hatte er sich anhören müssen, er sei zu distanziert, zu wenig empathisch und könne Menschen nicht in die Augen schauen. Gefühle zeige er nur beim Toben an der Seitenlinie, aber nie davor oder danach, außer wenn er die medizinische Abteilung anschnauze. Nach seinem letzten Bundesligaspiel hatte Guardiola gedankenverloren am Mittelkreis gestanden, anstatt sich von den Fans zu verabschieden.

Nach dem Pokalsieg dann schubsten und winkten ihn alle im Bayern-Lager zur Ostkurve, wo die Fans „Danke Pep“-Plakate hochhielten. Noch einmal ließen die Spieler ihren Meistertrainer unter dem Jubel des Anhangs hochleben und Kapitän Philipp Lahm musste Guardiola regelrecht nötigen, den Pokal als Erster in den Lamettaregen zu stemmen. „Die Spieler werde ich am meisten vermissen“, erzählte Guardiola später. Ohnehin, das war zu sehen, ist das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer besser als oft spekuliert wurde. Die Profis hatten die öffentliche Kritik ohnehin selten nachvollziehen können. „Die letzten Monate waren nicht einfach“, sagte Guardiola.

Das zweite Double im dritten Bayern-Jahr, es war mehr als nur der Gewinn des drittwichtigsten Titel aus Münchner Weltsicht. Es war nach all der Kritik ob des dreimal verpassten Champions-League-Triumphes ein Happy End für Guardiola, das seine Ära noch zu Präsenzzeiten in ein verklärend-versöhnliches Licht wirft. Wieder einmal hatte er seinen Bewunderer Thomas Tuchel („Ich werde ihn vermissen“) ausgecoacht, zumindest bei der Wahl der Elfmeterschützen. „Ich mache mir Vorwürfe, die falsche Reihenfolge gewählt zu haben“, sagte Tuchel. Aber „wir mussten ja froh sein, dass wir fünf Schützen zusammengekommen haben“, sagte Mats Hummels, der als Schütze ausgefallen war, weil er nach 77 Minuten mit einem Krampf vom Platz musste.

Allen Dortmundern, die 120 Minuten meist hinterhergelaufen waren und mit Kampf Contra gegeben hatten, waren die Beine schwer. Anders als bei den Münchnern ist der BVB-Kader zu dünn, um die Belastungen einer langen Saison in einer letzten Verlängerung noch einmal abschütteln zu können. Auch wenn Spieler beider Seiten Krämpfe plagten, die Dortmunder schienen geplagter.

„Wenn alle kaputt sind, trägt jeder ein schlechtes Gefühl mit sich herum“, sagte Hummels. Und so versagten den Dortmundern die Nerven, obwohl sie auf die eigene Fankurve am Marathontor schießen durften. Wohl einer der Gründe, warum Hummels hoffen darf, ab Sommer mehr Titel mit dem FC Bayern zu gewinnen als das mit dem BVB möglich gewesen wäre. Obwohl zehntausende Borussen ohrenbetäubend pfiffen, verwandelten alle Bayern-Schützen mit der Routine des Dauersiegers – ausgenommen der naiv-übermütige Joshua Kimmich.

Und so gingen die Dortmunder titellos aus einer an sich historisch starken Saison. Geknickt schlichen die Dortmunder durch die Katakomben des Olympiastadions. Zumindest die, die sich nicht auf Hinterwegen in den Bus schlichen. „Es ist grausam“, sagte Julian Weigl.

„Ein Scheiß-Ende“, sagte Hummels, für den es „ein komisches Gefühl“ war, von den eigenen Fans bei der Auswechslung ausgepfiffen zu werden. Er deutete an, die letzten Wochen mit dem Wechseltheater hätten viel Kraft gekostet. So viel, das irgendwann „Schicht in der Wade“ war, wie der Kapitän sagte. Um dann seinem Trainer zu widersprechen, der sagte, Hummels habe um eine Auswechslung gebeten. Das habe Tuchel vielleicht so interpretiert, sagte sein Abwehrchef. Aber das die Saison auch in Dortmund ungewohnte Emotionen freisetzte, zeigte die schnippische Aussage von Tuchel zu Hummels’ Leistung: „Er kann mehr.“ Hummels sprach von einer „durchschnittlichen Leistung“ und schlich davon, einer Zukunft mit mehr Titeln und weniger Kritik entgegen.

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