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Pfiffe, Druck, Visionen: Schwieriger Einstand von Nicolej Krickau bei den Füchsen
Der neue Trainer und Sportvorstand des Deutschen Handball-Meisters hat es in Berlin alles andere als leicht. Doch Krickau sieht im plötzlichen Umbruch seine Chance, langfristig Strukturen zu formen und Titel zu gewinnen.
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Wirklich angekommen ist Nicolej Krickau noch nicht in Berlin. Dafür hatte er auch kaum Zeit. Erst zwei Wochen ist es her, dass die Füchse die Handballwelt mit der Freistellung von Trainer Jaron Siewert und Sportvorstand Stefan Kretzschmar in Aufruhr versetzten.
Krickau ist gekommen, um beide zu ersetzen – quasi über Nacht. Nun wohnt er im Hotel, kennt bisher eigentlich nur den Weg vom Ku’damm zum Sportforum Hohenschönhausen. Aber das sei okay: „Mehr als meinen Computer und die Mannschaft brauche ich im Moment nicht“, sagt er.
Auch für Krickaus Familie ging alles sehr schnell. Seine Frau ist mit den drei Kindern (elf, neun und vier Jahre alt) erst einmal in Flensburg geblieben, wo der 38-Jährige zuletzt die SG coachte. Sie werden nach Berlin kommen, sobald eine Wohnung gefunden ist und etwas Ruhe einkehrt – vielleicht im Januar. Bis dahin bleiben Besuche selten. „Das ist eine Priorität, die wir als Familie von Anfang an gemacht haben. Aber klar vermisse ich die Kinder“, so Krickau.
Allerdings fühlt sich der Däne in Berlin genau richtig. „Für mich gab es vier, fünf Vereine in der Welt, bei denen ich wusste: Wenn das eine Möglichkeit wird, habe ich keinen Zweifel. Einer davon waren die Füchse.“ Das Angebot anzunehmen fiel ihm trotz aller Widrigkeiten leicht. Doch der Start war holprig.
Krickau möchte Spielidee verfeinern
Sportlich hat er kaum Zeit zum Durchatmen. Schon zwei Bundesliga-Niederlagen kassierten die Füchse mit ihm an der Seitenlinie – gegen Magdeburg (32:39) und in Gummersbach (34:29). Krickau übernimmt eine Mannschaft, die gerade Deutscher Meister geworden ist, im Champions-League-Finale stand und die nun Antworten braucht nach dem plötzlichen Umbruch. „Wir haben mit Jaron Kontinuität verloren, das kostet kurzfristig etwas. Aber ich habe im Gefühl, dass alle bereit sind, weiterzuarbeiten“, schätzt er die Lage ein.
Ich bin jetzt eine strategische Schlüsselperson.
Nicolej Krickau, Trainer der Füchse Berlin
Er sei für langfristige Ziele geholt worden. „Ich bin jetzt eine strategische Schlüsselperson“, sagt Krickau. „Der erste Job wird es, die Mannschaft kennenzulernen, sodass wir Spiele gewinnen. Aber insgesamt ist die Strategie ganz entscheidend.“
Er plant keinen radikalen Bruch, seine Spielidee wäre der bisherigen sehr ähnlich. Vielmehr wolle er das Team in Nuancen weiterentwickeln: „Wenn man Titel gewonnen hat, dann braucht man individuelle Stimulanz“, meint Krickau. „Man muss identifizieren, woher Hunger und Drive der Spieler kommen.“
Ehemaliger Jugendtrainer von Mathias Gidsel
Hier will Krickau ansetzen, indem er Spieler individuell motiviert und weiterentwickelt. Dazu zählt auch, Welthandballer Mathias Gidsel zu entlasten. „Ich habe das Gefühl, dass vieles auf ihm liegt“, beschreibt der Trainer. „Als bester Spieler der Welt muss er natürlich Verantwortung übernehmen. Aber im Alltag will ich Druck von ihm nehmen – nicht auf dem Spielfeld, sondern daneben.“
Beide kennen sich seit der gemeinsamen Zeit bei GOG Håndbold, wo Krickau Gidsels Jugendtrainer war. Ein ähnliches System möchte Krickau auch in Berlin weiter etablieren: Vom Nachwuchs bis zur Bundesliga soll alles ineinandergreifen. „Ich denke, dass ich da viel Erfahrung einbringen kann“, sagt er. In Berlin habe er die besten Voraussetzungen. Und die Position als Deutscher Meister ist ein Vorteil, wenn es um die Verpflichtung neuer Spieler geht. Eine Aufgabe, die Krickau als neuer Sportvorstand ebenfalls hat.
Große Herausforderungen liegen vor ihm – und eine weitere wird es sein, die Füchse-Fans zu überzeugen. Bei seinem Debüt im Fuchsbau gab es laute Pfiffe. Er hat Verständnis für die Reaktion, aber „ich bin kein Teil der Vergangenheit und war auch kein Teil der Entscheidung. Ich bin nur ein Teil von unserer Zukunft.“
Krickau wünscht sich, bald ein enges Verhältnis zum Publikum aufzubauen. „Am Ende lieben die Fans die Füchse und deswegen ist es meine größte Verantwortung, sicherzustellen, dass die Füchse bestehen. Nicht nur ein Jahr, sondern viele Jahre. Und das wird am Ende wichtiger sein als der Name auf dem Trainerposten.“ Am Donnerstag im Champions-League-Kracher gegen Aalborg (18.45 Uhr, Max-Schmeling-Halle) hat Krickau die nächste Chance, die Füchse-Fans von sich zu überzeugen.
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