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Pseudostrafe nach Peitschenhieben: Erst das Pferd, dann die Medaille? Von wegen!
Für den Weltreiterverband steht das Tierwohl angeblich an erster Stelle. Doch der Fall Dujardin zeigt, dass er vor allem von der Prominenz seiner Stars profitieren will. So geht es nicht weiter.

Stand:
Schon wieder eine Sperre im Reitsport. Schon wieder eine Strafe, die für die betroffene Sportlerin nicht wirklich schmerzhaft ist, weil in der Zeit keine wichtigen Wettbewerbe stattfinden. Und schon wieder die Frage: Meint der Sport es ernst mit seinen Prinzipien?
Offenbar nicht. Das zeigt der Fall Charlotte Dujardin. Die britische Dressurreiterin wurde in dieser Woche vom Reitsport-Weltverband (FEI) mit einer Sperre belegt. Bis Ende Juli darf sie an keinen nationalen und internationalen Wettbewerben teilnehmen. Der Grund: Dujardin hatte mit der Peitsche auf das Pferd einer Reitschülerin eingedroschen – mehr als 20 Mal in einer Minute.
Ein Video davon war in diesem Sommer, kurz vor den Olympischen Spielen in Paris, publik geworden. Der Verband sperrte Dujardin erst vorläufig, nun für ein gesamtes Jahr. Außerdem muss sie 10.000 Schweizer Franken Strafe zahlen – eine lächerliche Summe angesichts der Millionenbeträge, die Pferde in dieser Sportart Wert sind.
Dujardin ist bei weitem nicht die einzige, gegen die Vorwürfe der Tierquälerei vorliegen. Schon Wunderhengst Totilas wurde zum Erfolg gezwungen. Auch in den Ställen des dänischen Dressurreiters Andreas Helgstrand und des kolumbianisch-amerikanischen Dressurreiters Cesar Parra wurden Pferde misshandelt und gepeitscht. Wie lange will der Reitsport so weitermachen?
Das Pferdewohl soll an erster Stelle stehen
Insbesondere Dujardin galt lange als Vorbild für junge Reiterinnen: Zusammen mit ihrem Wallach Valegro holte sie dreimal olympisches Gold und zahlreiche andere Titel. Das Dream-Duo schien über jeden Zweifel erhaben, immer wieder hob die Britin die enge, emotionale Bindung zwischen Pferd und Reiterin hervor.
Dass ausgerechnet sie das Pferd einer Schülerin quält, schockiert die Reiterwelt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Spitzensportlerinnen es nur auf Wegen abseits der selbstgeschriebenen Regularien ganz nach oben schaffen – obwohl für den Weltverband angeblich das Wohl der Pferde an erster Stelle steht. So zumindest ist es im Verhaltenskodex festgeschrieben. Welche Bedeutung haben die Prinzipien und Regularien also noch?

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Allmählich erinnern die Zustände im Reitsport an vergangene Zeiten im Radsport. Bei der Tour de France stand Doping einst an der Tagesordnung, was dazu führte, dass Medaillen serienweise zurückgegeben werden musste. Das schadete der gesamten Sportart – und doch wurden die Rennen weiterhin von großen Sendern übertragen. Getreu dem Motto: The Show Must Go on.
Aber muss die Show wirklich weitergehen? Wäre nicht etwas Mut zur Nicht-Sensation, zum Nicht-nächsten-Rekord erstrebenswert?
Pferde können sich gegen Peitschen nicht wehren
Nach Vorfällen wie dem von Dujardin ist der Aufschrei groß, doch die Bilder und Videos geraten nur allzu schnell in Vergessenheit. Gerade im Reitsport muss nach mehr Verantwortungsgefühl verlangt werden, denn Pferde können sich gegen Peitschenhiebe nicht wehren; sie können keine Gewerkschaft gründen, um ihre Interessen vorzubringen; sie sind auf den Schutz ihrer Besitzer:innen angewiesen.
Der Dachverband und seine 136 nationalen Verbänden sollten die strukturellen Probleme endlich anerkennt und einen Systemwechsel einleitet. Nur so können Pferde vor dem Reiter und die Reiter vor sich selbst geschützt werden.
Doch das Tribunal der FEI, die höchste Rechtsinstanz des Weltverbandes, hat anders entschieden. Er lässt Dujardin bald wieder bei Wettbewerben antreten. All das lässt den Verdacht aufkommen, dass es dem Verband nur darum geht, seine Stars möglichst kratzerfrei durch die Strafen zu lavieren, um möglichst umfänglich von deren Prominenz und Sogwirkung aufs Publikum zu profitieren.
Wäre es ihm wirklich ernst mit einer Parole wie „erst das Pferd, dann die Medaille“ müssten Reiterinnen und Reiter, die sich gegen die Regularien der tiergerechten Ausbildung verstoßen, für alle Zeiten gesperrt werden. Denn sie wissen, was sie tun.
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