Sport: Romantik im Kaukasus
Klaus Toppmöller soll die Georgier zur WM 2010 führen und damit ihr Selbstbewusstsein stärken
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Wenn Klaus Toppmöller durch die Straßen von Tiflis läuft, applaudieren ihm die Passanten schon mal oder klopfen ihm auf die Schulter. „Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich der zweitwichtigste Mann im Staate bin“, sagt der 55 Jahre alte Trainer. „Die Leute verehren mich.“ Seitdem Toppmöller vor rund einem Jahr die georgische Nationalmannschaft als Trainer übernommen hat, hoffen die Menschen auf ein großes Ziel. „Die glauben alle, dass ich sie alleine zur Weltmeisterschaft führen kann“, sagt Toppmöller. Es würde den Stolz der Kaukasus-Nation befriedigen.
Toppmöller hat sich mit großem Eifer in seine neue Aufgabe gestürzt. Mehr als die Hälfte des Jahres verbringt er, unterstützt von einem deutschen Trainerteam, von seinem Assistenten Ralf Minge bis hin zu seinem Bruder und Nachwuchstrainer Heinz, in Georgien. Die Georgier danken ihm den Einsatz. Sie sehen ihm sogar nach, dass ihre Nationalelf mit der 1:2-Niederlage am vergangenen Samstag in Schottland schon deutlich früher als erwartet jegliche Chancen auf eine Qualifikation für die EM 2008 einbüßte.
Beim mühsamen 3:1 (2:0)-Sieg gegen die Färöer am Mittwoch verziehen sie ihm auch eine äußerst schwache Leistung. Während die Mannschaft um Bundesligaspieler Levan Kobiaschwili, der Schalke 04 möglicherweise aufgrund einer im Spiel erlittenen Verletzung in München fehlen wird, und dem zweifachen Torschützen und Freiburger Zweitligaspieler Alexander Iaschwili von den rund 10 000 Zuschauern gnadenlos ausgepfiffen wurde, bejubelten die Fans Toppmöller, als er einen ins Aus gerollten Ball elegant zu einem seiner Spieler zurückpasste. „Unser Trainer genießt einen großen Vertrauensvorschuss“, sagt Iaschwili. „Er macht den Menschen Mut, dass wir im Fußball schnell vorankommen können.“
Das wäre für eine junge Demokratie wie Georgien, noch immer von separatistischen Bewegungen in den Landesteilen Südossetien und Abchasien erschüttert und vom Nachbarn Russland des Öfteren durch Sanktionen gegängelt, ein wichtiges Signal. Der Volkssport Nummer eins vermittelt den Menschen das Gefühl, wirklich zu Europa zu gehören.
Nach dem Spiel am Mittwoch sagte Toppmöller: „Ich bin aufgrund meiner intensiven Vorbereitung auf unsere Spiele mittlerweile wohl der beste Experte für Mannschaften wie Färöer.“ Dabei schwang ein wenig Stolz in der Stimme mit. Stolz, der den Ruf als Fußballromantiker festigt. Für seine Aufgabe in Georgien wird der ehemalige Torjäger des 1. FC Kaiserslautern höchstwahrscheinlich seinen Ende des Jahres auslaufenden Vertrag bis zur WM 2010 verlängern und sich damit endgültig vom großen Klubfußball verabschieden.
„Wir wollen Klaus halten, weil wir fest daran glauben, dass er uns zu alter Stärke zurückführt“, sagt Nodar Akhalkatsi, Präsident des georgischen Fußball-Verbands. Akhalkatsi weiß genau, was das bedeutet. Sein Vater hat 1981 Dynamo Tiflis, zu Zeiten der Sowjetunion so etwas wie die georgische Ersatznationalmannschaft, zum Sieg im Europapokal der Pokalsieger gegen Carl Zeiss Jena geführt. Von einem ähnlichen Triumph träumen die Georgier auch heute wieder.
Daniel Meuren[Tiflis]
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