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Rückkehr von Unions Baumgart nach Köln: Die Romantik ist vergangen, die Erinnerung bleibt
Steffen Baumgart wurde in Köln gefeiert, weil er den FC emotionalisierte und die Stadt mitriss. Zwei Jahre nach seiner Entlassung stellt sich die Frage, was davon geblieben ist – und wie Kölner heute auf ihn blicken.
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Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Am 20. Dezember 2023 absolvierte Steffen Baumgart sein letztes Spiel als Cheftrainer des 1. FC Köln. Im Stadion an der Alten Försterei verloren die Geißböcke damals mit 0:2: Baumgart wurde am nächsten Tag entlassen. Und nun, exakt zwei Jahre später, kehrt er an diesem Sonnabend (15.30 Uhr, Sky) als Cheftrainer des 1. FC Union Berlin zurück nach Köln.
Am letzten Spieltag vor Weihnachten komme ein „emotionales Spiel“ auf seine Mannschaft zu, prognostizierte der Union-Trainer am Donnerstag. Das gilt insbesondere für ihn selbst. Denn während Kölner und Unioner generell wenig füreinander übrig haben, haben sie eines gemeinsam: eine Liebesbeziehung mit Steffen Baumgart.
Wenn Baumgarts lange Geschichte mit Union so etwas wie die perfekte Fußball-Ehe ist, dann war Köln seine heiße Affäre. Seine zweijährige Amtszeit in der Domstadt war nämlich wie alle guten Liebesgeschichten: kurz, stürmisch und zu einem tragischen Ende verdammt.
Er hat einfach wie Arsch auf Eimer zum FC gepasst.
Marc Merten, Journalist der Kölner Onlinezeitung „Geissblog“
Nach seiner Ankunft 2021 brachte Baumgart den FC zunächst mit berauschendem Angriffsfußball nach Europa. Knapp ein Jahr später brach alles zusammen. Im Winter 2023 verließ er einen Klub, der nur zehn Punkte aus den ersten 16 Spielen geholt hatte und unmittelbar vor dem Abstieg stand.
Vom Rausch des Anfangs ist trotzdem einiges in Erinnerung geblieben. „Steffen Baumgart hat es wie kaum ein anderer geschafft, diesen Klub nach einer wirklich schweren Zeit wieder anzuzünden, die Menschen zu begeistern, die Mannschaft auf ein anderes Niveau zu heben“, sagt etwa Marc Merten von der Onlinezeitung „Geissblog“. „Er hat einfach wie Arsch auf Eimer zum FC gepasst.“
Im Nachhinein ist das vielleicht komisch. Denn für viele passt Baumgart genauso gut zu Union. Zumindest nach dem eigenen Selbstverständnis gibt es kaum zwei Vereine in der Bundesliga, die so unterschiedlich sind wie das tief gefallene Real Madrid vom Rhein und der längst schon etablierte Emporkömmling aus dem Osten. Das lässt sich oft auch auf den Rängen hören, wo die Berliner fröhlich den Karneval beschimpfen und die Kölner „Wir hassen Ostdeutschland“ rufen.
Der Rostocker Baumgart hat aber beide Lager verzaubert. Für Merten lag das vor allem an seiner berühmten Emotionalität: „Er ist damals nicht als Trainer nach Köln gekommen, sondern als Mensch, der die Menschen und die Stadt mitreißen wollte.“ Egal, ob man aus Köln kam oder nicht, am Ende sei es darum gegangen, „das Umfeld und den FC zu begeistern und die Mannschaft menschlich so anzupacken“.
Baumgart fühlt sich in eine Schublade gesteckt
Womöglich ist das ein wichtiger Unterschied. Bei Vereinen wie Köln und Union, die sehr von ihrer eigenen Mythologie leben, sind Baumgarts Qualitäten als Menschenfänger wohl besonders gefragt. Von der Schiebermütze bis zum pinken Jecken-Kostüm wusste Baumgart immer, sich selbst ordentlich zu inszenieren. Doch bei aller Romantik und Emotionalität hat er sich vor expliziter Identitätspolitik eher gescheut.
Bei seiner Vorstellung bei Union vor einem Jahr wehrte sich Baumgart etwa gegen den Versuch, sein Verhältnis zu Union auf gemeinsame Ostigkeit zu reduzieren. Auch am Donnerstag beschwerte er sich – wenn auch in einem anderen Kontext – über den Hang der Fußballpresse zu Klischees: „Das ist in der heutigen Zeit so: Eine Schublade wird aufgemacht, da gehste rin und da bleibste drin.“
In Wirklichkeit ist alles flüssiger – und vor allem flüchtiger. Wie er selbst zugab, ist Baumgart nun ein anderer Trainer als zu Kölner Zeiten. Er ist taktisch konservativer geworden, beschäftigt sich weniger mit Kritik von außen. Und mit der Zeit ist die Liebe, die es einst für ihn in Köln gab, auch etwas abgeebbt.
Das chaotische Ende seiner Amtszeit, verbunden mit der fast zeitgleich angekündigten Transfersperre, war schließlich ein traumatisches Erlebnis für viele Kölner Fans. Auch, dass er nur ein paar Wochen später beim Hamburger SV anheuerte, habe bei einigen einen „faden Beigeschmack“ hinterlassen, sagt Merten. Und so erwartet er einen eher unruhigen Empfang für den Ex-Trainer am Sonnabend.
Baumgart freute sich am Donnerstag trotzdem auf die Rückkehr. Denn für ihn wird die Liebe zum FC nie ganz erlöschen. „Wenn du einmal da gearbeitet hast, diese Stadt und diesen Verein erlebt hast, dann macht das was mit dir, und das ist bleibend.“
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