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Skicross

© AFP

Skicross: Rutsch mit mir den Buckel runter!

Im Skicross geht es gemeinsam auf die Piste. Die Wettfahrten gegeneinander werden auch die Winterspiele in Vancouver bereichern. Ob dann auch deutsche Athleten dabei sind, ist noch offen.

Wenn Heli Herdt die Faszination seiner Sportart erklären will, beschreibt er einen Vorfall beim Weltcup in Innichen. „Da ist der Schwede über den Sprung drübergeflogen, der Kanadier überholt von hinten und berührt ihn wohl am Ellenbogen“, erklärt der Sportliche Leiter im Deutschen Skiverband der Abteilung Skicross. Mit der Folge, dass sich der Fahrer aus Schweden in der Luft um 180 Grad gedreht hat. „Bei der Landung ist er rückwärtsgefahren“, berichtet Heli Herdt, „dann hat er sich umgedreht – und ist einfach weitergefahren.“ Soll heißen: Im Skicross braucht man extrem gutes skifahrerisches Können.

Spätestens in fünf Wochen wird ein breiteres Publikum wissen, was es mit diesem Skicross auf sich hat. Dann werden in dieser Sportart, die in Europa erst seit 1999 existiert, zum ersten Mal olympische Medaillen vergeben. Ob auch deutsche Sportler in Vancouver bei den Rennen, bei denen jeweils vier Skifahrer auf einer Strecke gegeneinander antreten, dabei sein werden, entscheidet sich in den kommenden drei Weltcuprennen. Gegenwärtig haben Julia Manhard, Heidi Zacher, Simon Stickl, Andreas Schauer sowie der 41 Jahre alte Martin Fiala die nationale Olympia-Qualifikation zur Hälfte geschafft. Eine weitere Chance, sich für die Wettbewerbe in Vancouver zu qualifizieren, haben die deutschen Fahrer am Dienstag beim Weltcuprennen in St. Johann in Tirol.

Mathias Wölfl ist einer von ihnen. Der 25-Jährige fährt erst seit zwei Jahren Skicross, zuvor hat er bei den Alpinen alle Stufen der Leistungskader mitgemacht. Vier Weltcuprennen hat er schließlich in seiner Bilanz stehen. „Ich habe bei den Alpinen keine Perspektive mehr gesehen“, sagt er heute. Zwar riss er sich im letzten Jahr bei seinem ersten SkicrossRennen gleich das linke Kreuzband. Trotzdem sagt Mathias Wölfl: „Wenn ich früher gewusst hätte, dass Skicross so viel Spaß macht, wäre ich früher gewechselt.“ In dieser jungen Sportart kann er sich sogar noch für die Olympischen Spiele qualifizieren. „Am besten schon in St. Johann, die Strecke hier gefällt mir gut“, sagt er.

Der Deutsche Skiverband fördert Mathias Wölfl, indem er ihm eine Sportstelle als Polizeimeister bei der Bundespolizei gegeben hat. Ansonsten wendet der Verband nur das Nötigste für seine Skicrosser auf. „Das ist eine Sportart, die bei uns punktuell gefördert wird, mehr nicht“, sagt DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller. Insgesamt gibt der Verband für Skicross und Ski-Freestyle 200 000 Euro aus. „Das ist vergleichsweise wenig“, sagt Pfüller, „um so eine Sportart zu fördern, bräuchte man eine halbe Million, um die Leute abzusichern.“ Heli Herdt hofft, dass sich die Förderung durch aktuelle Erfolge im Weltcup und eine gute Platzierung bei den Olympischen Spielen verbessert.

Zurzeit gibt es 100 bis 150 Skicrosser in Deutschland. Oder Hunderttausende. „Jeder Skifahrer ist auch ein potenzieller Skicrosser“, sagt Heli Herdt. Seit 2001 richtet der Verband eine nationale Serie aus, der Sportliche Leiter will sie in den kommenden Jahren weiter ausbauen, um mehr Leute für seinen Sport zu begeistern. „Wir müssen das auf eine attraktivere Ebene bringen“, sagt Heli Herdt. Er denkt an Zuschauerwerbung, Sponsorenakquise und Live-Übertragungen im Internet. Eine Medaille bei Olympischen Spielen würde ihm manches leichter machen, doch erst in dieser Saison reichen die deutschen Fahrer an die Weltspitze heran. „Wir mussten uns das hart erarbeiten“, sagt Heli Herdt, „dann kann man schon mal das Glück haben, dass einer bei den Olympischen Spielen unter die letzten acht kommt – und dann kann alles passieren.“

Alexandra Grauvogel wäre eine Kandidatin für dieses Szenario gewesen. Doch den Skicross von Vancouver wird sie sich in ihrer Heimat Bad Wiessee während der Rehabilitation ansehen müssen. Beim ersten Weltcup in Innichen hat sie sich – an der Spitze liegend, was die Qualifikation für die Spiele bedeutet hätte – bei einer harten Landung die Kreuzbänder gerissen. „Die Mannschaft muss das jetzt ausblenden“, sagt Mathias Wölfl, „da hilft einem das Ziel Olympia.“ Als besonders verletzungsanfällig will der Sportliche Leiter Heli Herdt seinen Sport trotz der Ausfälle in seinem Team nicht bezeichnen. Die Fahrer würden im Kampf Mann gegen Mann durchaus Vorsicht walten lassen. „Sie wissen, dass wir kein Chassis haben, es gibt auch keine Bremsen“, sagt er, „es gibt nur Gas.“

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