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Sport: Schweiß der Moderne

Russlands neuer Eishockey-Coach will sein Team zu alter Stärke führen

Sergej Krikunow ist ein dicker Mann. Er schwitzt ein wenig, was an den frühlinghaften Temperaturen in der Wiener Stadthalle liegen kann, aber auch an der Vorstellung, die seine Spieler gerade gegeben haben. Sergej Krikunow ist Trainer der russischen Eishockey-Nationalmannschaft, und das ist kein dankbarer Job. Jahr für Jahr reisen die Russen mit einer überragend besetzten Mannschaft zu den Weltmeisterschaften, und wenn sie dann mal wieder nichts mit den vorderen Plätzen zu tun haben, ist immer der Trainer schuld.

Bedingt durch den Arbeitskampf in der nordamerikanischen Profiliga NHL rekrutiert sich das russische Team diesmal fast ausschließlich aus Spielern mit NHL-Erfahrung. Alexej Jaschin, Alexander Kowalew, Ilja Kowaltschuk und Wiktor Koslow sind die prominentesten. Dazu kommen zukünftige Topstars wie Alexander Owetschkin (19) und Jewgeni Malkin (18), die in Amerika heute schon mit Millionensummen gehandelt werden. Große Namen aber machen noch keine großen Mannschaften, das hat auch Sergej Krikunow zum WM-Auftakt erfahren müssen. Ein Drittel lang hetzten die Russen ihre Gegner aus Österreich von einer Ecke der Eisfläche in die nächste, aber dann ging gar nichts mehr. Kurz vor Schluss stand es 2:2, die Russen wirkten erschöpft, bis dann ein harmloser Schuss des alternden Millionärs Alexej Kowalew den Weg durch die Schoner des österreichischen Torhüters fand. Am Ende gewannen die Russen 4:2, aber Sergej Krikunow hatte viel Schweiß gelassen. Nicht nur, weil es so warm war.

Dass der Trainer des russischen Meisters Dynamo Moskau überhaupt in Wien ist, hat er einem anderen schwergewichtigen Mann zu verdanken. Ilja Kowaltschuk, 103 Kilogramm schwer und vor einem Jahr Torschützenkönig in der NHL, hatte gegen Krikunows Vorgänger Zinetula Biljaletdinow intrigiert. Biljaletdinow ist ein Mann der alten Schule, der seine Spieler am liebsten so kurz halten würde, wie das zu alten Sowjetzeiten der Fall war. Bei seinem Klub AK Bars Kasan hatte er eine Dauerfehde mit dem lebenslustigen Kowaltschuk. Die endete zunächst im Scheitern des hohen Favoriten im Viertelfinale der Meisterschaft. Daraufhin erklärte Kowaltschuk, er werde keineswegs unter einem Nationaltrainer Biljaletdinow bei der WM spielen.

Jetzt schaltete sich der russische Sportminister Wjatscheslaw Fetisow ein, der als Nationalspieler mehrfach Weltmeister und Olympiasieger geworden war und zu seinen aktiven Zeiten als Rebell galt. Fetisow hatte noch vor dem Zerfall der Sowjetunion seinen Wechsel in die NHL durchgesetzt. Sein Gespräch mit Biljaletdinow war kurz und deutlich. Der ungeliebte Trainer trat zurück, und Kowaltschuk rückte ins WM-Team. Fetisow kam persönlich zur Verabschiedung des Teams zum Flughafen. Er soll den Spielern für den Fall eines WM-Sieges eine hohe Prämie versprochen haben, auszuzahlen in US-Dollar.

Der neue Trainer Sergej Krinukow gilt als Vertreter der modernen Trainergeneration, die Spieler eher als Partner denn Untergebene sieht. Wie Fetisow hat er seinen Horizont im Ausland erweitert. Vor seinem Job bei Dynamo Moskau hat er fünf Jahre lang in Slowenien gearbeitet. So ganz aber wollen die Russen auch unter Krikunow nicht mit der Vergangenheit brechen. Zu einem Testspiel in Slowenien rollten sie in einem feuerroten Bus vor, ganz so, wie früher die sowjetische Mannschaft zu reisen pflegte. Damals, als die Sbornaja die Stätte der WM-Turniere stets mit Gold im Gepäck verließ.

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