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Lukas Märtens bewies im vergangenen Jahr viel mentale Stärke.

© dpa/Christoph Soeder

Schwimm-Olympiasieger Lukas Märtens vor der WM: „Vom Kopf her hatte ich kein leichtes Jahr“

Olympisches Gold war für Lukas Märtens der bisherige Höhepunkt, jetzt startet er bei der WM in Singapur. Er pflegt seine Verbundenheit zu Magdeburg – und sorgt sich um den wachsenden Einfluss der AfD.

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Magdeburg ist die schönste Stadt der Welt. Dieser Gedanke schoss dem Schwimmer Lukas Märtens nach seinem Gold-Triumph bei den Olympischen Spielen in Paris im vergangenen Jahr durch den Kopf – und prompt sagte er genau diesen Satz auch live im Fernsehen.

Dem 23-Jährigen war es wichtig, nicht nur seine Familie und seine Freunde an dem Sieg teilhaben zu lassen, sondern er wollte sich auch bei seiner Heimatstadt bedanken.

Die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts als „schönste Stadt der Welt“ zu bezeichnen, stieß bei einigen zwar auf Verwunderung und sorgte teils sogar für Belustigung. Doch die Aussage verdeutlicht vor allem eines: dass Märtens der Erfolg nie zu Kopf gestiegen ist und er sich stets die Bodenständigkeit bewahrt hat, die für Magdeburg so typisch ist.

Ich fühle mich in meiner Heimat bis heute pudelwohl.

Schwimmer Lukas Märtens über seine Verbundenheit mit Magdeburg

„Ich bin sehr heimatverbunden, das schätzen die Menschen an mir“, erzählt er im Interview kurz vor den Weltmeisterschaften in Singapur. „Nach Olympia habe ich viel positive Resonanz erhalten und wurde oft auf der Straße angesprochen. Magdeburg ist eine Sportstadt durch und durch.“

Neben Märtens brachte die Stadt an der Elbe auch andere Schwimmstars hervor. Freiwasser-Olympiasieger Florian Wellbrock, der gerade bei der WM vier Goldmedaillen holte, oder Isabel Gose, die im Freistil über 1500 Meter bei Olympia Bronze gewann, trainieren beide wie Märtens beim SC Magdeburg.

„Das habe ich seit meiner Kindheit vorgelebt bekommen. Ich fühle mich in meiner Heimat bis heute pudelwohl“, sagt Märtens. Gecoacht wird er genau wie Wellbrock und Gose von Bernd Berkhahn, Bundestrainer des Deutschen Schwimmverbands.

Nach Olympia wuchsen die Erwartungen

Seit dem vergangenen Jahr hat sich der Alltag für Märtens gewaltig verändert. Nach dem Olympiaerfolg wurde er von zahlreichen Medien für Interviews angefragt, war ein gefragter Promi bei sportlichen Veranstaltungen und wurde außerdem als Ehrenbotschafter seiner Heimatstadt ausgezeichnet. In der Altstadt Magdeburgs wurde dem Schwimmer eine Granitplatte gewidmet.

„Die Goldmedaille war das Größte, was ich bislang erreicht habe“, sagt Märtens rückblickend. „Damit habe ich ein Stück deutsche Sportgeschichte geschrieben. Darauf folgte erst einmal ein Hype.“

Kleine Tiefs gehören dazu, es kann nicht immer bergauf gehen.

Lukas Märtens

Anschließend wieder in den Alltag zurückzufinden und sich neue Ziele zu setzen, sei jedoch gar nicht so leicht gewesen. Zumal der Druck von außen wuchs, mit den Olympischen Spielen waren die Erwartungen an Märtens gestiegen. „Vom Kopf her hatte ich kein leichtes Jahr. Aber kleine Tiefs gehören dazu, es kann nicht immer bergauf gehen.“

Nach den Olympischen Spielen ließ Märtens sich ein Tattoo stechen.

© Imago/Bildbyran/Simon Hastegard

Märtens setzt sich nicht erst seit Olympia mit den psychischen Herausforderungen auseinander, die mit seinem Beruf einhergehen. Bereits vor zwei Jahren erzählte er, dass er eine kleine Pause eingelegt habe, um sich auf seine mentale Gesundheit zu konzentrieren. Diese sei ebenso wichtig wie die körperliche Verfassung.

Märtens hat zwei Sportpsychologen

Auch heute hat er zwei Sportpsychologen an seiner Seite und ein familiäres Umfeld, das ihn auffängt, wenn es mal nicht so läuft. Er versuche, sich neben dem Sport bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen und mit Familie oder Freunden wegzufahren, um den Kopf freizubekommen. „Auch von den Menschen in Magdeburg erfahre ich eine bedingungslose Unterstützung, die Region steht hinter mir“, sagt er.

Besonders gut gefällt es Märtens in Diesdorf, wo er aufgewachsen ist, einem beschaulichen Stadtteil im Westen, der an die Magdeburger Börde grenzt. „Besonders schätze ich die Bodenständigkeit, die für Magdeburg sehr typisch ist. Man bleibt dort geerdet und weiß, wo man herkommt“, sagt Märtens. „Der Spagat zwischen langweiligem Dorf und trubeliger Großstadt gelingt perfekt.“

Doch auch der Sport bleibt nicht unberührt von den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen des Bundeslandes. Immer wieder berichten Vereine, unter dem Einfluss der AfD zu leiden und zunehmend Anfeindungen ausgesetzt zu sein, wenn sie Werte wie Vielfalt und Integration nach außen tragen, für die der Sport eigentlich steht.

Märtens versucht, sich vor der WM zwar wenig mit Politik auseinanderzusetzen und den Fokus ganz auf seinen Sport zu legen. „Aber natürlich gehe ich wählen und sage meine Meinung. Werte wie Offenheit und Toleranz stehen bei uns an oberster Stelle“, sagt er. In seiner Trainingsgruppe trainieren Sportler aus aller Welt, gemeinsam fahren sie zu internationalen Meisterschaften. „Daher sollten diese Werte im Sport eigentlich selbstverständlich sein.“

Auch in Singapur will Märtens diese Werte vertreten. Sportlich gesehen ist seine Ausgangslage sehr gut, erst im April bei den Swim-Open in Stockholm stellte er über 400 Meter Freistil einen neuen Weltrekord von 3:39,96 Minuten auf. Damit knackte er auch die Bestmarke von Paul Biedermann aus dem Jahr 2009.

Biedermann schickte Märtens eine Nachricht, um ihm zu gratulieren. „Als ich diesen Namen las, hatte ich Gänsehaut“, erzählt Märtens. „Er schrieb mir, dass er stolz sei und ich es verdient habe. In solchen Momenten vergisst man die Qualen, die man dafür ertragen musste. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl.“

Auf ähnliche Emotionen hofft Märtens am Sonntag, wenn er im 400 Meter Freistil antritt. Dann könnte er auch die allererste WM-Goldmedaille holen, die in seiner Sammlung noch fehlt.

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