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Heißer Tanz. Flensburgs Handballer im kollektiven Jubelrausch.

© dpa

Neuer Deutscher Handball-Meister: SG Flensburg-Handewitt: Himmel in der Hölle

Die SG Flensburg-Handewitt feiert ihre zweite Meisterschaft nach 2004 - und entledigt sich des Rufes, der ewige Zweite zu sein.

Wo sich Ljubomir Vranjes am späten Sonntagnachmittag herumgetrieben hat, ist nicht übermittelt. Vermutlich irgendwo im ungarischen Veszprem, seiner neuen sportlichen Wahlheimat. Immerhin übermittelte der 44 Jahre alte Handballtrainer ein paar warme Worte an seine einstigen Weggefährten. „Herzlichen Glückwunsch @SGFleHa – Deutscher Meister 2018“, schrieb Vranjes beim Kurznachrichtendienst „Twitter“.

Wer den kleinen Schweden mal getroffen und erlebt hat, wer seine Verbundenheit zur Stadt Flensburg und ihrem Handballklub kennt, der weiß: die Gratulation kam von Herzen, ganz sicher. Im stillen Kämmerlein dürfte sich Vranjes trotzdem in den Allerwertesten gebissen haben angesichts seiner Entscheidung aus dem Sommer 2017. Damals entschloss sich der ehemalige Weltklasse-Spielmacher, seine Trainerlaufbahn lieber in Ungarn als in Flensburg fortzusetzen, beim neureichen Spitzenklub KC Veszprem. In sieben Jahren bei der SG hatte er mit dem Verein alles gewonnen, 2014 sogar den wichtigsten Pokal des Vereinshandballs, die Champions League. Nur ein Titel war ihm als verantwortlicher Coach nie vergönnt: die Deutsche Meisterschaft.

Seit 2004 waren die Flensburger sieben Mal Vizemeister

Am Sonntag ist die SG Flensburg-Handewitt nun ausgerechnet mit dem Mann Deutscher Meister geworden, der Vranjes viele Jahre als Co-Trainer assistierte und unter dem Schweden zu dessen Nachfolger aufgebaut wurde: mit Mike Machulla. Gleich in seiner ersten Saison als Cheftrainer schaffte der gebürtige Greifswalder das, woran Vranjes so oft und so knapp gescheitert war: er führte die SG zum lang ersehnten nationalen Titel, dem zweiten der Vereinsgeschichte nach 2004. Seitdem waren die Flensburger insgesamt sieben Mal (!) Vizemeister, irgendwann haftete ihnen der Ruf des ewigen Zweiten an. Nun ist dieser Negativ-Lauf gebrochen.

„Die Jungs haben sich das verdient“, sagte Machulla am Sonntag nach dem knappen 22:21-Sieg gegen Frisch Auf Göppingen, der alle theoretischen Zweifel ausräumte und die Meisterschaft perfekt machte. „Nicht nur in dieser Saison, sondern auch durch die Arbeit in den Jahren zuvor“, ergänzte Machulla noch – es war ein freundlicher Gruß an seinen alten Chef Vranjes, den heimlichen Architekten des Meister-Teams. „Für Flensburg, die Stadt und unsere tollen Fans ist das ein ganz besonderer Tag“, jubilierte Rückraumspieler Holger Glandorf. Die größte Brauerei der Region schenkte im Anschluss an das letzte Bundesliga-Spiel der Saison 2017/18 hunderte Liter Freibier vor der Halle aus, die wegen ihrer hitzigen Atmosphäre unter dem inoffiziellen Namen „Hölle Nord“ firmiert. Am Sonntagnachmittag muss sich die Arena für die Flensburger Profis wie der Himmel auf Erden angefühlt haben.

Sechs Spieler verlassen den Verein im Sommer

Euphorie, Jubel und Adrenalinausstoß waren auch deshalb so gewaltig, weil die Norddeutschen zu ihrer zweiten Meisterschaft kamen wie die Jungfrau zum Kind: völlig unverhofft. Bis vor wenigen Wochen betrug ihr Rückstand auf die Rhein-Neckar Löwen noch drei Punkte – ein scheinbar sicheres Polster für die Mannheimer. Dann fingen diese allerdings an zu schludern, verloren zunächst bei den Füchsen Berlin, ließen anschließend Punkte in Erlangen und daheim gegen Melsungen liegen – und luden die Flensburger damit zur großen Aufholjagd ein. „Die Enttäuschung ist riesig, jetzt tut es richtig weh. Wir waren in einer guten Position, konnten es aber nicht durchziehen“, sagte Löwen-Trainer Nicolaj Jacobsen, „damit müssen wir klarkommen.“ Immerhin durften sich die Löwen in dieser Saison über ihren ersten Titelgewinn im DHB-Pokal freuen.

Für die SG Flensburg-Handewitt gingen die Feierlichkeiten am Sonntag auch mit einem Abschiedsmarathon einher. Sechs Spieler werden den Verein im Sommer verlassen, unter anderem die schwedische Torhüter-Legende Mattias Andersson. Einen schöneren und würdigeren Abschied hätte sich der 40-Jährige kaum wünschen können.

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