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Beim Snooker im Tempodrom gelten Benimmregeln für Spieler und Zuschauer.

© dpa

German Masters in Berlin: Snooker-Ultras im Tempodrom

Britisch korrekt geht es beim German Masters im Tempodrom zu. Sowohl an den Tischen als auf den Rängen. Dabei reisen die Zuschauer aus ganz Deutschland an, um die Stars zu sehen.

Klack, klack. Hüstel, Applaus. Knarr. Snooker hört sich ganz einfach an. Das Klacken der Kugeln, unterdrücktes Husten der Zuschauer, die Ovationen der Fans nach einer gelungenen Aktion am Tisch. Und die bemüht stillen Wanderungen auf der Tribüne nach einem beendeten Frame. Am Mittwochvormittag, zum Auftakt des German Masters, sind die Ränge im Tempodrom mit rund 600 Zuschauern noch nicht einmal halbvoll. Zu sehen gibt es aber viel. In der ersten Runde des einzigen Weltranglistenturniers in Deutschland sind gleich fünf Tische im Halbrund platziert. Auch einige Favoriten müssen früh aufstehen, dabei sind die weltweiten Kräfteverhältnisse in der Präzisionsvariante des Billards deutlich illustriert: Acht Briten und zwei Chinesen spielen zum Auftakt. In China boomt die Sportart, eines womöglich nicht einmal so fernen Tages könnten sich die Kräfteverhältnisse umkehren. Wenn Chinas bester Spieler Ding Junhui große Matches bestreitet, schauen im Riesenreich schon einmal 100 Millionen Menschen am Fernseher zu. An diesem Vormittag hat Ding auch ein bisschen Glück, er gewinnt das Spiel gegen seinen Landsmann Liu Chuang mühsam 5:4.

Am Nebentisch kämpft Jimmy White gegen Dominic Dale – und die Zeit – an. Die ganz großen Jahre von White liegen lange zurück. Zwischen 1984 und 1994 stand er sechs Mal im Finale der Weltmeisterschaft – und ging stets als Verlierer vom Tisch. Inzwischen ist er 50, der Bauch spannt etwas unter der Weste und die Jüngeren lassen ihn meistens noch älter aussehen, als er tatsächlich ist. Auch an diesem Tag hilft aller Zuspruch der Fans nichts, Dale gewinnt das niveauarme Match 5:3. Doch auch wenn die Spieler viele Fehler machen, das Publikum reagiert wohlwollend, feuert die Profis bis zum Schluss an.

Es geht eben britisch korrekt zu im Tempodrom. Vom Ambiente her unterscheidet sich das Berliner Turnier kaum von einer Veranstaltung in Großbritannien – wenn, dann nur in positiver Hinsicht. Das Tempodrom wurde von den Spielern schon im vergangenen Jahr als feudaler Auftrittsort gelobt und die Zuschauerplätze werden gegen Ende des Turniers auch wieder ausverkauft sein, für das Halbfinale sind bereits alle 2500 Tickets weg. Mögen Spiel und Stars in Berlin auch aus Großbritannien importiert sein, die Zuschauer sind es nicht.

Einen kleinen Makel gibt es beim German Masters aber doch

Dabei kommen längst nicht alle aus Berlin, wie die 64 Jahre alte Monika, die „nicht das erste Mal hier ist“. Rüdiger (48) und Antje (60) sind aus Rostock angereist „weil wir endlich mal die Stars aus dem Fernsehen live sehen wollten“. Reality-TV zum Anfassen. Die Spielregeln haben die deutschen Zuschauer genau wie die Benimmregeln aus dem Fernsehen gelernt, wo der Spartensender Eurosport von jedem Turnier in epischer Breite berichtet. Dass Handys in der Arena auszuschalten sind, weiß deswegen im Tempodrom jeder. Hier sitzen Fachleute, Snooker-Ultras sozusagen. Und auch lautes Gegröle, Fangesänge oder Stimmungsmusik vom Band gehören sich im Gentlemensport Snooker einfach nicht. Als der Weltranglistenzweite Judd Trump kürzlich laut darüber nachdachte, den Fans doch ein bisschen mehr Spektakel ähnlich wie im Dart zu bieten, erntete er fast durchweg Kopfschütteln.

Einen kleinen Makel gibt es beim German Masters aber doch. Deutsche Spieler sind im Starterfeld nämlich keine zu finden. „Das ist schade“, findet der 19-jährige Matti aus Stuttgart. So schnell wird das auch nicht passieren. Der Abstand zur Weltspitze ist zu groß, er lässt sich nur schwer überbrücken. Snooker ist enorm trainingsintensiv, ohne Sponsoren geht nichts. Doch die lassen sich in Deutschland kaum finden. Matti ist trotzdem begeistert, vor allem von der „unglaublichen Präzision der Spieler“. Selbst am Snookertisch gestanden hat er noch nicht, aber das ist eher die Regel als die Ausnahme in der Szene.

Um den Sport zu lieben, muss der Fan ihn nicht selbst betreiben. Auch Andrea aus Gmunden in Österreich ist eher passiver Snooker-Anhängerin. Die 43-Jährige war schon im vergangenen Jahr im Tempodrom. „Für das German Masters habe ich mir extra Urlaub genommen“, sagt sie. Ihre Reise zum Turnier hat sie gleich mit einem Sightseeing-Trip verbunden, allerdings begrenzt auf einen Tag. Es gilt eben Prioritäten zu setzen als Snooker-Ultra.

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