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Schon bei seiner letzten Station in Deutschland, beim VfL Wolfsburg, hatte Thomas Hitzlsperger überlegt, sich zu outen.

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Update

Schwules Fußballer-Outing: Sportmagazin "Kicker" lässt Hitzlsperger-Debatte aus

Am Tag nach dem Outing von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger lässt ausgerechnet das Fachblatt "Kicker" die Debatte um Homosexualität im Fußball aus. Man habe "viel Interessanteres und Wichtigeres zu berichten", schrieb der Chefredakteur.

Für Jean-Julien Beer, Chefredakteur des Sportmagazins "Kicker", gibt es derzeit "viel Interessanteres und Wichtigeres zu berichten" als das Bekenntnis Thomas Hitzlspergers zu seiner Homosexualität. Das Thema lief am Mittwoch wie eine Welle durch die nationalen und internationalen Medien, auch am Donnerstag geht die Debatte weiter. Der 31-Jährige Ex-Nationalfußballer gilt als der erste deutsche Profifußballer, der seine Neigung zu Männern öffentlich gemacht hat - allerdings erst nach seinem Karriereende.

Warum das auflagenstarke Magazin das Thema auslässt und auch online die Startseite mit anderen Ereignissen gestaltet, begründete Beer am Donnerstag in einem Kurzkommentar auf der ersten Seite. In einem weltoffenen Deutschland sei "weder die Sexualität noch Religion eines Sportlers zu thematisieren oder gar zu tabuisieren". Deshalb werde der Leser die Meldung auf den nächsten Seiten nicht finden.

Philipp Köster, Chefredakteur des Fußballmagagzins "11 Freunde", kritisierte die Haltung Beers in einem Tweet: "Jean-Julien Beer zimmert sich im Kicker eine Welt, wie sie ihm gefällt", schrieb Köster bei Twitter in Bezug auf dessen Kurzkommentar.

Hitzlsperger erwog Coming-Out schon früher

Unterdessen wurde bekannt, dass Hitzlsperger bereits während seiner aktiven Profilaufbahn sein Coming-out erwogen hatte. Er habe während der Zeit beim VfL Wolfsburg in der Saison 2011/12 darüber nachgedacht, sein Schwulsein öffentlich zu machen, sagte der 31-Jährige der britischen Tageszeitung „Guardian“ (Donnerstag).

Dann aber habe er auf Menschen gehört, die vor negativen Konsequenzen warnten. „Sie sagten alle, tu es nicht, eine große Welle wird über dir zusammenbrechen“, sagte Hitzlsperger. „Aber dann realisierte ich, dass das keiner vorhersagen konnte.“ Vor und nach seinem Karriereende im vergangen September habe er mehr Zeit zum Nachdenken gehabt. Die positiven Reaktionen auf Coming-outs von Sportlern wie Gareth Thomas, Tom Daley oder Robbie Rogers hätten ihm Mut gemacht: „Ich wollte sie unterstützen, wie sich mich unterstützt haben.“

Im britischen Sender BBC betonte er: „Ich kann mir nicht vorstellen, Fußball zu spielen und das zur selben Zeit zu machen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, weil wir eine Reaktion fürchten und nicht wissen, was passieren wird. Schwule Fußballer sind unsichtbar.“ Hitzlsperger gibt sich keinen Illusionen hin, dass sich die homophobe Einstellung einiger Profifußballer über Nacht ändern wird.

Der brasilianische Verteidiger Alex von Paris St. Germain war am Tag von Hitzlspergers Coming-out mit den Worten zitiert worden: „Gott hat Adam und Eva geschaffen, nicht Adam und Yves.“ Dazu sagte Hitzlsperger: „Man hat immer solche Typen, es ist traurig, dass sie nicht länger nachdenken, was sie sagen. Sie tun mir wirklich leid.“ Der 52-malige Nationalspieler hatte sich schon zu seiner aktiven Laufbahn gegen Rassismus und Antisemitismus engagiert. Er wiederholte - wie bereits im Interview der „Zeit“ - seine Kritik an homophoben Systemen. „Es ist wichtig, dass man Nationen begegnet, die Minderheiten diskriminieren.“

Es sei okay für ihn, dass sein Coming-out in Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen in einem Land gesehen werde, dass wegen seiner Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung in der Kritik steht. „Denn über die Situation in Russland muss man reden. Ich bin gespannt, was da passiert. Ich bin sicher, dass einige Athleten sich dem entgegenstellen werden.“

Hitzlsperger sagte, der Schritt in die Öffentlichkeit sei ihm „sehr schwer“ gefallen. Bestärkt hätten ihn die positiven Reaktionen von Freunden und Familie. „Ich war überrascht und glücklich, dass es für alle okay war. Ich komme aus dem ländlichen Bayern und da wird Schwulsein als «unnormal« angesehen. Ich rechnete mit negativen Reaktionen derjenigen, die es nie verstehen würden, auch gegenüber meine Familie, aber das störte sie nicht. Ich hatte ihre totale Unterstützung.“ (dpa/ho)

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