zum Hauptinhalt
Pistorius

© AFP

Leichtathletik: Sprinten für Olympia

Der unterschenkelamputierte Südafrikaner Oscar Pistorius startet in Berlin und will die Norm für Peking schaffen.

Zur Pressekonferenz lief er ein wie zu einer Siegerehrung. Alle Kameras, alle Objektive waren auf ihn gerichtet. Oscar Pistorius, vor kurzem noch ein Nobody, ist heute einer der bekanntesten Leichtathleten der Welt. Seit dem Urteil des internationalen Sportgerichtshofs Cas, nach dem der beidseitig unterschenkelamputierte Leichtathlet aus Südafrika nicht allein bei den Paralympics, sondern auch bei Olympia in Peking starten darf, steht seine Welt Kopf. „Als die Entscheidung im Mai kam, habe ich erstmal Freudensprünge gemacht, ich war unglaublich erleichtert“, sagt der 21 Jahre junge Ausnahmeathlet, dessen Alltagsprothesen heute in Jeanshosen stecken.

Von morgen bis Sonntag tritt der Sprinter aus Pretoria mit 450 anderen Athleten aus 28 Nationen bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften der Leichtathletik im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark an der Cantianstraße in Prenzlauer Berg an. Um sich für Olympia zu qualifizieren, muss Pistorius die 400 Meter in 45,95 Sekunden laufen, seine Bestzeit liegt bei 46,34. „Leider habe ich wegen der ganzen Geschichte kaum trainieren können.“ Bei diesem Satz verdüstert sich seine Miene, und die Kiefermuskeln malmen. Statt mit Trainer Ampie Louw auf die Bahn zu gehen, musste er in die USA fliegen, um Mensch und Material von Sportwissenschaftlern in Labors testen zu lassen. Die Monate von Dezember – als der Leichtathletik-Weltverband ihm die Teilnahme zunächst wegen angeblicher Vorteile durch die Prothesen verbot – bis zum Cas-Urteil im Mai „waren unglaublich hart und nervenzehrend“, sagt er.

Verschaffen ihm die Carbonfedern, auf denen er die 100, 200 und 400 Meter läuft, einen Vorteil gegenüber Nichtbehinderten? Das war die entscheidende Frage. Getestet wurden aerobe und anaerobe Parameter, der Sauerstoffgehalt in den noch vorhandenen Beinmuskeln, Start- und Laufverhalten. „Die Prothesen können nur die Kraft wiedergeben, die ich hineinstecke, nicht aber neue Power kreieren. Außerdem bin ich beim Start und in den Kurven benachteiligt, weil ich kein Fußgelenk habe, das sich schräg stellt“, sagt der Sprinter. Dem 21-Jährigen mussten seine Unterschenkelstummel kurz nach der Geburt amputiert werden. Das Gericht entschied: Kein Vorteil durch die Prothesen.

Als Kind spielte Oscar Fußball und Cricket. Mit Rugby musste er wegen einer Knieverletzung aufhören. Um wieder fit zu werden, fing er mit dem Laufen an – und verbesserte schnell sämtliche Behindertenleichtathletik-Weltrekorde in seiner Startklasse. Mit 17 Jahren debütierte er bei den Paralympics in Athen 2004. „Ich lebe, atme, schlafe für den Sport“, sagt Pistorius. „Und meine Freundin Jenna sorgt dafür, dass ich mit beiden Beinen auf dem Boden bleibe, auch wenn ich gar keine habe“, sagt er ironisch. Pistorius hat Wirtschaftsmanagement studiert, muss aber – anders als die meisten Paralympioniken – dank Sponsoren wie Nike, Oakley, Volvo und Pirelli nicht arbeiten. „Wenn es jetzt nichts mit Olympia wird, dann halt 2012“, sagt er. „Ein Ziel habe ich schon erreicht. Für mich war das Wichtigste, dass ich über das Urteil die Anerkennung für uns angeblich bevorteilte körperbehinderte Athleten erkämpft habe, die uns gebührt.“ Annette Kögel

Annette Kögel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false