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Uwe Witt (1939 bis 2025).

© imago/Kicker/Eissner

Standhaft gegen alle Widerstände: Zum Tod von Herthas früherem Kapitän Uwe Witt

Wie seine Kollegen von Hertha BSC wurde auch Uwe Witt im Zuge des Bundesligaskandals gesperrt. Er hat seine Beteiligung immer bestritten. Jetzt ist er mit 86 Jahren gestorben.

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Nach dem achten Spiel innerhalb von nur 19 Tagen und begünstigt durch den übermäßigen Verzehr alkoholischer Getränke ließen die Spieler von Hertha BSC ihrem Unmut freien Lauf. Acht von ihnen hatten sich in der Bar des Hilton-Hotels in Dallas versammelt und den lokalen Gepflogenheiten folgend Whiskey um Whiskey bestellt. Irgendwann löste das bei ihnen die Zunge.

„Sie haben Dampf abgelassen“, berichtete Trainer Helmut „Fiffi“ Kronsbein später, der dafür bekannt war, immer bestens über die Vorgänge in seinem Team informiert gewesen zu sein. Und so blieb ihm auch dieser Vorfall während der einmonatigen USA-Reise des Berliner Fußball-Bundesligisten im Mai 1970 nicht verborgen.

Kronsbein reagierte, wie er glaubte, reagieren zu müssen: Uwe Witt und Lothar Groß, die er als Hauptübeltäter ausgemacht hatte, sollten umgehend zurück in die Heimat geschickt werden. Die Mannschaft aber intervenierte gegen diese Idee ihres Trainer und erklärte sich mit den beiden Kollegen solidarisch: „Wir haben alle einen Fehler gemacht.“

Witt und Groß entschuldigten sich – und durften bleiben. „Die Reise war lang und die Nervenbelastung groß. Nicht nur für die Mannschaft“, sagte Kronsbein. „Schwamm drüber. Wir wollen nicht mehr davon sprechen.“

Dass sich seine Mitspieler für ihn verwandt haben, sagt einiges über die Wertschätzung, die Uwe Witt im Kreis seiner Mannschaft genoss. Der ruhige und sachliche Norddeutsche war eine anerkannte Persönlichkeit, zeitweise sogar Herthas Kapitän.

Uwe Witt (vorne) im Duell mit Rainer Zobel vom FC Bayern München.

© imago sportfotodienst/Fred Joch

„Das war ein toller Spieler in einer richtig guten Mannschaft“, sagt Michael Sziedat, der in seiner ersten Saison als Profi noch mit Witt zusammengespielt hat. „Der hat perfekt zu Hertha gepasst.“

Ich habe damals als Kapitän nichts von den Absprachen mit Arminia Bielefeld gewusst.

Uwe Witt zum Bundesligaskandal 1971

Uwe Witt war ein Führungsspieler. Auf ihn wurde gehört. Nur leider nicht immer. Am Abend des 5. Juni 1971 saß Witt mit den jungen Spielern aus Herthas Kader im Lokal Waldhaus in der Nähe des Olympiastadions zusammen. Die Saison in der Fußball-Bundesliga war seit dem Nachmittag beendet. Hertha hatte – auf den ersten Blick etwas überraschend – 0:1 gegen den Abstiegskandidaten Arminia Bielefeld verloren, der sich damit doch noch den Klassenerhalt sicherte.

Letztlich vergeblich, denn schon bald wurde bekannt, dass die Bielefelder den Berlinern für eine Niederlage Geld geboten hatten. Das ist unstrittig. Dass Hertha allerdings absichtlich gegen Arminia verloren hat, das ist von den Spielern, die an jenem Samstag im Juni 1971 auf dem Rasen standen, immer bestritten worden.

Ihre Version lautet: Nachdem sie das Spiel schon mal verloren hatten, könnten sie ja versuchen, das Geld trotzdem einzusacken. Und zu ihrer Überraschung waren die Arminen tatsächlich bereit zu zahlen.

Uwe Witt wechselte 1967 von Holstein Kiel zu Hertha BSC.

© imago/Horstmüller

Während in der Wohnung von Torhüter Volkmar Groß die Beute verteilt wurde, redete Uwe Witt im Waldhaus auf die jungen Spieler ein, das Geld nicht anzunehmen. Vergeblich. Die Geschichte flog auf, 15 Profis von Hertha BSC und Manager Wolfgang Holst wurden im Zuge des sogenannten Bundesligaskandals vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu einer Strafe verdonnert.

Darunter auch Uwe Witt. Am 21. Juni 1972 verhängte der DFB eine zweijährige Sperre gegen ihn und belegte ihn zusätzlich mit einer Geldstrafe von 15.000 Mark. Doch Witt weigerte sich zu zahlen.

Die „Fußball-Woche“ hatte Herthas Libero für das Spiel gegen Bielefeld Normalform bescheinigt. Der „Kicker“ titelte „Bestechung? Einfach absurd!“ und gab Witt eine Drei als Note.

Witts Sperre wurde vom DFB nie aufgehoben

„Ich habe damals als Kapitän nichts von den Absprachen mit Arminia Bielefeld gewusst“, hat er später gesagt. „Ich selbst habe keine einzige Mark von diesem Geld angenommen und deshalb habe ich auch die Strafe, die gegen mich ausgesprochen wurde, nie bezahlt.“

Anders als bei vielen seiner Kollegen, die später vom DFB begnadigt wurden, ist Witts Sperre daher nie aufgehoben worden. Das war insofern zu verschmerzen, als er nach der Saison 1971/72 im fortgeschrittenen Fußballeralter von inzwischen 33 Jahren ohnehin nicht vorhatte, seine Karriere fortzusetzen.

Uwe Witt hatte schon für Concordia Hamburg, den FC St. Pauli, Arminia Hannover und Holstein Kiel gespielt, als er 1967 für eine Ablöse von 40.000 Mark nach Berlin wechselte. Der gebürtige Brunsbütteler war ein solider Verteidiger und umsichtiger Libero. Gleich im ersten Jahr stieg er mit Hertha von der Regional- in die Bundesliga auf, in der er anschließend vier Jahre lang Stammspieler war und insgesamt 123 Spiele bestritt.

Witt war auch jenseits des Fußballplatzes umsichtig. Schon während seiner aktiven Zeit als Spieler bei Hertha gab er – ähnlich wie Günter Netzer in Mönchengladbach – eine Stadionzeitschrift („Tor“) heraus, die vor den Spielen am Olympiastadion verkauft wurde. Später war er in der Immobilienbranche tätig und lebte zeitweise in Spanien.

Wie erst dieser Tage bekannt wurde, ist Uwe Witt bereits am 22. Mai im Alter von 86 Jahren in Berlin verstorben.

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