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Zum Trikotaufessen. Fabian Reese soll Herthas Mannschaft tragen – und braucht im Moment selbst den Rückhalt seiner Kollegen.

© imago/HMB-Media/IMAGO/HMB Media/Claus

Stellvertretend für Hertha BSC: Fabian Reese sucht die Unwiderstehlichkeit der Vorsaison

Herthas Offensive kommt nicht richtig in die Gänge – weil auch Kapitän Reese noch nicht richtig in die Gänge kommt. Aber das Spiel in Darmstadt macht Hoffnung. Für beide.

Stand:

Vor dem jüngsten Aufeinandertreffen mit Hertha BSC ist Florian Kohfeldt, der Trainer von Darmstadt 98, noch einmal auf die vergangene Saison angesprochen worden. Auf den Sieg, den seine Mannschaft im eigenen Stadion gegen die Berliner einfahren konnte. Wie es denn damals gelungen sei, Fabian Reese, Herthas dominierenden Spieler, in den Griff zu bekommen, wurde Kohfeldt gefragt.

„Der hat im Hinspiel hier nicht gespielt“, antwortete Darmstadts Trainer. „Dementsprechend hatten wir ihn gut im Griff.“

Das ist gegen Fabian Reese in der Tat ein sehr erfolgversprechendes Mittel. Denn wie schwer das Unterfangen sein kann, ihn zu stoppen, das erlebten Kohfeldt und die Darmstädter am Sonntagnachmittag in der achten Minute der Nachspielzeit ihres Spiels gegen Hertha BSC.

Matchball in der Nachspielzeit

Hertha schaltete nach einer Balleroberung tief in der eigenen Hälfte blitzschnell um. Maurice Krattenmacher erwischte genau den richtigen Moment, um auf Reese zu passen, der wie aus dem Nichts plötzlich allein vor Marcel Schuhen im Darmstädter Tor auftauchte. Reese hatte den Ball auf dem rechten Fuß, er zielte ins linke Eck – und schoss am Pfosten vorbei.

Vielleicht sei der Winkel für einen Schuss aufs kurze Eck nicht ideal gewesen, sagte Herthas Kapitän später am Mikrofon des Fernsehsenders Sky. Vielleicht hätte er versuchen sollen, Schuhen zu umspielen. Vielleicht. Vielleicht. Sicher aber war: „Muss ich machen. Hundertprozentige Torchance. Der Ball muss einfach rein.“

Wenn du dieses Brett kurz vor Schluss hast, ist es natürlich enttäuschend, dass wir mit 0:0 nach Hause fahren.

Herthas Trainer Stefan Leitl über das Spiel in Darmstadt

Weil Fabian Reese den Matchball vergab, blieb es beim 0:0. Hertha wartet also weiter auf den ersten Sieg der Saison und ist in der Tabelle vorerst auf einen Abstiegsplatz zurückgefallen. Im aktuellen Stadium der Spielzeit hat das noch nicht allzu viel zu bedeuten. Aber es passt zur Stimmung rund um den ambitionierten Berliner Fußball-Zweitligisten.

Denn gut ist die Stimmung weiterhin nicht. „Wenn du dieses Brett kurz vor Schluss hast, ist es natürlich enttäuschend, dass wir mit 0:0 nach Hause fahren“, sagte Trainer Stefan Leitl.

Hertha wollte sich in dieser Saison in einer anderen Tabellenregion festsetzen. Der Klub hat offensiv und voller Überzeugung das Ziel Aufstieg ausgegeben. Und diese Überzeugung hatte auch mit Fabian Reese zu tun, der seinen Vertrag im Mai bis 2030 verlängert hat – zu finanziellen Konditionen, die für Hertha hart an der Belastungsgrenze liegen.

Angesichts der Klasse des Offensivmanns ist der Deal trotzdem nie ernsthaft hinterfragt worden. „Er ist ein Ausnahmespieler in der Zweiten Liga, der Stürmer der Liga, ohne Frage“, hat Darmstadts Trainer Kohfeldt über Reese gesagt und dessen Qualitäten aufgezählt: „Unglaublich viel Tiefgang, Abschluss links wie rechts, gutes Kopfballspiel, gefährlich bei Standards, beim Umschalten immer auf dem Sprung in die Tiefe.“ So ziemlich alles also, was ein Stürmer braucht.

Dass Hertha in der vergangenen Saison nie in die Nähe der Aufstiegsränge gekommen ist, lag auch daran, dass Reese fast die komplette Hinrunde ausgefallen ist. Mit ihm verbinden sich daher automatisch die Hoffnungen auf Besserung.

Aktuell aber steht der Kapitän eher stellvertretend für die Probleme des Teams. Herthas Offensive ist noch nicht richtig in die Gänge gekommen – weil auch Fabian Reese noch nicht richtig in die Gänge gekommen ist.

Es liegt nicht an Leitls System

In den öffentlichen Diskussionen ist das vor allem mit dem System von Stefan Leitl und der daraus folgenden Positionierung Reeses begründet worden. Statt auf dem Flügel wie zu Beginn seiner Zeit bei Hertha spielt der 27-Jährige jetzt zentral im Sturm.

Die These, dass er dort verschenkt ist und seine Stärken nicht zur Geltung bringen kann, ist aber wenig stichhaltig. Denn Leitl hat das System nicht etwa zur neuen Saison umgestellt, sondern bereits in der Rückrunde der Vorsaison. In den zehn Spielen, in denen Hertha im 3-5-2 auflief, erzielte Reese zehn Tore.

Dass die Abhängigkeit immens ist, ist bereits länger offenkundig. In den jüngsten 20 Pflichtspielen haben die Berliner immer nur dann gewonnen, wenn Reese getroffen hat. Aber dessen Performance hängt eben auch davon ab, wie er von seinen Mitspielern in Szene gesetzt wird. Das war aus Leitls Sicht bisher das Problem für den dünnen Output in der Offensive. Und nicht etwa das System, in dem er seine Mannschaft hat spielen lassen.

Immerhin: Der Auftritt in Darmstadt war der beste in dieser Saison. Sowohl von Hertha als auch von Reese – und das, obwohl er erneut im Zentrum auflaufen musste. Aber seine Performance erinnerte schon wieder mehr an die Unwiderstehlichkeit, die in den besten Momenten sein Spiel auszeichnet.

Allein die Krönung fehlte in Darmstadt. Sowohl ihm als auch der Mannschaft.

Das Positive war, dass Hertha überhaupt zu Chancen kam, nachdem das in den ersten Spielen kaum der Fall gewesen war. Vier richtige Bretter habe sein Team gehabt, sagte Trainer Leitl. Und genau das lässt ihn hoffen, dass es künftig noch besser wird: „Wenn du eine hohe Wiederholungszahl schaffst, dann wirst du in der Regel auch mal das Tor treffen.“

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