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Marco Pantani

© dpa

Radsport: Strafe ohne Aufklärung

Der Kokain-Tod des Radprofis Marco Pantani wird gesühnt - doch die Umstände bleiben rätselhaft.

Im Justizpalast von Rimini liegt Nervosität in der Luft. Es ist der Tag, an dem Staatsanwalt und Verteidigung die Schlussplädoyers halten; es ist der Tag, an dem der Hauptschuldige Fabio Carlino verurteilt wird – fast vier Jahre nach dem Tod des einstigen Radsportidols Marco Pantani. Richter Carlo Masini verzieht keine Miene. Er gilt als einer der zuverlässigsten Richter in Italien, deshalb wurde er mit dem Fall betraut. Die Justiz in Rimini steht in einem schlechten Licht, weil sie bei den Ermittlungen massiv geschlampt hat. Es gibt vieles wiedergutzumachen. Marco Pantani hilft es nicht mehr. Er starb am 14. Februar 2004, mit einer Überdosis Kokain fand man ihn in einem Hotelzimmer in Rimini.

Tonina Pantani erscheint im Gericht, Hektik bricht aus. „Der Ausgang dieses Verfahrens ist sowieso irrelevant“, sagt sie, „der Fall muss in jedem Fall wieder aufgerollt werden.“ Die Wahrheit über den Tod ihres Sohnes Marco müsse endlich ans Licht kommen, verlangt die Mutter. Sie verfolgt aufmerksam die Verhandlung. Einige Bänke dahinter sitzt Pantanis Vater Ferdinando und der Neffe Thomas Casani, der nicht nur Vizepräsident der Pantani-Stiftung ist, sondern auch das „Pantani Spazio“ am Bahnhof von Cesenatico leitet. Es ist ein Pantani-Museum, in das die Tifosi noch immer in Scharen pilgern. Hier betrauern sie ihren einstigen Helden, der einst die Berge hochgeprescht war, und den viele Italiener wegen seiner abstehenden Ohren liebevoll „Elefantino“ genannt hatten.

Von Anfang glaubte Tonina Pantani nicht an den Selbstmord ihres Sohnes. Tod aufgrund einer Überdosis Kokain – so hatte es der Staatsanwalt offiziell festgestellt. Drei Monate nach Pantanis Tod wurden die Drogendealer Fabio Miradossa, Ciro Veneruso, Fabio Carlino und die Prostituierte Elena Korikowa verhaftet. Während Miradossa und Veneruso zugaben, Kokain an Pantani verkauft zu haben, und so Strafermäßigung bekamen, lehnten Carlino und Korikowa jegliches Schuldeingeständnis ab. Mit der russischen Prostituierten verbrachte Pantani die letzte Nacht vor seinem Tod.

Nun, im Prozess gegen ihn, bestreitet Carlino, Pantani die tödliche Kokaindosis verkauft zu haben. Sein Anwalt plädiert auf Freispruch. Doch eines steht fest: Am 9. Februar 2004, fünf Tage vor seinem Tod, orderte Pantani Kokain im Wert von 10 000 Euro bei Carlino. Dieser ließ ihm das Kokain von Meridossa überbringen.

Burlesk und bühnenreif ist das Plädoyer von Carlinos Verteidiger. Er zitiert Passagen aus Cervantes „Don Quichote“, und spricht gestikulierend vom „Nichts der Anklage“. Sein Mandant sei ein Heroe, sagt er, weil er ausgesagt habe, obwohl er sich auf die Aussageverweigerung hätte berufen können. Es nützt Carlino nichts. Richter Masini verurteilt ihn zu viereinhalb Jahren Haft und zur Zahlung von 300 000 Euro Schadensersatz an Pantanis Eltern. Tonina Pantani versteht im Gewirr der Urteilsverkündung nicht, was der Richter sagt. „Es schließt sich eine Tür, und es öffnet sich ein Tor“, schreit sie, umringt von TV-Kameras und Mikrofonen, „ich will endlich wissen, wer meinen Sohn auf dem Gewissen hat. Die wahren Schuldigen laufen ohnehin noch frei herum!“ Und einige Indizien, die Toninas Mordthese erhärten, gibt es tatsächlich.

So unterließ es Staatsanwalt Paolo Gengarelli nach seinem Eintreffen am Tatort, die Spurensicherung zu rufen. Fingerabdrücke und DNA-Spuren wurden nicht gesichert. Es hieß, Pantani sei in seinem Zimmer D5 im Hotel Le Rose allein gewesen. Doch das Mobiliar war verwüstet, und Pantani hatte keine Schramme an Händen und Körper. Man fand zudem Essensreste im Zimmer, die nicht in seinem Magen gefunden wurden. Und in Pantanis Körper fand man das Sechsfache der Kokaindosis, die eigentlich tödlich gewesen wäre. Pantani sei Opfer der Wettmafia geworden, hieß es zuletzt gerüchteweise.

Das Verfahren um die Todesumstände dürfte jetzt von der Staatsanwaltschaft Forlì neu aufgerollt werden, weil die Kollegen in Rimini so viele Fehler begangen haben. Der makaberste: Der obduzierende Arzt hatte Pantanis Herz mit nach Hause genommen. „Kein Gerichtsverfahren kann uns Marco wieder zurückgeben“, sagt Ferdinando Pantani resigniert, während seine Frau ihre Wut wiederholt in den Justizpalast schreit.

Vincenzo Delle Donne

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