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Jan-Lennard Struff hofft wenigstens noch auf ein paar nationale Turniere in dieser Saison.

© dpa

Tennisprofi Jan-Lennard Struff im Interview: „Es gibt viele deutsche Spieler, die um ihre Existenz bangen“

Jan-Lennard Struff spricht im Interview über die Pause im Profitennis wegen der Coronavirus-Pandemie, Fähigkeiten an der Playstation und seinen 30. Geburtstag.

Jan-Lennard Struff wird am Samstag 30 Jahre alt. Der aktuell zweitbeste deutsche Tennisprofi steht in der Weltrangliste auf Platz 34. Der gebürtige Warsteiner spielte sein letztes Match Anfang März im Davis Cup für Deutschland.

Herr Struff, wie geht es Ihnen so ganz ohne Tennis auf Wettkampfniveau?
Mir geht’s gut. Meiner Familie geht’s gut. Das ist natürlich das Wichtigste. Ich bin relativ entspannt gerade. Ich darf seit zwei, drei Wochen wieder Tennis spielen und versuche, mich fit zu halten. Ansonsten aber schränke ich alle Kontakte weitgehend ein.

Wann waren Sie zum letzten Mal so lange am Stück zuhause?
Ich weiß gar nicht. Verletzungen hatte ich ja kaum, das muss irgendwann vor elf Jahren gewesen sein, als ich noch zur Schule gegangen bin.

Können Sie die Zeit denn auch ein bisschen genießen?
Natürlich, ich versuche das Beste draus zu machen. Der Tour-Alltag ist ziemlich stressig und ich vermisse meine Familie manchmal. Und auch wenn die Zeit momentan nicht leicht ist für alle, freue ich mich, wenigstens Zeit mit meiner Freundin und meinem kleinen Sohn verbringen zu können. Dafür bin ich sehr dankbar, denn die Chance habe ich sonst nicht so häufig.

Was fehlt Ihnen am meisten aus dem Tour-Alltag?
Der Wettkampf, das tägliche Pushen – das fehlt mir schon. Auch wenn es ohne vielleicht mal ganz schön ist. Das ständige Arbeiten, um sich zu verbessern und mit Zielen zu trainieren, findet momentan gar nicht statt. Und das ist schon sehr merkwürdig. 

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Hätten Sie vor zwei Monaten gedacht, dass es zu einer weltweiten Pandemie kommen könnte?
Nein, das war für mich so überhaupt nicht zu erwarten. Erst haben die Turniere auch noch ganz normal stattgefunden. Und ich weiß noch, dass ich total happy war, dass wir in Düsseldorf im Davis-Cup gegen Weißrussland Anfang März noch mit Zuschauern spielen durften.

Das folgende Turnier in Indian Wells wurde dann als erstes abgesagt. Damals waren noch alle überrascht…
Für mich war das auch erst einmal merkwürdig und kam so ein bisschen aus dem Nichts. Ich war auf dem Weg nach Indian Wells und von der Absage ziemlich überrascht. Dann hat sich meine Einstellung aber schnell geändert. Denn als drei Tage später auch das folgende Turnier in Miami gecancelt wurde, war meine größte Sorge, es irgendwie wieder nach Hause zu meiner Familie zu schaffen. Ich habe da auch ein bisschen Panik bekommen, im Endeffekt zum Glück unbegründet.

Zuletzt konnten Sie immerhin trainieren. Sind Sie so fit, dass sie sofort wieder spielen könnten?
Ich trainiere mit einer Sondergenehmigung, weil die Tennis-Clubs in Nordrhein-Westfalen noch nicht wieder geöffnet sind. Das aber nur zwei-, dreimal die Woche. Fit genug wäre ich sicherlich trotzdem, ich befolge auch einen mit meinem Coach abgestimmten Trainingsplan und habe meine Programme, die ich machen kann. Schwieriger ist es für mich im Moment, ohne richtiges Ziel Tennis zu spielen. Ich merke, wie meine Motivation darunter leidet.

Eine Alternative wäre sonst noch die Playstation. Das Turnier in Madrid wird in der nächsten Woche mit einigen Profis als E-Sport-Event ausgerichtet. Wie ist es da um Ihre Fähigkeiten bestellt?
Ich habe gar keine (lacht). Und nicht mal eine Playstation. Ich wurde auch gar nicht gefragt, ob ich teilnehmen möchte. Die anderen Spieler waren wahrscheinlich ein paar Wochen im Trainingslager, da hätte ich dann noch schlechter abgeschnitten.

Immerhin soll es ja bald wieder richtige Matches geben. Der DTB plant eine Art nationale Turnierserie ab 8. Juni. Sie sollen auch dabei sein. Wie ist da der Stand?
Ich finde das sehr positiv, solange alle Auflagen auch eingehalten werden können. Immerhin gibt es viele deutsche Tennisspieler, die um ihre Existenz bangen. Die Bundesliga als wichtige Einnahmequelle wurde ja abgesagt. Der Deutsche Tennis-Bund hilft mit dieser Turnierserie den Profis, damit sie überleben können. Das ist eine tolle Sache. Ich bin mal gespannt, wie das dann alles konkret aussieht.

Weltweit sind Turniere bis in den Juli hinein ausgesetzt. Sie haben selbst die Befürchtung geäußert, dass 2020 gar nicht mehr gespielt werden könnte. Was macht Ihnen vielleicht doch noch Hoffnung?
Eigentlich nur nationale Events, so dass man wenigstens irgendwie im Rhythmus bleiben kann. Ansonsten sehe ich nicht, wie man das alles bewerkstelligen kann. Man kann einfach nicht planen, was passiert und deswegen beschäftige ich mich auch nicht weiter damit. Deswegen versuche ich, mein Fitnesslevel zu halten, um dann nicht zu lange zu brauchen, um wieder loslegen zu können.

Inwieweit haben Sie Angst um Ihre persönliche Zukunft als Tennisprofi? Sie verdienen ja momentan nichts, abgesehen vielleicht von Sponsoreneinnahmen.
Ich denke schon, dass wir irgendwann wieder Tennis spielen werden. Ich habe in den letzten Jahren gut gespielt und mir dadurch Rücklagen aufbauen können. Deswegen geht es mir momentan relativ gut, aber es ist natürlich so, dass ein Tennisspieler nur eine begrenzte Zeit hat, in der er arbeiten kann. Und davon bricht allen Profis jetzt etwas weg.

Denken Sie, dass sich das Tennis neu erfinden muss, wenn denn irgendwann wieder gespielt wird?
Man muss tatsächlich sehen, was künftig überhaupt noch stattfindet. Vielleicht ziehen sich Sponsoren zurück, das weiß man alles nicht. Deswegen denke ich schon, dass es Veränderungen geben wird.

Wie wäre es für Sie, vor leeren Zuschauerrängen spielen zu müssen?
Natürlich merkwürdig. Ich kenne das Gefühl aber, ich trainiere ja ohne Zuschauer und habe früher auch kleine Turniere ohne Fans gespielt. Trotzdem ist Publikum schon sehr wichtig für mich und uns alle. Aber wenn es nicht anders geht, muss es eben gemacht werden. Wenn es dann irgendwo im Stream oder Fernsehen übertragen wird, würde uns das in der jetzigen Situation schon helfen.

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Was halten Sie vom Hilfsfonds für weniger gutverdienende Tennisprofis, der jetzt von den Topspielern angeregt wurde?
Ich mag diese Idee sehr gern. Es ist gut, dass wir Tennisspieler zusammenrücken. Auch wenn wir irgendwo Konkurrenten sind. Ich beispielsweise komme mit allen Deutschen gut klar. Und wenn ich kann, möchte ich die Kollegen auch unterstützen.

Wie sieht Ihre Planung für die kommenden Wochen aus, sofern denn überhaupt irgendetwas planbar ist?
Das hängt natürlich davon ab, wann wir wieder starten werden. Sollte es die Turnierserie Deutschland ab 8. Juni geben, müsste ich mein Pensum sicherlich erhöhen. Denn momentan ist mein Leistungszustand natürlich nicht herausragend.

Am Samstag werden Sie 30 Jahre alt. Wird der runde Geburtstag zumindest ein bisschen gefeiert?
Ein bisschen vielleicht. Aber natürlich nur im kleinen Kreis mit meiner Freundin und meinem Sohn.

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