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Trotz Erfolg in der Europa League: Es wird wieder gegähnt beim VfB Stuttgart
Der VfB siegt und enttäuscht dennoch. Auch Bundestrainer Julian Nagelsmann scheint nicht mehr überzeugt von den Stuttgarter Spielern.
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Am Ende ist es noch einmal gut gegangen für den VfB. Deniz Undav hatte in der Nachspielzeit einen Angriff der Stuttgarter weit in der eigenen Hälfte eingeleitet und wenige Sekunden später zum 2:0 abgeschlossen. Zuvor hatte Bilal El Khannouss mit viel Überzeugung und Wucht zum 1:0 eingeköpft.
Der Sieg am Donnerstagabend gegen Feyenoord Rotterdam bedeutet, dass der VfB Stuttgart wieder bessere Chancen auf die direkte Qualifikation für das Achtelfinale in der Europa League hat. Die Erleichterung darüber war in der fast ausverkauften Stuttgarter Arena deutlich zu vernehmen. Gleichzeitig waren viele Fans nicht beseelt von diesem Spiel, die Fernsehbilder fingen einige gähnende Gesichter ein.
Als klarer Favorit war die Mannschaft von Sebastian Hoeneß in das Spiel gegangen. Die Quote bei den Buchmachern lag bei etwa 1,6 auf Sieg VfB und bei 4,4 auf Sieg Feyenoord. Doch die Buchmacher lagen mit ihrer Einschätzung daneben: Feyenoord war mindestens gleichwertig, der VfB hätte sich bei einer Niederlage nicht beschweren können.
Platz vier in der Liga, weiter dabei im DFB-Pokal und auch in der Europa League noch mit allen Chancen – mit Blick aufs große Ganze könnte es beim VfB schlechter laufen. Dennoch fällt auf: Es ist etwas ins Stocken geraten bei den Stuttgartern. Und das nicht erst in dieser Saison, sondern auch schon in der vorangegangenen.
In dieser gewann das Team zwar den DFB-Pokal, enttäuschte aber in der Liga sowie in der Champions League über weite Strecken. Es ist Jammern auf hohem Niveau. Zumal Trainer Sebastian Hoeneß den Klub vor zweieinhalb Jahren vor dem Abstieg rettete und dann eine Mannschaft aufs Feld brachte, die am Ende als Zweite sogar noch vor den Bayern stand.
Seitdem aber macht es immer weniger Spaß, den Stuttgartern beim Fußballspielen zuzusehen. Es flutscht nicht mehr. Man kann den langsamen, kontinuierlichen Leistungsabfall des Teams an einzelnen Spielern festmachen. Besonders die noch verbliebenen Leistungsträger aus der Saison 2023/24 kommen nicht mehr an ihr Topniveau heran.
Die Flügelspieler Chris Führich und Jamie Leweling waren mit ihrer Dynamik gefürchtet. Das ist vorbei. Führich spielt nur noch selten, auch der abschlussschwache Leweling rotiert immer häufiger aus der Mannschaft. Sogar Kapitän Atakan Karazor muss öfter dem jungen Spanier Chema Andres Platz machen.
Sein Nebenmann Angelo Stiller war in der letzten Spielzeit noch einer der wenigen Spieler, die sich im Vergleich zur Vorsaison sogar noch steigern konnten. Aber seit Wochen ist er nicht mehr in der Lage, den Rhythmus des Spiels zu bestimmen. Angreifer Deniz Undav, häufig durch Verletzungen gestoppt, ist die fehlende Spielpraxis anzumerken. Und Maximilian Mittelstädt, einer der großen Überflieger vor zwei Jahren, wird immer öfter von seinen Gegenspielern vorgeführt.
Es ist noch nicht lange her, da war der VfB die deutsche Mannschaft der Stunde. Im Aufgebot für die Nationalmannschaft hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann gleich sechs Spieler des Klubs berufen. Inzwischen sind es noch zwei: die DFB-Bankdrücker Alexander Nübel und Leweling.
Der VfB ist schlecht darin, Erfolg zu konservieren
Den Helden von vor zwei Jahren scheint die Kraft ausgegangen zu sein. Es ist bezeichnend, dass der derzeit überzeugendste Spieler Neuzugang El Khannouss ist. Der Marokkaner sprüht vor Energie und Spielwitz. Genau das ist den meisten anderen abhandengekommen.
Macht der VfB wieder das, was er immer macht? Kommt nach dem Aufstieg wieder der Fall – wie es in der vor wenigen Wochen erschienenen ARD-Dokumentation „Rise & Fall of VfB Stuttgart“ zu sehen ist? Diese zeigt, dass der Klub aus Bad Cannstatt sehr schlecht darin ist, Erfolg zu konservieren.
VfB-Held und kritischer Feingeist (manche würden sagen: der Bruddler) Karl Allgöwer erzählt darin, dass die Stuttgarter 1984 nicht einmal eine vernünftige Meisterschaftsfeier ausrichten konnten.
Es war ein schlechtes Omen. Nach ’84 stagnierte der Klub. Als es dann 1992 dank Berufsenthusiast Christoph Daum wieder zu einer Meisterschaft reichte, kam direkt in der Folgesaison der nächste Rückschlag: Daum wechselte in einem Qualifikationsspiel für die Champions League gegen Leeds einen Ausländer zu viel ein. Stuttgart war raus und erholte sich lange nicht davon.
Doch der Verein mit seinen sehr treuen Fans (und gut betuchten Sponsoren) hat eine gewisse Widerborstigkeit, er kommt immer wieder zurück. Erst Anfang der 2000er mit dem als „harten Hund“ verschrienen Felix Magath, dann 2007 mit der gewonnenen Meisterschaft.
Beide Male ging es danach wieder bergab. Es ist bislang in der Historie des Traditionsvereins immer so gewesen: Wenn dem Klub etwas Großes gelingt, reißt er sehr schnell alles wieder ein.
Den aktuell sportlich Verantwortlichen ist das bewusst. Sie wollen aus dem VfB endlich eine Spitzenmannschaft machen – und zwar eine, die dauerhaft oben mitspielt. Aktuell befindet sich das Team in einer Art Schwebezustand, irgendwo zwischen oben und Mittelfeld. Doch die Gravitationskräfte ziehen merklich an den Überbleibseln des Höhenflugs von vor zwei Jahren.
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