
Hamburg seine Perle: Tunay Torun als Spielmacher gegen den HSV?
Nach Ronnys schwachem Auftritt in Nürnberg könnte Tunay Torun am Samstag im Spiel gegen seinen ehemaligen Klub die Rolle von Herthas gesperrtem Spielmacher Raffael übernehmen.
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit sich das Schicksal gerade gegen Ronny wendet. Vor wenigen Tagen noch erlebte der Brasilianer seine vielleicht schönsten Tage bei Hertha BSC, durfte sich endlich wichtig und als Fußballer geschätzt fühlen. Seit Samstag, seit seinem missglückten Versuch, das Spiel des Berliner Bundesligisten zu lenken, ist alles anders – und eigentlich so wie immer. Selbst die einfachsten Übungen wollen nicht mehr gelingen. Gestern, im ersten Training nach Herthas 0:2-Niederlage in Nürnberg, trat der Brasilianer zum Elfmeter an. Er jagte den Ball am Pfosten vorbei, ohne dass Torhüter Sascha Burchert eingreifen musste.
Nach allgemeiner Einschätzung ist das Experiment mit Ronny als Vertreter seines gesperrten Bruders Raffael am Wochenende krachend gescheitert. Dass Trainer Michael Skibbe den Brasilianer schon zur Pause vom Feld nahm, hatte etwas Endgültiges. Möglicherweise aber ist das eine Fehldeutung. „Er hat noch eine weitere Chance verdient“, sagt Skibbe. „Aber er muss sie sich auch im Training erarbeiten.“ Bei den Kollegen findet Ronny ebenfalls Zuspruch. „Es ist ein bisschen hart, jemanden nach einem Spiel gleich so zu kritisieren“, sagt Tunay Torun. „Er hat bestimmt nicht extra so gespielt.“ Torun spricht sich sogar explizit dafür aus, Ronny eine weitere Chance zu geben.
Das ist insofern bemerkenswert, als Torun selbst ein Kandidat für die Position im offensiven Mittelfeld ist. Drei Spieler kommen als Vertreter Raffaels infrage. Ronny und Änis Ben-Hatira durften sich in Nürnberg je eine Halbzeit versuchen. Weil beide nicht überzeugten, könnte es am Samstag im Heimspiel gegen den Hamburger SV nun auf den früheren Hamburger Torun hinauslaufen.
Herthas Niederlage in Nürnberg in unserer Bildergalerie:
„Alle Kandidaten haben einen ordentlichen Eindruck hinterlassen“, sagte Skibbe nach dem ersten Training der neuen Woche. Eine Präferenz ließ er nicht erkennen, wenn es überhaupt schon eine gibt. Als guter Psychologe müsste er Ronny eigentlich die Gelegenheit zur Rehabilitierung geben, sonst würde der sich endgültig demontiert fühlen. Allerdings hat das Spiel in Nürnberg Zweifel an seiner generellen Befähigung für die Bundesliga genährt. Ronny schien von der Intensität eindeutig überfordert; auch Ben-Hatira steckt in einer schwierigen Phase. Torun hingegen wirkte schon im Trainingslager zielstrebig und entschlossen. „Ich war zufrieden mit meiner Vorbereitung“, sagt er. „Ich hatte mir vorgenommen, vom ersten Tag an munter und frisch aufzuspielen und habe in der Pause auch ein bisschen mehr gemacht, als auf dem Plan stand.“
Auf dem Platz wirkt der 21-Jährige mit seinem schlurfenden Gang und den hängenden Schultern manchmal ein bisschen unbeteiligt, doch dieser Eindruck täuscht. Am Ball besitzt der türkische Nationalspieler eine hohe Explosivität. „Tunay ist ein sehr wendiger Spieler, der oft Eins-gegen- eins-Situationen sucht“, sagt Skibbe. Die Position hinter den Spitzen hat er zwar länger nicht mehr bekleidet, aus der Jugend aber ist sie Torun durchaus geläufig. „In der Offensive kann ich jede Position besetzen, links, rechts, zentral“, sagt er. Ihm ist es auch egal, wo der Trainer ihn hinstellt, „Hauptsache, man steht auf dem Platz und kann Fußball spielen“.
Das war zuletzt eher selten der Fall. Die Erwartungen, die im Sommer mit seiner Verpflichtung verbunden waren, haben sich nur bedingt erfüllt. Für beide Seiten. Seit dem siebten Spieltag in Bremen stand Torun nicht mehr in Herthas Startelf. Dabei hatte die Saison für den gebürtigen Hamburger durchaus ansprechend begonnen. Am zweiten Spieltag erzielte er sein erstes Tor für Hertha, ausgerechnet gegen den HSV, den Verein, von dem er nach Berlin gewechselt war. „Ich freue mich immer wieder, gegen die zu spielen“, sagt Torun über das Duell, das nun wieder ansteht. Trainer Skibbe kennt die besondere Beziehung Toruns zum HSV, aber Herkunft ist bei der Besetzung seiner Mannschaft nicht das entscheidende Kriterium: „Ein Bonus ist das nicht.“